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Werke Johannes Chrysostomus (344-407) In Matthaeum homiliae I-XC Kommentar zum Evangelium des hl. Matthäus (BKV)
Siebenundsiebzigste Homilie. Kap.XXIV,V.32-51.

6.

Siehst du, wie Christus gerade die Liebe so herrlich preist und ihr die Palme zuerkennt? Wenn es euch recht ist, wollen wir noch einen dritten Vergleich anstellen. Da ist einer, der fastet, lebt enthaltsam, lässt sich martern und verbrennen; ein anderer schiebt, um den Nächsten zu erbauen, das Martyrium hinaus, ja er entzieht sich ihm ganz; welcher von beiden wird nach dem Hinscheiden mehr belohnt werden? Es bedarf nicht vieler Worte oder langer Reden, um darüber klar zu werden. Hat ja der heilige Paulus schon die Sache entschieden, da er schreibt: „Aufgelöst zu werden und mit Christus zu sein, ist besser; das Verbleiben aber im Fleische ist euretwegen das Notwendigere"1 . Er erachtete also die Erbauung des Nächsten für wichtiger als den Hingang zu Christus. Die innigste Vereinigung mit Christus liegt eben darin, seinen Willen zu erfüllen; nichts aber wünscht er so sehr, als dass wir dem Nächsten beistehen. Soll ich auch noch einen vierten Beweis dafür bringen? „Petrus, liebst du mich?" sagt der Herr; „weide meine Lämmer"2 . Die dreimalige Wiederholung soll ausdrücken, dass im Weiden ein Erweis der Liebe liegt. Und diese Worte gelten nicht allein den Priestern, sondern einem jeden von uns, dem eine, wenn auch kleine Herde anvertraut ist; du darfst sie nicht gering schätzen, S. d1112 weil sie klein ist, denn „der Vater", heißt es, ,,hat Wohlgefallen an ihnen"3 .

Jeder aus uns hat sein Schäflein; das soll er auf die entsprechende Weide treiben. Der Mann soll nach dem Aufstehen vom Lager nach nichts anderem trachten als danach, wie er durch Wort und Tat sein ganzes Haus frömmer mache. Das Weib wiederum soll bei aller Sorge für die Häuslichkeit doch noch eine andere Sorge für notwendiger ansehen, nämlich, dass die ganze Familie Werke für den Himmel verrichte. Wenn man in den weltlichen Dingen die Sorge um die häuslichen Angelegenheiten der Sorge nachsetzt, wie man die Schuldigkeiten gegen den Staat entrichten könne, um nicht wegen Fahrlässigkeit geschlagen, vor Gericht geschleppt zu werden und allerlei Schimpf zu erleiden, dann muss man um so mehr im geistlichen Leben diese Regel beobachten und zuerst unseren Pflichten gegen den allmächtigen Gott nachkommen, um nicht dem Orte des Zähneknirschens zu verfallen. Üben wir hierbei namentlich jene Tugenden, die außer zu unserem eigenen Heile vorzüglich auch zum Wohle des Nächsten beitragen können. Dazu gehört das Almosen, dazu das Gebet; ja dieses empfängt von jenem Kraft und Schwung. „Deine Gebete und deine Almosen“, lesen wir, „sind emporgestiegen zu einem Gedächtnisse vor Gott“4 . Und nicht bloß das Gebet, auch das Fasten gewinnt hierdurch mehr Kraft. Wenn man nämlich fastet, ohne Almosen zu spenden, so gilt das gar nicht einmal als Fasten; ein solcher Mensch steht vielmehr tiefer als ein Schlemmer und Trinker, und zwar umso tiefer, als Hartherzigkeit hässlicher ist als Üppigkeit.

Ist es aber genug, wenn ich bloß vom Fasten rede? Nein, auch wer enthaltsam, wer jungfräulich lebt, wird draußen vor der Tür des Hochzeitssaales zum Stehen kommen, wenn er nicht auch Almosen gibt. Und was könnte sich mit der Jungfräulichkeit messen, die im Neuen Bunde wegen ihrer Erhabenheit gar nicht unter die Verbindlichkeit des Gesetzes fällt? Gleichwohl wird ein Jungfräulicher ausgeschlossen, wenn er das Almosen S. d1113 versäumt. Wenn nun die Jungfräulichen ausgeschlossen werden, weil sie nicht mit entsprechender Freigebigkeit Almosen gespendet haben, wird dann Verzeihung finden, wer gar keine gegeben hat? Nein; vielmehr ist jeder, der so gehandelt hat, unbedingt verloren. Wenn schon in der Welt niemand für sich allein lebt, sondern Handwerker, Krieger, Landwirte, Kaufleute, kurz alle, zum Gemeinwohle und zum Besten des Nebenmenschen beitragen, dann muss das umso mehr auf geistlichem Gebiete der Fall sein. Darin besteht ja vorzüglich das Zusammenleben. Wer dagegen nur für sich selbst lebt, ohne sich um die Gesamtheit zu kümmern, der ist unnütz, ist gar kein Mensch, ist kein Mitglied unseres Geschlechtes. Wie nun, fragst du, wenn ich bei der Sorge um die anderen meine eigenen Angelegenheiten aus dem Auge verliere? Es ist gar nicht möglich, dass jemand sich selbst vernachlässigt, wenn er das Wohl anderer sucht. Ein solcher Mensch tritt niemandem nahe, sondern hat ein Herz für alle und hilft, wo er nur kann; er raubt nicht, übervorteilt keinen, stiehlt nicht, legt kein falsches Zeugnis ab; er enthält sich jeglicher Schlechtigkeit, trachtet nach allen Tugenden, betet für seine Feinde und tut denen wohl, die ihn verfolgen; er schmäht niemanden, redet von keinem böse, auch wenn er noch so sehr verleumdet wird, sondern spricht mit dem Apostel: „Wer ist schwach und ich bin nicht schwach? Wer wird geärgert und ich brenne nicht?“5 . Wenn wir aber bloß unseren eigenen Vorteil im Auge haben, wird daraus nichts für das Wohl der Mitmenschen abfallen.

Alle diese Erwägungen müssen uns überzeugen, dass einer, der sich nicht um das allgemeine Wohl kümmert, nicht selig wird; und wenn wir dann sehen, wie ein solcher hinausgeworfen wird, gleich dem, der sein Talent vergraben hatte, so müssen wir zum Entschlusse kommen, diesen Weg einzuschlagen, wenn anders wir das ewige Leben erlangen wollen. Möge es uns allen beschieden sein durch die Gnade und Liebe unseres Herrn Jesus Christus, dessen Ehre währt in alle Ewigkeit. Amen!


  1. Phil 1,23-24 ↩

  2. Joh. 21,15 ↩

  3. Lk 12, 32 ↩

  4. Apg 10,4 ↩

  5. 2 Kor 11,29 ↩

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