1.
V.17: „An dem ersten Tage aber der ungesäuerten Brote traten die Jünger zu Jesus und sagten: Wo willst du, dass wir für Dich Vorbereitung treffen, das Ostermahl zu essen?
V.18: Er aber sprach: Gehet hin in die Stadt zu jenem Bekannten und sprechet zu ihm: Es sagt der Meister: Meine Zeit ist nahe, bei dir halte ich Ostermahl mit meinen Jüngern.“
Mit dem ersten Tage der ungesäuerten Brote meint der Herr den Tag, der diesen vorherging, weil man den Tag vom Vorabende an zu rechnen pflegt. Er spricht also von dem Tage, an dem abends das Osterlamm geopfert werden sollte; es war also der fünfte Tag der Woche, da sie zu ihm traten. Der eine Evangelist nennt diesen Tag den Tag vor den ungesäuerten Broten, indem er die Zeit bezeichnet, da sie zu ihm traten; ein anderer sagt: „Es kam aber der Tag der ungesäuerten Brote, an welchem geschlachtet werden musste das Osterlamm“1 . Mit dem Ausdrucke „es kam“ will er sagen: er war nahe, er war vor der Tür; offenbar meint er den betreffenden Abend. Mit dem Abend begannen sie nämlich das Fest, weshalb ein jeder auch beifügte: „Da man das Osterlamm schlachtete“2 . Die Jünger S. d1152 sagen also: „Wo willst Du, dass wir für Dich Vorbereitung treffen, das Ostermahl zu essen?“ Daraus ist wieder ersichtlich, dass Jesus kein eigenes Haus besaß, keine Unterkunft; und ich glaube, auch die Jünger nicht, sonst hätten sie ihn doch dahin eingeladen. Sie besaßen aber deshalb keines, weil sie auf alles verzichtet hatten. Warum feierte er dann aber das Ostermahl? Um durchwegs bis zum letzten Tage zu zeigen, dass er kein Gegner des Gesetzes sei. Und warum sendet er die Jünger zu einem unbekannten Manne? Damit will er kundgeben, dass es in seiner Macht lag, nicht zu leiden. Denn wenn er diesen Mann bewog, sie aufzunehmen, und zwar durch bloße Worte, wie hätte er erst mit seinen Kreuzigern verfahren können, wenn es sein Wille gewesen wäre, nicht zu leiden? Er geht hier so vor wie seinerzeit, als es sich um die Eselin handelte. Damals hatte er gesagt: „Wenn euch jemand etwas sagt, so spreche nur, der Herr bedarf ihrer“; ähnlich drückt er sich auch hier aus: „Der Meister sagt: Bei dir halte ich das Ostermahl.“ Mich wundert es nicht so sehr, dass ihn ein Unbekannter aufnahm, als vielmehr, dass sich derselbe aus der Feindschaft der Menge nichts machte, da er doch gewärtigen musste, er werde sich dadurch heftigen Hass und unversöhnliche Feindschaft zuziehen. Da sie also den Mann nicht kannten, gab er ihnen ein Kennzeichen. Ähnlich wie3 der Prophet zu Saul gesagt hatte: „Du wirst einen Mann mit einem Schlauche hinaufgehen sehen“4 , so spricht er: „einen Mann mit einem Kruge“5 . Beachte, wie er da wieder einen Beweis seiner Macht gibt. Er sagte nicht bloß: „Ich halte das Ostermahl“ sondern fügt auch bei: „Meine Zeit ist nahe.“ Das tat er, teils um die Jünger immer wieder an sein Leiden zu gemahnen, damit sie durch die häufigen Vorherverkündigungen auf die Zukunft gefasst würden, teils um den Jüngern, dem Wirte und allen Juden zu zeigen, dass er sich nicht unfreiwillig dem Leiden unterzieht. Er setzt noch bei: „Mit meinen Jüngern“, damit man hinreichend Vorbereitungen treffe und der Mann nicht glaube, der Herr wolle sich verbergen.
V.20: „Als es aber Abend geworden, ließ er sich zu Tische nieder mit seinen zwölf Jüngern.“
Da seht! Welche Unverschämtheit von seiten des Judas! Auch er war dabei und kam, um an den Geheimnissen und an der Mahlzeit teilzunehmen; er wird sogar bei Tische beschuldigt, so dass es ihm hätte zu Herzen gehen sollen, auch wenn er ein wildes Tier gewesen wäre. Deshalb deutet auch der Evangelist an, dass Christus während der Mahlzeit von dem Verrate spricht, um durch diese Umstände der Zeit und des Mahles zu zeigen, wie groß die Bosheit des Verräters war. Als nämlich die Jünger gemäß dem Auftrage Jesu gehandelt hatten, ließ er sich, als es Abend geworden, mit den zwölf Jüngern zu Tische nieder.
V.21: „Und während sie aßen, sprach er: Wahrlich, ich sage euch, einer aus euch wird mich verraten.“
Vor der Mahlzeit hatte er ihnen auch noch die Füße gewaschen. Beachte da, wie schonend er mit dem Verräter verfährt. Er sagte nicht: der und der wird mich verraten, sondern: „einer aus euch“, um ihm noch einmal durch die Geheimhaltung einen Anstoß zur Umkehr zu geben. Ja, um ihn zu retten, versetzt er lieber alle in Schrecken. Einer aus euch zwölfen, sagt er, die ihr immer um mich gewesen seid, denen ich die Füße gewaschen habe, denen ich so große Verheißungen gemacht habe. Da erfasste diese heilige Gesellschaft ein unsägliches Leid. Johannes erzählt: „Sie wurden beunruhigt und sahen einander an“6 , und ein jeder fragte voll Angst, ob er es sei, wiewohl ihnen ihr Inneres nichts so Abscheuliches vorzuwerfen hatte, und Matthäus berichtet:
V.22: „Und tief betrübt begannen sie, jeder einzelne zu sagen: Bin etwa ich es, Herr!
V.23: Er aber antwortete und sprach: Jener ist es, welchem ich den Bissen Brot eintunken und darreichen werde.“7
Beachte, wann er den Verräter entlarvte, nämlich S. d1154 erst, als er die anderen von der Bestürzung befreien wollte, denn sie waren vor Furcht fast tot, weshalb sie ihn auch mit Fragen bestürmten. Indessen nicht allein, um ihnen die Angst zu benehmen, tat er es, sondern auch um den Verräter selbst zu bessern. Da er sich nämlich trotz öfterer Anspielung darauf ob seiner Gefühllosigkeit doch nicht gebessert hatte, so riss ihm der Herr, um ihn fester zu fassen, die Maske herab. Da die Apostel vor Kummer zu fragen begannen: „Bin etwa ich es, Herr?“ entgegnete er:
V.23: „Der mit mir in die Schüssel tunkt, der wird mich überantworten.
V.24; Der Menschensohn geht zwar von hinnen, wie geschrieben ist von ihm; wehe aber den Menschen, durch welchen der Menschensohn überantwortet wird. Gut wäre es für jenen Menschen, wenn er nicht geboren wäre.“
Einige sind der Meinung, Judas sei so frech gewesen, dass er ohne Achtung vor dem Meister zugleich mit ihm eintunkte; ich meine jedoch, Christus hat so gehandelt, um ihn zur Umkehr und Sinnesänderung zu bewegen; auch dem lag also eine höhere Absicht zugrunde.