5.
Was wird uns also der wahre Glaube nützen, wenn diese Worte uns gelten? Im Jenseits Zähneknirschen, äußerste Finsternis, das Feuer, das dem Teufel bereitet ist, Trennung und Verstoßung. Im Diesseits Feindschaft, Schmähungen, Verleumdungen, Gefahren, Sorgen, Nachstellungen, Hass und Verachtung von seiten aller, selbst der scheinbaren Schmeichler. Wie nämlich die Guten nicht nur von den Guten, sondern auch von den Schlechten bewundert werden, so werden die Schlechten nicht allein von den Guten, sondern auch von den Bösen gehasst. Zum Beweise, dass das wahr ist, möchte ich die Geldgierigen gerne fragen, ob sie einander etwa leiden können, ob sie sich nicht gegenseitig für die größten Feinde und Schädiger halten, ob sie einander nicht schmähen, ob sie es nicht als Schimpf bezeichnen, wenn man ihnen diese Schmach vorhält. Denn es ist dies wirklich die ärgste Schmach, und ein Zeichen großer Schlechtigkeit. Wenn du es schon nicht über dich bringst, das Geld zu verachten, worüber willst du da Herr werden? über Begierlichkeit, Ehrsucht, Zorn, Rachsucht? Wie könnte man sich das einreden lassen? Was Begierlichkeit des Fleisches, Zorn Rachsucht angeht, so stellen sie viele auf Rechnung körperlicher Eigenheit und die Jünger der Heilkunde leiten die Ausschreitungen von ihr her. Sie behaupten, eine hitzige und feuchte Natur neige mehr zu Wollust, während eine trockene Beschaffenheit der Säfte mehr zur Heftigkeit, zum Jähzorn und zur Wildheit veranlagt mache. Was aber die Habsucht betrifft, so hat man noch nie gehört, dass auch nur einer eine ähnliche Anschauung geäußert hätte. So sehr ist man überzeugt, dass diese Leidenschaft nur auf der Nachlässigkeit und Unempfindlichkeit der Seele beruhe.
Daher bitte ich, lasset uns doch ernstlich alle diese Verkehrtheiten bessern und die Leidenschaften, die sich je nach dem Alter in uns regen, ins Gegenteil verwandeln. Wenn wir aber auf jeder Stufe unseres Lebens den Mühen, welche die Tugend fordert, ausweichen, dann S. d1164 werden wir überall Schiffbruch leiden, werden ohne geistliche Schätze in den Hafen einlaufen und den fürchterlichen Qualen verfallen. Es verhält sich mit unserem Leben hienieden wie mit der weiten See, wo es verschiedene Meere mit verschiedenen Gefahren gibt. Das Ägäische ist gefährlich wegen der Winde, die Tyrrhenische Straße wegen der Enge, die Charybdis gegen Libyen wegen der Untiefen, die Propontis draußen am Schwarzen Meer wegen der reißenden und tosenden Strömungen, die See hinter Cadix, weil sie öde und wenig befahren und an den einzelnen Stellen noch nicht erforscht ist; andere Meere wieder aus anderen Gründen. In unserem Leben ist das erste Meer unsere Kindheit, die heftige Stürme bringt, weil wir noch unverständig, flatterhaft und ohne Festigkeit sind. Daher stellt man auch Erzieher und Lehrer auf, um das, was der Natur fehlt, durch besondere Sorgfalt zu ersetzen, wie es auf dem Meere durch die Kunst des Steuermannes geschieht. Nach diesem folgt dann das Jünglingsalter, ein Meer, wo heftige Winde wehen, wie auf dem ägäischen Busen, indem die Begierlichkeit in uns wächst. Und gerade diese Altersstufe zeigt am wenigsten Tugend, nicht nur, weil sie mehr angefochten wird, sondern auch, weil die Verfehlungen nicht mehr gerügt werden, da Lehrer und Erzieher bereits ihrer Stellung enthoben sind. Wenn nun die Stürme heftiger wehen, der Steuermann so schwach ist und ein Schützer fehlt, so ist es leicht zu ermessen, wie groß die Gefahr ist. Auf diese Lebensstufe folgt eine andere, das Mannesalter; da treten die Pflichten der Hausverwaltung heran, wenn man heiratet, Kinder hat, eine Familie leitet und Sorgen wie Schneegestöber daherwirbeln. Das ist der Tumultplatz für Habsucht und Neid. Wenn wir also beim Durchfahren jeder einzelnen Lebensstufe Schiffbruch leiden, wie werden wir im Leben hienieden bestehen? Wie werden wir der Strafe im Jenseits entrinnen? Denn wenn wir in den ersten Jahren nichts Ordentliches lernen, in der Jugend nicht vernünftig werden und als Männer über die Habsucht nicht Herr geworden sind, so werden wir ins Alter wie in einen Sumpf einlaufen, und zuletzt, wenn durch alle diese S. d1165 Stöße das Fahrzeug unserer Seele erschüttert und die Rippen aus den Fugen gegangen sind, in dem Hafen dort drüben landen mit einer Ladung von Unrat anstatt von geistlichen Gütern, dem Teufel zum Hohngelächter, uns zum Schmerze, weil wir jetzt der unausstehlichen Strafe anheimfallen. Um also diesem Los zu entgehen, müssen wir durchaus Maß halten, gegen jede Leidenschaft Stellung nehmen und die Sucht nach Reichtum ausrotten. Dann werden wir den ewigen Lohn erlangen durch die Gnade und Güte unseres Herrn Jesus Christus, dessen Ehre währt von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen!