3.
Was redest du, Petrus? Der Prophet hatte gesagt: „Die Schafe werden zerstreut werden“, Christus bekräftigt die Weissagung, und du sprichst: Nein? Genügt dir die erste Zurechtweisung nicht, als du sagtest: „Ferne sei es von dir“?1 . Daher ließ es der Herr nun auch zu, dass Petrus fiel, um ihn so zu belehren, dass man in allem Christo glauben und sein Wort für zuverlässiger halten muss als sein eigenes Gewissen. Auch die übrigen schöpften nicht geringen Nutzen aus der Verleugnung Petri, da sie an ihr die menschliche Schwäche und Gottes Wahrhaftigkeit erkannten. Wenn er etwas vorhersagt, so darf man nicht mehr deuteln und sich nicht über die anderen erheben. Denn es heißt: „Du wirst Rühmen für dich selbst haben und nicht für andere“2 . Petrus hätte bitten sollen: Hilf uns, dass wir Dich nicht verlassen, anstatt dessen beteuert er voll Selbstvertrauen: „Und wenn auch alle Ärgernis nehmen werden an Dir, ich werde niemals Ärgernis nehmen.“; S. d1172 wenn dies allen widerfährt, meint er, mir wird so etwas nie widerfahren, und so verstieg er sich allmählich bis zur Anmaßung. Um sie nun in die Schranken zu weisen, ließ Christus die Verleugnung zu. Da er sich weder durch ihn noch durch den Propheten belehren ließ3 , da er sich also nicht an die Worte kehrte, wird er durch die Tatsachen belehrt. Dass es der Herr zu dem Zwecke geschehen ließ, um ihn von diesem Fehler zu heilen, sagen dir seine Worte: „Ich habe für dich gebetet, dass dein Glaube nicht ausgehe“4 . Damit wollte er ihm eine scharfe Zurechtweisung erteilen und ihm bedeuten, dass sein Fall schlimmer war als der der anderen und stärkere Hilfe erforderte. Zwei Fehler hatte sich Petrus zuschulden kommen lassen; dass er widersprach und dass er sich über die anderen überhob; ja, noch einen dritten, dass er in allem auf die eigene Kraft pochte. Um diese Fehler zu heilen, ließ der Herr den Fall geschehen. Deshalb spricht er auch: „Simon, Simon, siehe, der Satan hat nach euch begehrt, um euch zu sieben wie den Weizen“, d.h. um euch zu verwirren, zu beunruhigen, zu versuchen. „Ich aber habe gebetet für dich, dass dein Glaube nicht ausgehe“5 . Wenn nun der Teufel alle begehrt hatte, warum sagt Jesus nicht: Ich habe für alle gebetet? Ist es nicht klar, dass es aus dem Grunde geschah, den ich vorhin erwähnte? Er wollte den Petrus zurechtweisen und zeigen, dass er schlimmer fehlte als die anderen; darum richtete er das Wort an ihn. Weshalb sagte er aber nicht: Ich habe es verhindert, sondern: „Ich habe gebetet“? Er führt eine demütige Sprache, da er das Leiden antritt, um seine menschliche Natur hervorzuheben. Christus hatte die Kirche auf das Bekenntnis Petri gebaut und hatte sie so gefestigt, dass tausend Gefahren und Todeurteile sie nicht überwältigen können; er hatte ihm die Schlüssel des Himmelreiches gegeben und ihm eine so große Gewalt S. d1173 anvertraut, und nirgends hatte er dazu des Gebetes bedurft6 ; wie brauchte er nun das Gebet, um die Seele eines einzigen gefährdeten Menschen zu festigen? Weshalb hat er also diesen Ausdruck gewählt? Aus dem Grunde, den ich erwähnt habe und wegen der Schwachheit der Jünger, da sie noch nicht die rechte Meinung von ihm hatten.
Wie kam es nun, dass Petrus den Herrn verleugnete? Christus hatte nicht gesagt: Damit du mich nicht verleugnest, sondern: Damit dein Glaube nicht ausgehe, damit du nicht völlig verloren gehst. Es war das ein Erweis seiner Fürsorglichkeit. Die Furcht hatte Petrus ganz niedergeschmettert, sie war übermächtig, und zwar, weil ihm Gott seinen Beistand ganz entzogen hatte und zwar deshalb, weil auch die Leidenschaft der Anmaßung und des Widerspruches in ihm so stark war. Um sie gründlich auszumerzen, ließ ihn der Herr so heftig von der Angst befallen werden. Weil diese Leidenschaft in ihm so schlimm war, ließ er es nicht bei dem bereits Geschehenen bewenden, dass er nämlich dem Propheten und Christus widersprach; als nämlich Christus zu ihm sagte
V.34: „Wahrlich, ich sage dir, dass du in dieser Nacht, bevor der Hahn kräht, mich dreimal verleugnen wirst“,
da hatte er versichert:
V.35: „Und wenn ich auch mit Dir sterben müsste, nimmer werde ich Dich verleugnen.“
Lukas gibt zu erkennen, dass Petrus um so heftiger widersprach, je mehr Christus das Gegenteil behauptete. Ja, was tust du da, Petrus? Als der Herr erklärte: „Einer aus euch wird mich verraten“, da warst du voll Befürchtung, du könntest der Verräter sein, und nötigtest den Mitapostel zu fragen, obschon du dir nichts dergleichen bewusst warst; jetzt, da er ausdrücklich betont: „Alle werden sich ärgern“, machst du Einreden? nicht nur einmal, sondern zweimal und wiederholt? So berichtet uns nämlich Lukas. Woher kam das bei ihm? Von seiner innigen Liebe, von seiner zärtlichen S. d1174 Anhänglichkeit. Nachdem er der Angst wegen des Verrates überhoben war und den Verräter kannte, redet er voll Zuversicht und stellt sich über die anderen: „Wenn auch alle sich ärgern“, spricht er, „ich werde mich nicht ärgern.“ Es zeigt sich in dem Vorgange wohl auch ein gewisser Ehrgeiz. Hatten doch beim Abendmahle die Apostel auch darüber verhandelt, wer von ihnen der Größte sei so sehr hielt sie diese Leidenschaft in Fesseln. Daher suchte ihn auch der Herr davon zu heilen, nicht etwa indem er ihn zur Verleugnung drängte, das sei ferne, sondern indem er ihm seine Hilfe entzog und so die menschliche Natur beschämte. Siehe nur, wie Petrus später bescheiden ist. Als er nach der Auferstehung fragte: „Was will denn dieser da?“7 und abgewiesen wurde, wagte er nicht, wie hier, zu widersprechen, sondern schwieg. Ebenso schweigt er, ohne etwas einzuwenden, als er bei der Himmelfahrt die Worte Christi hörte: „Nicht an euch ist es, die Zeiten oder Augenblicke zu erkennen“8 . Und da ihm später auf dem Dache bei der Erscheinung des Tuches eine Stimme zurief: „Was Gott gereinigt hat, nenne du nicht Gemeines“9 , bleibt er still und rechtet nicht, obgleich er den Sinn der Worte noch nicht klar erfasste.
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Mt 16,22 ↩
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Gal 6,4 ↩
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ebendarum hatte er ja den Propheten angeführt, dass sie nicht widersprechen sollten ↩
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Lk 22,32 ↩
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Ebd 31 u. 32 ↩
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er hatte nicht gesagt: Ich habe gebetet, sondern mit eigener Vollgewalt: „Ich werde meine Kirche bauen“, „Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreiches geben“ ↩
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Joh 21,21 ↩
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Apg 1,7 ↩
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ebd 10,15 ↩