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Werke Johannes Chrysostomus (344-407) In Matthaeum homiliae I-XC Kommentar zum Evangelium des hl. Matthäus (BKV)
Sechsundachtzigste Homilie. Kap.XXVII,V.11-26.

2.

Merkst du, wie Jesus alle Sorgfalt aufwendet, um sie vor der Schuld zu bewahren, sie hingegen allen Eifer, um sich auch nicht den Schatten einer Entschuldigung übrigzulassen? Was hätte sich denn gehört? Den Überführten freizulassen, oder den, der noch in S. d1217 Untersuchung stand? Wenn schon ein Geständiger loszulassen war, um so eher ein zweifelhafter Verbrecher. Sie konnten doch am Ende nicht glauben, dass der Herr schlimmer sei als ein geständiger Mörder. Darum sagte der Evangelist auch nicht einfach: Sie hatten einen Räuber, sondern „einen berüchtigten“, d.h. einen, der wegen seiner Schlechtigkeit verrufen war, der unzählige Mordtaten verübt hatte. Dessenungeachtet zogen sie ihn dem Erlöser der Welt vor ohne Scheu vor der heiligen Zeit oder den Grundsätzen der Menschlichkeit oder sonst einer ähnlichen Rücksicht; sie waren nun einmal vor Neid völlig verblendet. Und nicht genug, dass sie selbst böse sind, sie verhetzen auch noch das Volk und ziehen sich durch dessen Verführung ebenfalls die äußerste Strafe zu. Da sie also den Räuber forderten, fragte Pilatus:

V.22: „Was soll ich dann mit Christus tun?“

Dadurch, dass er ihnen die Wahl freigibt, macht er noch einen Versuch, sie zu bewegen, dass sie, wenn auch beschämt, Christum forderten. Es sollte alles auf ihr Ehrgefühl ankommen. Hätte er gesagt: Er hat nichts verbrochen, so hätte er ihre Hartnäckigkeit gesteigert; da er aber seine Rettung für eine Forderung der Menschlichkeit erklärt, gibt er seiner Beredsamkeit und seinem Ansinnen eine Kraft, der man nicht widerstehen kann. Aber trotzdem rufen sie:

„Kreuzige ihn. V.23: Pilatus aber sprach: Was hat er denn Böses getan? Sie jedoch schrieen nur um so lauter: Gekreuzigt soll er werden!

V.24: Als aber Pilatus sah, dass er nichts ausrichte, wusch er sich die Hände und sagte: Ich bin unschuldig.“

Warum überlieferst du ihn dann aber? Warum hast du ihn nicht gerettet, wie der Hauptmann den Paulus?1 . Auch der wusste, dass er den Juden einen Gefallen erwiese; es entstand deswegen auch Aufruhr und Lärm; aber er blieb trotz all dem fest. Pilatus handelte nicht so, sondern äußerst unmännlich und feig, und alle entehrten sich in gleicher Weise. Er widerstand dem Volke S. d1218 nicht, das Volk nicht den Hohenpriestern2 , und so hatte niemand eine Entschuldigung. Auch heißt es: „überlaut schrien sie“, d.h. immer noch heftiger riefen sie: „Gekreuzigt soll er werden“. Sie wollten ihn nicht allein hinrichten, sondern als Verbrecher hinrichten, und obgleich der Richter dagegen war, so riefen sie doch unaufhörlich dasselbe. Siehst du da, wieviel Versuche Christus gemacht hat, um sie zu gewinnen? Wie er nämlich oft den Judas umzustimmen suchte, so wollte er auch die Juden aufrütteln, schon während der ganzen Zeit seiner Lehrtätigkeit und dann auch jetzt während der Gerichtsverhandlung. Als sie nun sahen, dass der Statthalter und Richter sich wusch und sagte: „Schuldlos bin ich an seinem Blute“, da hätten sie durch seine Worte und durch seine Handlung erschüttert werden sollen, wie auch durch den Selbstmord des Judas und durch die Aufforderung des Pilatus, den anderen an seiner Statt zu wählen. Wenn der Ankläger und Verräter sich selbst verdammt, wenn der Richter die Schuld von sich wälzt, wenn ein so auffallender Traum seinetwegen eintritt, wenn Pilatus ihn, als Verurteilten, losfordert, wie wollen sich die Juden noch verteidigen? Wenn sie schon nicht schuldlos sein wollten, so brauchten sie ihm doch nicht einen Räuber vorzuziehen, der geständig und sehr berüchtigt war. Was tun sie also darauf? Als sie den Richter seine Hände waschen sahen mit den Worten: „Ich bin schuldlos“, da schrieben sie:

V.25: „Sein Blut komme über uns und über unsere Kinder.“

Erst dann, als sie das Urteil gegen sich selbst gesprochen, ließ Pilatus der Sache ihren Lauf. Beachte auch hier, wie groß der Juden Wahnsinn ist. So weit bringt es die Leidenschaft und böse Begierde, dass man nicht mehr einsieht, was recht ist. Sei es darum, fluchet euch selbst; warum zieht ihr aber auch eure Kinder mit in den Fluch hinein? Trotzdem sie aber in solcher Wut gegen sich und ihre Kinder verfallen waren, ließ der Herr in seiner Liebe ihr Urteil, nicht allein soweit es die S. d1219 Kinder, sondern auch soweit es sie selbst betraf, nicht in Erfüllung gehen. Er nahm die einen wie die anderen, wenn sie sich bekehrten, gnädig auf und überhäufte sie mit Wohltaten. Zu ihnen gehörte Paulus, zu ihnen die Tausende, die in Jerusalem gläubig geworden waren. „Du nimmst wahr, Bruder“, heißt es, „wieviel Tausende unter den Juden sind, die gläubig geworden“3 . Wenn manche hartnäckig blieben, so müssen sie sich selbst die verdiente Strafe zuschreiben.

V.26: „Dann gab er ihnen den Barbaras frei, Jesum aber, welcher gegeißelt worden, überantwortete er ihnen, damit er gekreuzigt würde.“

Warum hatte er Jesus geißeln lassen? Entweder um auszudrücken, dass er verurteilt sei, oder um dem Gerichte einen Schein von Berechtigung zu geben, oder um den Juden gefällig zu sein. Es wäre aber seine Pflicht gewesen, sich zu weigern. Hatte er doch zuvor gesagt: „Nehmet ihr ihn und richtet ihn nach eurem Gesetze“4 . Es gab auch viele Gründe, die ihn und die Juden hätten umstimmen können: seine Zeichen und Wunder, die große Langmut, mit der er alles litt, und namentlich sein staunenswertes Schweigen. Hatte er durch seine Verteidigung und durch seine Gebete seine menschliche Natur gezeigt, so offenbarte er wieder seine Erhabenheit und übermenschliche Natur durch sein Schweigen und seine Geringschätzung gegenüber ihren Reden, um sie auf alle mögliche Weise zu seiner Bewunderung zu bewegen. Allein nichts machte auf sie Eindruck.


  1. Apg 24,7 ↩

  2. im Griechischen heißt es: den Juden. ↩

  3. Apg 21,20 ↩

  4. Joh 18,31 ↩

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