2.
Was bedeuten also die Worte: „Zur Vergebung der Sünden?“1 . Die Juden waren blind und wollten ihre eigenen Sünden niemals einsehen; im Gegenteil, während sie die größten Strafen verdient hatten, suchten sie sich auf jede Weise zu rechtfertigen. Das führte sie auch hauptsächlich ins Verderben und machte sie dem Glauben abtrünnig. Das wirft ihnen denn auch der hl. Paulus vor, wenn er sagte: „Sie verkennen die Gerechtigkeit Gottes, und suchen derselben ihre eigene gegenüber zu stellen; deshalb sind sie der Gerechtigkeit Gottes nicht untertan“2 . Und ein anderes Mal schreibt er: „Was sollen wir also sagen? Völker, die die Gerechtigkeit nicht suchen, haben die Gerechtigkeit gefunden. Israel hingegen, das der Gerechtigkeit Gesetz gesucht, ist nicht zum Gesetz der Gerechtigkeit gelangt. Warum? Weil sie dieselben nicht im Glauben suchten, sondern in ihren eigenen Werken“3 . Da also hierin die Wurzel des Übels lag, kam Johannes und tat nichts anderes, als sie zur Einsicht ihrer eigenen Sünden führen. Darauf wies schon seine Kleidung hin, welche Buße und Bekenntnis der Sünden predigte. Das kündete auch seine Predigt, denn er sagte nur immer: „Bringet würdige Früchte der Buße“4 . Die Unbußfertigkeit war also auch nach dem Zeugnisse des Paulus die Ursache, dass die Juden Christus verwarfen; Bußfertigkeit hingegen bewirkt, dass man Verlangen hegt nach dem Erlöser und sich sehnt nach Vergebung der Sünden. Dazu wollte Johannes sie vorbereiten, und sie zur Buße bewegen, nicht auf dass sie gestraft würden, sondern damit sie durch die Buße demütiger würden, ihre eigene Schuld eingeständen und auf diese Weise schnelle Verzeihung erlangten.
S. 166Beachte also, wie genau sich der Evangelist ausgedrückt hat. Den Worten: „Er kam und predigte die Taufe der Buße in der Wüste von Judäa“ fügte er bei: „Zur Vergebung“5 , als wollte er sagen: deshalb hat er sie bewogen, ihre Sünden zu bekennen und zu bereuen, nicht damit sie Strafe empfingen, sondern damit sie daraufhin um so leichter Verzeihung erlangten, Denn hätten sie nicht sich selbst verurteilt, so hätten sie auch nicht nach der Gnade verlangt; und hätten sie nicht nach der Gnade verlangt, so wäre ihnen auch keine Verzeihung zuteil geworden. Jene Taufe ist also die Vorläuferin von dieser; deshalb sagte er auch: „damit sie an den glaubten, der nach ihm kommen soll“6 , und stellte damit außer dem Grund, den er schon erwähnte, auch diesen zweiten als Motiv zur Taufe hin.
Es wäre ja doch nicht wohl möglich gewesen alle Häuser abzugehen, Christus an der Hand herumzuführen und zu sagen: An diesen müsst ihr glauben! und dann in Gegenwart und im Angesichte aller seine hl. Stimme zu erheben, und all das übrige zu tun, was er getan. Auch deshalb also kam der Herr zur Taufe. Denn das Ansehen des Täufers sowohl als auch der Wert der Sache selbst zog die ganze Stadt an, und rief sie hinaus zum Jordan, so dass es ein großes Schauspiel abgab. Darum tadelte auch Johannes die, welche zu ihm kamen, und heißt sie, nicht groß von sich selber zu denken; er weist sie darauf hin, dass sie eigentlich die schwersten Strafen verdienten, wenn sie keine Buße täten, und wenn sie nicht von ihrem hochmütigen Pochen auf ihre Vorfahren abließen, anstatt auf den zu hören, der zu ihnen gekommen war. Was sich nämlich bei Christi Geburt zugetragen hatte, war schnell in den Hintergrund getreten, und schien bei vielen ganz in Vergessenheit geraten zu sein wegen des Kindermordes in Bethlehem. Und wenn er sich auch im Alter von zwölf Jahren offenbarte, so trat er doch schnell wieder ins Dunkel zurück. Deshalb war also jetzt eine glänzende Einführung und ein hervorragender Anfang nötig. Darum hat auch Johannes S. 167damals zum erstenmal mit lauter Stimme Dinge gepredigt, wie die Juden sie noch nie zu hören bekommen hatten, weder von ihren Propheten noch von sonst jemand. Er erinnerte sie an den Himmel und das himmlische Reich, und ließ die irdischen Dinge ganz außeracht. Unter Himmelreich versteht er aber hier die erste und letzte Ankunft des Herrn. Aber wie passt dies zu den Juden? fragst du. Sie verstehen ja doch nicht, was du meinst. Gerade deshalb, so wird Johannes erwidern, rede ich also, damit der dunkle Sinn der Rede sie anrege und sie veranlasse, denjenigen zu suchen, den ich gepredigt. Diejenigen also, die zu ihm kamen, hat er mit so großen Hoffnungen erfüllt, dass sogar Zöllner und Soldaten fragten, was sie tun und wie sie ihr Leben einrichten müssten? Ein Zeichen, dass sie sich von ihrem weltlichen Treiben losgesagt und den Blick auf anderes, Höheres richteten und an das Jenseits dachten. Es hatte eben alles, was sie gesehen und gehört hatten, ihre Gedanken himmelwärts gerichtet.