7.
Fliehen wir also alles Übermaß, greifen wir zum rettenden Heilmittel der Maßhaltung, bleiben wir auf dem rechten Mittelweg und geben wir uns eifrigem Gebete hin. Und wenn wir auch nicht gleich erhört werden, verharren wir darin, damit wir erhört werden; und wenn wir erhört wurden, seien wir beharrlich, weil wir erhört wurden. Der Herr will uns ja seine Gabe nicht vorenthalten; er will nur durch den Aufschub unseren Eifer um so mehr entflammen. Deshalb zögert er, unsere Bitte zu erhören, und lässt uns oft in Versuchung fallen, damit wir recht oft unsere Zuflucht zu ihm nehmen, und dann auch bei ihm verharren. So machen es ja auch die Väter und Mütter, die ihre Kinder lieben. Wenn sie sehen, dass ihre Kinder nicht mehr bei ihnen bleiben, sondern mit ihren Altersgenossen spielen wollen, dann lassen sie ihre Diener sich in allerhand Schreckgestalten kleiden, damit die Furcht sie zwinge, sich in die Arme ihrer Mutter zu flüchten. So schreckt uns auch Gott gar oft mit einer Drohung, nicht um dieselbe auszuführen, sondern um uns zu sich hinzuziehen. Wenn wir dann zu ihm kommen, befreit er uns alsbald von unserer Furcht. Wenn wir also gerade so wären zur Zeit der Prüfung, so hätten wir gar keine Prüfungen nötig. Und was rede ich nur von uns? Auch die Heiligen haben ja große Vorteile daraus geschöpft. Darum sagt ja auch der Prophet: „Es ist gut für mich, dass Du mich gedemütigt hast“1 . Und der Herr selber sagte zu den S. 177Aposteln: „In dieser Welt werdet ihr Bedrängnis leiden“2 . Auch der hl. Paulus deutet das gleiche an mit den Worten: „Mir wurde ein Stachel gegeben für mein Fleisch, ein Engel des Satan, auf dass er mich peinige“3 . Obgleich er also bat, von dieser Versuchung frei zu werden, wurde er doch nicht erhört, weil sie ihm eben zu großem Vorteil gereichte. Und wenn wir das ganze Leben Davids durchgehen, so werden wir finden, dass er stets in den Gefahren am größten war, er selber und alle die anderen, die nach ihm lebten. Auch Job glänzte ja herrlicher im Leiden, und Joseph fand durch sie größeren Ruhm, so wie auch Jakob und sein Vater und Großvater; und wenn immer sonst noch jemand eine besonders glänzende Krone empfing, so waren es Trübsale und Heimsuchungen, um derentwillen er gekrönt und ausgezeichnet wurde.
In dieser Überzeugung lasst uns das weise Wort befolgen: „Eilen wir nicht zur Zeit der Prüfung“4 , sondern machen wir uns nur zu dem einen bereit, alles männlich zu ertragen, über nichts zu grübeln und uns nicht um das zu sorgen, was mit uns geschieht. Zu wissen, wie unsere Trübsale enden sollen, ist Sache Gottes, der sie über uns kommen ließ; und die auferlegten Leiden in dankbarer Zufriedenheit zu tragen, das ist unsere Sache, wenn anders wir klug und einsichtig sind. Wenn wir so handeln, wird dies unendlich viel Gutes im Gefolge haben. Damit dies also auch wirklich so geschehe, damit wir hienieden erprobter werden und drüben um so glorreicher dastehen, nehmen wir alles an, was immer über uns kommen mag, und danken wir für alles dem, der besser weiß als wir, was uns zuträglich ist, und der uns inniger liebt als unsere eigenen Eltern. Erinnern wir uns an diese beiden Gedanken in allen unseren Leiden, werfen wir alle Traurigkeit ab, und preisen wir in allem Gott, der alles für uns tut und vorsorgt. So werden wir auch mit Leichtigkeit über die Anfechtungen Herr werden, und die unverwelklichen Kronen empfangen, S. 178durch die Gnade und Liebe unseres Herrn Jesus Christus, dem Ehre, Macht und Ruhm sei mit dem Vater und dem Heiligen Geist jetzt und immer und in alle Ewigkeit. Amen!