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V.7: Da er aber viele Sadduzäer und Pharisäer zu sich zur Taufe kommen sah, sprach er zu ihnen: Vipernbrut, wer hat euch gelehrt, dem zukünftigen Zorne zu entrinnen?„
Warum sagt denn da Christus, sie hätten dem Johannes nicht geglaubt? Weil das wirklich kein Glaube war, dass sie den, der von ihm gepredigt wurde, nicht aufnahmen. Auch den Propheten und ihrem Gesetzgeber Moses gehorchten sie ja dem Anscheine nach; und doch sagte der Herr, sie hätten ihm nicht gehorcht, da sie ja denjenigen, den jene vorherverkündeten, nicht aufnahmen. “Hättet ihr dem Moses geglaubt, so hättet ihr wohl auch mir geglaubt„1 . Und als später die Pharisäer von Christus gefragt wurden:“Von woher ist die Taufe des Johannes?„, da sprachen sie: Wenn wir sagen: Von dieser Welt, so haben wir das Volk zu fürchten; sagen wir: Vom Himmel, so wird er uns fragen: Warum habt ihr ihm dann nicht geglaubt?“2 . Aus all dem also geht klar hervor, dass sie zwar kamen und sich taufen ließen, dass sie aber nicht im Glauben an seine Predigt verharrten. Johannes deckt ja ihre Schlechtigkeit auf, da sie zum Täufer sandten und fragten: „Bist du vielleicht der Elias? Bist du Christus?3 . Deshalb fügte er hinzu: “Die Abgesandten waren aber Pharisäer„4 . S. 179Indes, fragst du, haben denn nicht die meisten Leute ebenso gedacht? Ja, aber das gewöhnliche Volk glaubte eben so aus Einfalt und Unwissenheit. Die Pharisäer hingegen wollten ihn nur fangen. Da man nämlich allgemein überzeugt war, Christus werde aus der Heimat Davids kommen, Johannes dagegen dem Stamme Levi angehörte, so legten sie ihm mit ihrer Frage eine Schlinge, um alsbald über ihn herzufallen, wenn er etwas Derartiges behaupten sollte. Dies ergibt sich auch ganz klar aus dem Folgenden: Da nämlich Johannes sich zu nichts von dem bekannte, was sie ihn gefragt hatten, setzten sie ihm dennoch zu und sagten: “Was taufst du also, wenn du nicht Christus bist?„
Damit du aber siehst, dass die Absicht, mit der die Pharisäer kamen, verschieden war von derjenigen der einfachen Leute, so höre, wie auch dies der Evangelist uns kundgibt. Von den gewöhnlichen Leuten sagt er: Sie kamen und wurden von ihm getauft, nachdem sie ihre Sünden bekannt hatten. Von den Pharisäern nichts dergleichen; da heißt es nur:“Als er sah, dass viele Pharisäer und Sadduzäer kamen, rief er: Ihr Schlangenbrut, wer hat euch gelehrt, dem künftigen Zorne zu entfliehen!„ Seht, welche Unerschrockenheit! Mit welchem Mute spricht er zu Menschen, die jederzeit dürsteten nach dem Blute der Propheten, die um nichts besser waren als Schlangen! Mit welchem Freimut klagt er sie an samt ihren Vätern!“ Ja, sagst du, sein Freimut ist wohl groß; es fragt sich aber, ob seine freimütige Rede auch berechtigt war? Er sah ja doch nicht, wie die Pharisäer sündigten, sondern wie sie Buße taten; deshalb hätte er sie auch nicht tadeln sollen, sondern loben und gütig aufnehmen, nachdem sie doch die Stadt und ihr Heim verlassen und herbeigeeilt waren, um seine Predigt zu hören. Was soll ich darauf erwidern? Johannes achtete eben nicht auf das, was äußerlich geschah, sondern durchschaute ihre verborgenen Gedanken, da Gott sie ihm offenbarte. Weil sie sich also auf ihre Vorfahren viel zugute taten, und dies die Ursache ihres Verderbens wurde, da es sie sorglos machte, so schneidet er die Wurzel ihrer Vermessenheit ab. Deshalb nennt sie auch Isaias „Fürsten von S. 180Sodoma“ und „Volk von Gomorrha“5 ; und ein anderer Prophet sagt: „Seid ihr nicht wie Söhne von Äthiopiern?“6 . Auch alle anderen7 suchen sie von dieser Selbstüberhebung abzuziehen, indem sie ihnen die Ursache ihrer Aufgeblasenheit nehmen, die unzählig viel Böses im Gefolge hatte.
Nun, wendest du ein, die Propheten waren da wohl im Recht, sie sahen die Juden sündigen; mit was für Grund und Ursache tut aber in unserem Falle Johannes dasselbe, da er doch sah, wie sie willfährig waren? Um sie noch mehr zu erweichen. Wer aber genau auf den Wortlaut acht gibt, wird bemerken, dass er auch Lob unter den Tadel gemischt hat. Er sprach nämlich so, weil er sie bewunderte, dass sie zwar spät, aber zuletzt doch über sich gebracht hatten, was ihnen fast unmöglich erschienen war. Sein Tadel entsprang also mehr der Absicht, sie an sich zu ziehen, und ihre Sinnesänderung anzubahnen. Wenn er sie also zu erschrecken scheint, so zeigt er damit nicht bloß, dass ihre frühere Schlechtigkeit groß war, sondern auch, dass ihre Bekehrung bewundernswert und etwas Außerordentliches sei. Wie kommt es, sagt er, dass ihr, die ihr die Söhne jener Väter seid, und in solcher Schlechtigkeit aufgewachsen seid, dass ihr euch bekehret? Woher diese große Änderung? Wer hat eure steinharten Herzen erweicht? Wer die unheilbare Wunde geheilt? Beachte auch, wie er sie gleich im Anfang erschreckt, indem er zuerst von der Hölle zu reden anfängt. Er sagte nicht, was sie sonst gewohnt waren zu hören: „Wer hat euch gelehrt, euren Feinden zu entfliehen, den Einfällen der Barbaren, der Kriegsgefangenschaft, Hunger und Pest?“, nein, er hält ihnen eine andere Strafe vor, von der sie noch nie hatten reden hören; er sagt: „Wer hat euch gelehrt, dem zukünftigen Zorne zu entrinnen?“