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Werke Johannes Chrysostomus (344-407) In epistula ad Romanos commentarius Kommentar zum Briefe des hl. Paulus an die Römer (BKV)
ZWEIUNDZWANZIGSTE HOMILIE: Kap. XII, V. 4—13.

2.

Wer ist vergrämt darüber, daß er in den Besitz des Himmelreiches kommt? Wer bleibt niedergeschlagen, wenn er Verzeihung seiner Sünden erlangt? Halte dir nicht die Geldausgabe vor, sondern den Gewinn, den du durch die Ausgabe erzielst! Denn wenn der Landmann, der den Samen ausstreut, sich freut, obwohl er ihn doch nur auf ein Ungewisses hin aussäet, so um so mehr der, welcher das Ackerfeld des Himmels bebaut. Wenn du so [mit Freudigkeit] nur wenig gibst, so gibst du doch viel; andererseits machst du, wenn du mit grämlicher Miene gibst, auch das Viele, das du etwa gibst, zu einem Wenig. So hat die arme Witwe durch ihre zwei kleinen Geldmünzen viele Talente aufgewogen; denn sie war freigebig der inneren Absicht nach. Wie kann aber jemand, fragst du, der selbst in äußerster Armut seufzt, und alles hingeben soll, dies mit Bereitwilligkeit tun? Frage nur die arme Witwe, und du wirst das Wie hören; du wirst erfahren, daß nicht die Armut notwendig Engherzigkeit nach sich zieht, sondern daß der freie Wille es ist, der diese oder auch ihr Gegenteil schafft. Man kann auch bei Armut großmütig sein und engherzig bei Reichtum. Darum verlangt der Apostel Einfalt beim Spenden, Freudigkeit bei den Werken der Barmherzigkeit und Pflichteifer beim Vorsteheramte. Er will, daß wir den Bedürftigen nicht bloß mit Geld unter die Arme greifen, sondern auch durch Wort und Tat, auch durch körperliche Hilfeleistung und auf alle möglichen Arten. Auf die Spendung von Geld und andern Dingen kommt er erst zu sprechen, nachdem er vom Vorsteheramte gesprochen hat, wie es sich im Lehren und Trostzusprechen äußert; denn das ist das notwendigere Amt, insofern es zur Ernährung der Seele dient. — Dann zeigt der Apostel, wie dies alles auf die rechte Weise zur Ausführung gebracht werden könne, indem er auf die Mutter aller Tugenden, die Liebe, zu sprechen kommt.

V. 9: „Die Liebe sei ungeheuchelt.“

— Wenn du diese besitzest, wirst du nicht auf Ausgabe von Geld schauen, noch auf körperliche Mühen, noch auf die Anstrengung beim Reden, noch auf die Mühe- S. d140 waltung beim Kirchenamte, sondern wirst alles mannhaft auf dich nehmen, wenn es notwendig wird, dem Nächsten durch eine körperliche Dienstleistung oder mit Geld oder durch ein gutes Wort oder durch irgend etwas anderes zu Hilfe zu kommen. Wie der Apostel nicht einfach das Austeilen (von Almosen) verlangt, sondern daß es mit Einfalt geschehe, nicht einfach die Führung eines Vorsteheramtes, sondern eine mit Pflichteifer, nicht einfach Almosengeben, sondern ein solches mit Freudigkeit, so verlangt er auch nicht einfach Liebe, sondern ungeheuchelte Liebe. Denn das ist wahre Liebe. Ist die einmal vorhanden, dann folgt alles andere von selbst. Denn wer dann Werke der Barmherzigkeit verrichtet, der verrichtet sie (von selbst) mit Freudigkeit: denn er erweist sie ja sich selbst; wer dann ein Vorsteheramt innehat, der führt es mit Pflichteifer: denn er ist ja Vorsteher für sich selbst; wer dann Almosen austeilt, der tut dies reichlich: denn er schenkt ja sich selbst.

Weil es aber auch eine Liebe in schlechten Dingen gibt, wie z. B. die Liebe der Unzüchtigen oder derer, die sich zu Gelderwerb und Raub zusammentun oder der Zechgenossen bei Gastmählern und Trinkgelagen, sagt der Apostel, indem er die Liebe, von der er spricht, von alledem rein hält:

„Hasset heftig das Böse!“

Er sagt nicht: Enthaltet euch, sondern „hasset“, und nicht einfach „hasset“, sondern „hasset heftig“. Das „ἀπο“ dient oft zur Verstärkung eines Begriffes, wie wenn man sagt: ἀποκαραδοκία [lebhafte Sehnsucht], ἀπεπδεχόμενοι [sehnlich Erwartete], ἀπολύτρωσις [vollständige Lösung]. Weil es nämlich viele Menschen gibt, die zwar nichts Böses tun, aber doch das Begehren danach haben, darum sagt der Apostel: „Hasset heftig!“ Er will nämlich auch unser Inneres rein gehalten haben und daß wir Feindschaft, Haß und Krieg gegen die Sünde führen. Meinet nicht, will er sagen, daß mein Gebot „Liebet einander“ so weit geht, daß ihr auch mit den Schlechten zusammen arbeiten sollt. Nein, gerade das Gegenteil gebiete ich: nicht bloß von der bösen Tat, sondern auch von der Neigung zum Bösen sich freizuhal- S. d141 ten; ja, nicht bloß von der Neigung dazu sich freizuhalten, sondern ihr sollt euch mit allem Abscheu davon abkehren und es hassen. Doch auch daran allein ist es nicht genug, sondern der Apostel will auch die Übung der Tugend haben, indem er sagt:

„Hanget dem Guten an!“

Er sagt nicht bloß: Tuet es, sondern: haltet mit Zuneigung daran fest. Das will der Apostel durch das Gebot „hanget an“ zum Ausdruck bringen. So sprach auch Gott, als er Mann und Weib miteinander verband: „Er wird seinem Weibe anhangen“ 1. Dann nennt er auch den Grund, warum wir einander lieben sollen:

V. 10: „In der Bruderliebe seid gegeneinander recht herzlich.“

— Brüder, will er sagen, seid ihr; derselbe Mutterschoß hat euch geboren. Darum seid ihr einander Liebe schuldig. So sprach auch Moses zu den Juden in Ägypten, als sie sich miteinander stritten: „Ihr seid ja Brüder; warum tut ihr einander Kränkung an?“ 2 Spricht der Apostel von Fremden [Nichtchristen], so mahnt er: „Wenn es möglich ist, so haltet Frieden mit allen Menschen, so viel an euch liegt!“ Handelt es sich aber um die eigenen Leute, dann mahnt er: „In der Bruderliebe seid gegeneinander recht herzlich!“ Dort fordert er, nicht feindselig zu sein, nicht zu hassen, nicht Widerwillen zu haben; hier verlangt er, daß wir lieben, ja nicht bloß lieben, sondern zärtlich lieben. Die Liebe, sagt er, muß nicht allein ungeheuchelt sein, sondern auch innig, warm, feurig. Denn was nützt es, wenn du zwar ohne Arg liebst, aber nicht warm? Darum sagt er: „Seid gegeneinander recht herzlich“, d. h. liebe warm, warte nicht, bis du von einem andern Liebe erfährst, sondern eile du ihm entgegen und mach den Anfang. Dann wirst du den Lohn dafür in der Liebe des andern finden.


  1. Gen. 2, 24. ↩

  2. Exod. 2, 13. ↩

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