4.
Was säest du da, wo das Ackerfeld selbst es darauf anlegt, die Frucht zu vernichten? Da, wo Kinderlosigkeit zumeist vorkommt? Da, wo vor der Geburt Mord begangen wird? Ja, du läßt die Hure nicht bloß dabei, eine Hure zu bleiben, du machst sie auch noch zur Mörderin. Siehst du, daß der Trunkenheit Hurerei, der Hurerei Ehebruch, dem Ehebruch Mord folgt? Ja, S. d186 etwas Schlimmeres noch als Mord. Ich habe gar keinen Ausdruck dafür; denn ein solches Weib nimmt nicht einem geborenen Wesen das Leben, sondern es verhindert, daß es überhaupt geboren wird. Was tust du der Gabe Gottes solche Schmach an, kämpfst gegen seine Gesetze an, suchst wie einen Segen das, was ein Fluch ist, machst den Vorratsspeicher der Geburt zu einem solchen des Todes und führst das Weib, das zum Kindergebären da ist, zum Morde? Denn um ihren Liebhabern immer zu gefallen und von ihnen begehrt zu sein und um mehr Geld von ihnen zu ziehen, scheut sie nicht zurück, auch das zu tun und schürt dadurch ein großes Feuer über deinem Haupte; denn wenn die Untat auch von ihr begangen wird, so bist doch du die Veranlassung dazu geworden. Auch Götzendienst nimmt von da seinen Ausgang; denn viele solche Weiber wenden, um Gegenstand der Liebe zu werden, Beschwörungen, Zaubersprüche, Liebestränke und tausenderlei andere derartige Mittel an. Aber trotz all dieser Schändlichkeit, trotz Morden, trotz Abgötterei, scheint es vielen eine gleichmütige Sache zu sein, auch vielen solchen, die Ehefrauen haben. Und gerade da häufen sich die bösen Folgen noch mehr. Da werden Gifttränke verwendet nicht gegen den Mutterschoß der Hure, sondern gegen die gekränkte Ehefrau; da gibt es dann tausenderlei Nachstellungen, Teufels- und Totenbeschwörungen, tagtägliche Ehekriege, nicht beizulegende Kämpfe, stete Zwistigkeiten. Darum hat auch Paulus nach den Worten: „Nicht in Buhlereien und Schlemmereien“, beigefügt: „Nicht in Streitereien und Neidereien.“ Er kannte gar wohl die Ehekriege, die daraus entstehen, das Drunter und Drüber in den Familien, die Benachteiligungen, die den ehelichen Kindern erwachsen, und die unzähligen schlimmen Folgen.
Damit wir nun dies alles fliehen, laßt uns Christus anziehen und immer in Vereinigung mit ihm bleiben! Denn das bedeutet ja das Anziehen: nicht von ihm getrennt werden, so daß er in jeder Beziehung an uns sichtbar wird, durch unsere Heiligkeit, durch unsere Sanftmut. So sagen wir auch von Freunden: der und der hat den und den angezogen. Wir meinen damit die S. d187 große Liebe, die zwischen ihnen herrscht, und das stete Beisammensein. Wer etwas angezogen hat, an dem ist das sichtbar, was er angezogen hat. Es sei also an uns in jeder Beziehung Christus sichtbar. Und wie wird er sichtbar? Wenn du tust, was er tat. Was hat aber er getan? „Der Menschensohn“, heißt es, „hat nicht, wohin er sein Haupt lege“ 1. Das ahme auch du nach! Er mußte Speise genießen und nahm dazu Gerstenbrote. Er mußte eine Reise machen, und da gab es keine Pferde und Zugtiere, sondern er ging so lange zu Fuß, bis er müde war. Er mußte schlafen, und er legte sich nieder auf eine Bank im Vorderteil des Schiffes. Man mußte sich zur Ruhe legen, und er befahl, sich im Grase niederzulassen. Auch seine Kleider waren ärmlich. Oft war er allein, niemand in seinem Gefolge. Auch wie er sich am Kreuze benahm und bei den Schmähungen, die ihm da angetan wurden, kurz, alles führe dir zu Gemüte und ahme es nach. Auf diese Weise hast du Christus angezogen, wenn du die Fürsorge um das Fleisch nicht zu Lüsten machst. Dieses letztere Tun bringt übrigens auch gar kein (wirkliches) Vergnügen mit sich. Denn die einen Begierden erzeugen wieder andere, noch brennendere, und nie findest du Sättigung, sondern bereitest dir nur eine schmerzliche Folter. Denn so wie einer, der beständig an Durst leidet, keinen Gewinn davon hat und seinen krankhaften Durst nicht löschen kann, wenn er auch tausend Quellen rings um sich hätte, so auch der, welcher beständig in Begierden lebt. Wenn du aber nur das Bedürfnis befriedigst, dann wirst du dieses Fieber gar nicht bekommen, sondern alle jene Dinge werden dir fern bleiben, Trunkenheit sowohl als Lüsternheit. Iß also nur so viel, daß du damit den Hunger stillst, kleide dich nur, um deine Blöße zu bedecken! Staffiere deinen Leib nicht mit Kleidern heraus, damit du ihn nicht etwa zugrunde richtest! Denn durch allzu große Verweichlichung untergräbst du seine Gesundheit und richtest ihn hin durch das viele Verzärteln. Richte alles so ein, daß du an ihm ein taugliches Fahrzeug für die Seele hast, daß der Steuermann sicher am Ruder sitzt, S. d188 daß der Soldat die Waffen geschickt handhabt! Denn nicht viel haben, sondern wenig brauchen macht unüberwindlich. Wer viel hat, schwebt in Furcht, wenn er auch keinen Verlust erleidet; wer wenig braucht, ist auch dann, wenn er einen Verlust erleidet, besser daran als die, welche keinen erleiden; er ist nämlich auch dann immer noch wohlgemuter als sie.
So laßt uns denn nicht das anstreben, daß uns niemand schade, sondern daß uns niemand schaden kann, wenn er es auch will. Das ist aber auf keine andere Weise möglich als so, daß wir uns auf das Bedürfnis beschränken und nicht mehr begehren. So werden wir imstande sein, hier unser Auskommen zu haben und der ewigen Güter teilhaftig zu werden durch die Gnade und Liebe unseres Herrn Jesus Christus, durch den und mit dem Ehre sei dem Vater zugleich mit dem Hl. Geiste bis in alle Ewigkeit. Amen. S. d189
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Luk. 9, 58. ↩