3.
S. 159 Paulus hat einen so sorgfältig geordneten, von frühester Kindheit an begonnenen Wandel, einen so großen Adel, so viele Gefahren, so zahlreiche Nachstellungen, so schwere Mühen, ein so eifriges Streben weggeworfen und für Schaden gehalten, was ihm vorher Gewinn war, um Christus zu gewinnen; wir dagegen verachten nicht einmal das Geld, um Christus zu gewinnen, sondern wollen lieber des zukünftigen Lebens verlustig gehen als der zeitlichen Güter. Und doch ist dies nichts anderes als Schaden. Wir wollen denn die Dinge, die mit dem Reichtume verbunden sind, einzeln untersuchen, und dann sage mir, ob das nicht ein Schaden ist, was wohl Mühen mit sich bringt, aber keinen Gewinn! — Denn sage mir, welchen Nutzen hat man von der Menge kostbarer Kleider? Welchen Gewinn ernten wir, wenn wir sie angezogen haben? Keinen; im Gegenteil, wir haben nur Nachteil davon. Wieso? Weil auch dem Armen, der nur ein einfaches und abgetragenes Gewand anhat, in der heißen Jahreszeit die Hitze nicht lästiger fällt als dir; ja er erträgt sie sogar noch leichter. Denn das einzige abgetragene Kleid, das sie umhüllt, läßt ihre Körper viel unbehinderter; bei einem neugefertigten Anzuge aber, mag er auch feiner als Spinnengewebe sein, verhält sich die Sache ganz anders. Und während du aus überflüssigem Luxus zwei, ja nicht selten drei Leibröcke (χιτωνίσκους) ein feines Obergewand (χλανίδα), einen Gürtel und weite Beinkleider (ἀναξυρίδας) anhast, nimmt es jenem kein Mensch übel, wenn er nur mit einem einzigen Leibrocke bekleidet ist; daher erträgt er (die Hitze) viel leichter. Infolge davon sehen wir, daß die Reichen von Schweiß triefen, während die Armen unter nichts Derartigem leiden. Wenn also dem Armen einfache und um einen Spottpreis gekaufte Kleider dieselben oder noch bessere Dienste leisten, jene aber, die um teures Geld gekauft werden müssen, nichts vor ihnen voraus haben, ist dann die Menge, der Überfluß nicht ein Schaden? Denn in Hinblick auf Nutzen und Brauchbarkeit bringt er dir durchaus nicht mehr ein, sondern du gibst bloß mehr Geld dafür aus; denselben Nutzen und Dienst also hast du, der Reiche, dir mit hundert oder noch mehr Goldstücken erkauft, der Arme S. 160 dagegen mit ein paar Silbermünzen. Siehst du den Schaden ein? Aber dein Stolz läßt dich nicht zur Einsicht kommen. — Willst du, daß wir diese Untersuchung auch auf den Goldschmuck ausdehnen, womit man die Pferde und die Frauen behängt? Denn zu den andern Wirkungen des Reichtums gehört auch die, daß er gedankenlos macht: man hält Frauen und Pferde der gleichen Auszeichnung für würdig und hat ein und denselben Schmuck für beide; und die Frauen wollen geradeso glänzend herausstaffiert sein wie die Equipage, wie die Lederdecken des Wagens, in dem sie fahren. Sage einmal, welchen Gewinn bringt es, wenn Maultier oder Pferd in goldenem Schmucke prangt? Oder was hat die Frau davon, daß sie mit einer solchen Masse von Gold und Edelsteinen überladen ist? — Ja, wendet man ein, das Gold nützt sich nicht ab. Freilich wird nicht selten auch die (gegenteilige) Behauptung laut, daß in den Bädern und sonst des öfteren die kostbaren Steine und Goldzierate viel von ihrem Werte verlieren. Indes selbst angenommen, das Gold werde durch nichts angegriffen: sage mir, worin liegt denn der Gewinn? Und wie, wenn es fällt und verloren geht, ist das nicht ein Schaden? Oder wie, wenn es dir Neid und Anfeindung zuzieht, ist das nicht ein Schaden? Denn wenn es der damit Geschmückten nichts nützt, wohl aber in neidischen Augen die Glut der Habgier anfacht und die Räuber noch mehr reizt, wird es da nicht zum Schaden? Oder wie, sag' an, wenn der Mann es zu einem gewinnbringenden Unternehmen verwenden könnte, aber wegen der Prachtliebe der Frau es nicht vermag, sondern hungern und darben muß und dabei mitansehen, wie jene mit Gold überladen ist, sollte das kein Schaden sein? Denn „Güter“ (χρήματα) heißen (die Reichtümer) nicht deshalb, daß wir sie bloß zur Schau ausstellen wie die Goldschmiede, sondern daß wir damit etwas Gutes wirken. Wenn nun die Liebe zum Golde dies nicht zuläßt, ist da nicht alles nur Schaden? Denn wer es nicht wagt, sie zu benutzen (χρήσασθαι), gleich als wäre es fremdes Eigentum, der nützt sie nicht (κέχρηται); da kann von Nutzen (χρῆσις) gar keine Rede sein. — Und wie, wenn wir prächtige und großartige Paläste S. 161 bauen mit Säulen und Marmor, mit Hallen und Gängen, und dieselben auf alle mögliche Weise ausschmücken, indem wir überall Statuen und Götterbilder aufstellen? Viele rufen infolge davon sogar die Dämonen an; indes darauf wollen wir uns augenblicklich gar nicht einlassen. (Ich frage nur:) Was soll denn das Gold sogar auf dem Dache? Leistet nicht ein bescheidenes Haus seinem Bewohner denselben Dienst? — Aber es gewährt großes Vergnügen. — Ja, am ersten und zweiten Tage, länger aber nicht mehr, sondern es steht nutzlos da. Denn wenn die Sonne auf uns keinen Eindruck mehr macht, weil wir an sie gewöhnt sind, so ist das noch weit mehr bei Werken der Kunst der Fall: wir achten auf sie (zuletzt) so wenig, als wenn sie aus Lehm wären. Denn sage mir doch: Was trägt denn zur Wohnlichkeit eines Hauses die Menge der Säulen bei und der Schmuck schöner Götterbilder und das an den Wänden verschwendete Gold? Nichts; es verrät nur Vornehmtuerei, Übermut, maßlosen Dünkel und Unverstand. Denn wir sollten uns in allem nur an das Notwendige und Nützliche halten, nicht an das Überflüssige.