10.
Gottesfurcht sei fürs erste die sichere Grundlage, worauf das Bild unerschüttert stehen wird. Nie wird es, ist es darauf befestigt, ein Sturm umwerfen können. Jene wird sich zugleich erheben und an vielen Orten zeigen; vor allem auf der Höhe. Hievon ausgebend, behaupte ich, der König müsse, unter Gottes Leitung, zuerst sein eigener König seyn und eine Alleinherrschaft in seiner Seele errichten. Denn wisse wohl, daß der Mensch nicht ein Einfaches, noch ein Einartiges ist, sondern Gott in Eines Thieres Bau eine allvermischte und allstimmige Menge von Kräften vereinte, und wir sind in Wahrheit ein schrecklicheres und vielköpfigeres Ungethüm, als eine Hyder; denn nicht durch das Nehmliche denken, verlangen, trauern und zürnen wir; noch fürchten wir uns dadurch, wodurch wir uns freuen, sondern du siehst, wie diesem ein Männliches und ein Weibliches einwohnt, und ein Muthiges und ein Feiges, und ein mannigfach entgegengesetztes, und eine alles durchdringende Mittelnatur, Vernunft genannt, die ich würdig achte, S. 77 daß sie in der Seele des Königs herrsche, die Pöbel- und Volksgewalt der Leidenschaften auflösend; denn ein solcher wird recht eigentlich herrschen, da seine Herrschaft eine der Natur angemessene Grundlage hat. Wer nehmlich die unvernünftigen Theile der Seele zahm und folgsam macht, und willfährig der Vernunft bildet, in Eine besonnene Leitung die Menge fügend, der ist göttlich, sei er Privatmann oder König; um so viel mehr aber der König, weil er seine Tugend ganzen Völkern mittheilt, und viele Menschen des Guten eines Einzigen genießen; denn er muß im Innern ohne Aufruhr seyn und sogar auf dem Antlitze göttliche Ruhe äußern. Er ist kein furchtbarer, sondern ein überhehrer Anblick, in der Ehrfurcht wogenloser Stille, die Freunde, das ist, die Guten, mit Staunen; die Feinde oder Schlechten mit Schrecken erfüllend. In seine Seele schleicht sich keine Reue ein; denn er thut in Allem das, was alle Theile der Seele beschlossen, da alle nach Einer Herrschaft geordnet sind und sich nicht weigern, Theile zu seyn und zu dem Einen Ganzen zusammenzuwirken. Wer aber den Drang dieser Theile spaltet, ihnen gestattend, daß sie sich zur Thätigkeit vervielfältigen, und theilweise das Thier gewinnen will, den wirst du bald feurigen Entschlusses, bald muthlos sehen, verwirrt bald durch Verlangen, bald durch S. 78 Abscheu; durch Trauer, Lust und zügellose Begierden. Dieser stimmt nie mit sich selbst überein.
Ich kenne wohl das Böse, das ich üben will,
Der Zorn jedoch bewältigt meine Willenskraft,
sagte einer, der die Verschiedenheit und den Zwiespalt der gleichen Kräfte kannte.