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Vor allem ist eine freimüthige Rede der Aufmerksamkeit eines Königs werth. Das bei jeder Gelegenheit gespendete Lob aber, welches entzückt und schadet, scheint mir den Giften zu gleichen, die man mit Honig vermischt denen reicht, die man dem Tode bestimmt. Weißt du nicht, daß die Kochkunst, welche die Speisen auf das leckerhafteste bereitet und falsche Begierden erweckt, dem Körper schadet; die Gymnastik und Heilkunde aber, welche augenblicklichen Schmerz verursachen, ihn retten? Du nun sollst mir den Geretteten angehören, wenn es dir auch schwer fallen soll, gerettet zu werden; denn die zusammenziehende Kraft des Salzes läßt das Fleisch nicht zerfließen, und eines jungen Königs Geist, der unumschränkt, wohin ihn S. 63 der Zufall führt, schweifen will, bindet die Wahrheit der Reden. So möget ihr die ungewohnte Art der Rede aufnehmen! Möchte sie von euch nicht überlästig befunden; möchte ihr nicht Schweigen geboten werden, ehe sie etwas fortgeschritten, weil sie nicht der Suada fröhnt, für Jünglinge süß und spielend, sondern unterweisend, wahrhaft züchtigend und beschwerlich anzuhören ist! Seid ihr aber im Stande, eine solche Rede zu ertragen, und sind euch von dem Lobe, das ihr zu hören gewohnt seid, die Ohren nicht ganz verderbt,
Ich hier bin es, der drinnen ermahnt.
