6.
Die Aegyptier wählen den König auf folgende Weise. In der Nähe der großen Stadt Thebä liegt ein heiliger Berg; ein anderer gegenüber; in der Mitte aber von beiden strömt der Neilos. Von diesen Bergen ist der eine, welcher gegenüber liegt, Libysch, und auf ihm halten sich kraft des Gesetzes während der Zeit der Vorbereitung die um die Königewürde sich Bewerbenden auf, damit sie nichts von der Wahl erfahren; der heilige aber ist Aegyptisch. Auf dem Gipfel ist ein Zelt für den König, und neben ihm sind, alle hoher Weisheit kundigen Priester, und die Reihe schreitet zu allen Angesehensten fort, nach dem Range der Weihen die Plätze vertheilend. Diese umgeben als der Eine erste Kreis den König, wie ihr Herz; die Krieger, als der andere, schließen sich an diesen an. Diese stehen ferner um den Hügel herum, den auf ragendem Berge als ein anderer Berg sich erhebt, wie ein aufstrebender Zitz, in der Ferne den König zeigend auch denen, die in weitester Entfernung herumstehen. Am Fuße des Berges stehen die, welche der Schau beiwohnen dürfen; diese nur jubelnd über das, was sie wahrnehmen; die andern das Wahlrecht habend. Wenn der König zu den Göttern gefleht hat, und diejenigen, welchen dieses obliegt, alles, was zum festlichen Aufzuge gehört, dahergetragen haben, wie wenn die Gottheit zugegen wäre und zugleich für die Wahlangelegenheiten sorgte, so erheben, sobald ein Name der um die Königswürde sich Bewerbenden ausgerufen wird, die Krieger ihre Hände, und Komasten, Zakoren und Propheten geben ihre Stimmen ab. Dieß ist die kleinere Zahl; doch bei Weitem die einflußreichste; denn eine Prophetenstimme ist so viel als hundert Hände; die eines Komasten gilt zwanzig, S. 79 der Zakore zehn. Wird ein anderer Name der Bewerber ausgerufen, so erheben sich auch für ihn Hände und Stimmen; und wenn die Anzahl fast gleich ist, so verstärkt der König, stimmt er dem andern Theile bei, diesen bei Weitem; schließt er sich aber dem geringern an, so stellt er diesen gleich. Da muß man die Wahl aufheben und sich an die Götter halten, längere Zeit ausharrend und fehllοs dem heiligen Dienste obliegend, bis sie nicht durch Hüllen, nicht durch jedesmalige Loosungen, sondern selbsterscheinend den König selbst ernennen und das Volk selbst den göttlichen Ausruf vernimmt. Dieß geschah, so wie es sich jedesmal treffen mochte, bald so, bald anders; bei Typhos aber und Osiris sah man sie, ohne alles Zuthun der Priester, sogleich im ersten Augenblicke leibhaft, und sie reihten selbst anwesend und ordneten jeder seine Verehrer und jedermann leuchtete ein, weßhalb sie erschienen seien. Doch harrte auch in ihrer Abwesenheit jede Hand, jede Stimme auf den Namen des jungern Königesohnes. Αllein das Große kündigt sich hier durch erhabnere Vorspiele an und das Göttliche offenbart sich durch ganz unerwartete Ausgänge, seien sie glücklich oder unglück- lich.