Vorrede des Palladius
S. 315 In diesem Buche steht geschrieben die Tugendübung und wunderbare Lebensart der seligen und heiligen Wüstenväter, damit jene, die einen himmlischen Wandel führen und den Weg zum Himmelreiche gehen wollen, angeeifert werden, ihnen nachzufolgen; auch der ehrwürdigen Frauen und der hochberühmten, vom Geiste Gottes getriebenen Mütter, die mit wahrhaft männlichem Mute den Kampfpreis strenger Tugendübung errangen, wird gedacht, damit jene, die nach dem Kranze der Enthaltsamkeit und Reinheit streben, durch ihr Vorbild angefeuert werden.
Wir wurden angeregt von einem überaus mächtigen, hochgebildeten, friedliebenden Manne, der voll inniger Frömmigkeit und Gottesliebe die Armen freigebig unterstützt und vermöge seiner hohen Würden und des edlen Charakters viele der auserlesensten Männer überragt und in allem durch die Kraft des göttlichen Geistes bewahrt wird. Dieser hat uns aufgefordert, vielmehr - um die volle Wahrheit zu sagen - trieb er unseren trägen Geist, sich mit der Tugendübung der heiligen unsterblichen Männer zu befassen, die unsere geistlichen Väter waren und Gott zu gefallen ihren Leib in harter Zucht hielten; die glänzenden Vorzüge der größten ausführlich zu schildern und ihm sodann den Bericht über das Leben dieser unbesiegten Streiter zu schicken. Dieser von himmlischer Sehnsucht erfüllte Mann ist der hochedle Lausus, durch Gottes Fügung Haupt der Leibwache des frommen, gottbegeisterten Kaisers.1
S. 316 Wohl bin ich weder redegewandt noch in geistlichen Dingen erfahren, noch wert, das geistliche Leben der heiligen Väter aufzuzeichnen und scheute darum vor einer Aufgabe zurück, die soviel äußeres Wissen und geistliche Kenntnis erheischt und meine Kraft unendlich übersteigt; dennoch beseelte mich vor allem Ehrfurcht für den Tugendeifer des Auftraggebers; zugleich erwog ich den Nutzen der Leser; auch den Schaden, wenn ich aus kluger Berechnung nicht folgte. Darum übernahm ich mit allem Eifer den Auftrag, wagte mich, gestärkt durch die Fürbitte der heiligen Väter, an das Werk und schrieb gleichsam nur in kurzem Abriß die herrlichsten Taten und Wunderzeichen der tapferen Kämpen und großen Männer; doch nicht allein der hochberühmten Männer, die sich ausgezeichnet haben durch einleuchtendes Tugendleben, auch der seligen Frauen, die voll keuscher Zucht auf hoher Tugendstufe standen.
Der einen heiliges Antlitz ward ich selber zu schauen gewürdigt; den himmlischen Wandel jener, die schon früher den frommen Lauf vollendet hatten, erfuhr ich von anderen gottbegeisterten Streitern Christi. Viele Städte und Flecken, alle Höhlen und Hütten der Wüstenmönche hab' ich frommen Sinnes zu Fuße besucht, teils nach eigener Anschauung, teils nach Mitteilungen der heiligen Väter in diesem Buche genauen Bericht erstattet von den Kämpfen, denen die großen Männer und solche Frauen, die männlicher waren als ihr Geschlecht, voll Hoffnung auf Christus sich unterzogen. Nun send' ich ihn Dir, Lausus, Du Freund frommer Lesung, Du Zierde der besten gottesfürchtigen Männer, Du strahlender Schmuck des tiefgläubigen, gottliebenden Kaiserreiches, edler und getreuer Knecht Christi! Die glorreichen Namen aller Streiter Christi beiderlei Geschlechtes hab' ich genannt und von ihren vielen herrlichen Siegen einiges in meiner einfältigen Art erzählt, meist mit Angabe des Standes, der Heimat und des Aufenthaltes.
Auch hab' ich berichtet, wie Männer und Frauen, die zuvor ein sehr tugendhaftes Leben führten, durch Eitelkeit, die Mutter des Stolzes, in den tiefsten S. 317 Abgrund geworfen wurden und in einem Augenblick alles verloren, was sie während langer Zeit in hartem Kampf errungen hatten; wie sie dann aber durch die Gnade unseres Erlösers, die Sorgfalt der heiligen Väter und ihre milde Barmherzigkeit den Schlingen des Teufels entrissen wurden und durch die Gebete der Heiligen wieder auf die nämliche Tugendstufe gelangten.
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Es war das eine der höchsten Würden des ganzen Kaiserreiches. Lausus, auch nach anderen Berichten ein frommer und feingebildeter Mann, versah dies Amt einige Zeit unter Kaiser Arkadius. ↩