58. Die Mönche von Antinoe.
S. 425 Ich hielt mich vier Jahre lang auf zu Antinoe in der Thebais und lernte während dieser Zeit die dortigen Klöster kennen. Es wohnen nämlich rings um die Stadt an zwölfhundert Männer, die sich von der Arbeit ihrer Hände nähren und ein übermenschlich strenges Leben führen. Unter ihnen gibt es auch Einsiedler, die sich selbst in Felsenhöhlen eingeschlossen haben; zum Beispiel ein gewisser Solomon, ein überaus sanftmütiger und enthaltsamer Mann, der die Gnadengabe der Geduld besitzt. Dieser war nach seiner eigenen Aussage schon das fünfzigste Jahr in seiner Höhle, lebte von dem, was er eigenhändig verdiente, und lernte die ganze Heilige Schrift auswendig.
In einer anderen Höhle wohnte der Priester Dorotheus, ein vortrefflicher Mann von tadellosem Wandel, weshalb er in den Priesterstand erhoben ward. Er versah den heiligen Dienst für die Brüder, die sich in den Höhlen aufhielten. Ihm ließ einst die jüngere Melania, die Enkelin der großen Melania, von der ich später berichten werde, fünfhundert Goldstücke reichen mit der Bitte, sie an die dortigen Brüder zu verteilen. Dorotheus aber nahm nur drei und sandte das übrige dem Einsiedler Diokles, einem sehr verständigen Mann, indem er sagte: "Bruder Diokles hat mehr Einsicht als ich und kann es ohne Schaden verteilen; denn er weiß, wie man den Armen am besten hilft. Ich selber brauche nicht mehr als dies." Der genannte Diokles oblag zuvor dem Studium der Grammatik, dann der Philosophie, bis er im Alter von achtundzwanzig Jahren sich von den freien Künsten weg und zu Christo hinwandte. Fünfunddreißig Jahre schon hielt er sich auf in der Höhle. Er sagte uns: "Wenn der Geist sich von Gott abwendet, wird er Tier oder Teufel." Er nannte die Begierde tierisch, die böse Lust teuflich. Als ich den Einwand erhob: "Wie soll der Menschengeist unablässig mit Gott vereinigt bleiben?" gab er den Bescheid: "Die Seele mag denken und tun was nur immer; wenn es nur fromm ist und Gott zum Ziele hat, bleibt sie mit ihm vereinigt."
In seiner Nähe wohnte Kapiton, ein ehemaliger Räuber, der volle fünfzig Jahre lang in seiner Höhle S. 426 - vier Meilen von der Stadt Antinoe - blieb, ohne nur bis zum Nil herabzusteigen; er sagte, für ihn sei es unmöglich, mit den Leuten zusammenzutreffen, weil ihm der Widersacher noch immer nachstelle.
Bei diesen sahen wir auch einen anderen Einsiedler, der gleichfalls in einer Höhle wohnte; von Ruhmsucht aufgestachelt, von Traumbildern getäuscht, betrog er, die sich betrügen ließen, und "weidete Winde".1 Dem Leibe nach blieb er zwar enthaltsam infolge seines Alters und wohl aus Eitelkeit; aber sein Geist war von maßloser Ruhmbegierde verdorben.
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Spr 9,12 (LXX). ↩