68. Ein Mönch von Ankyra.
Ebenfalls in genannter Stadt trafen wir einen Mönch, der kurze Zeit Soldat gewesen war. Dieser wollte nicht zum Priester geweiht werden. Er führt schon in das zwanzigste Jahr ein asketisches Leben; sein Wandel ist so beschaffen: Er weilt beständig beim Bischof der Stadt, besucht sogar zur Nachtzeit die Armen - so barmherzig ist er und voll Nächstenliebe - sorgt für die Kranken und Gefangenen, hegt Teilnahme für arm und reich, bewegt die einen zum Mitleid und tritt als Anwalt der anderen auf, versöhnt die einen miteinander und bringt den anderen Nahrung und Kleidung. Wie in allen großen Städten, liegt auch in dieser Stadt eine Menge Kranker, teils ehelos, teils vermählt, in der Vorhalle der Kirche und bittet um das tägliche Brot. Nun traf es sich einst, daß in jener Halle zur Winterzeit um Mitternacht ein Weib gebar. Da sie vor Wehen zu schreien anfing, hörte das der genannte Mönch. Er unterbrach die gewohnten Gebete, ging hinaus, um S. 436 nachzusehen, vertrat, da niemand zu finden war, Hebammenstelle und überwand aus Mitleid den Ekel vor dem Erbrechen, das bei Gebärenden eintritt. Die Kleider dieses Mannes sind keinen Heller wert, ebenso seine Nahrung. Zur Beschäftigung mit Büchern läßt ihm die Nächstenliebe keine Zeit. Schenkt ihm jemand von den Brüdern ein Buch, verkauft er es sogleich, und wenn er deshalb geneckt wird, gibt er zur Antwort: „Wie soll ich denn anders meinen Lehrer davon überzeugen, daß ich seine Kunst wirklich gelernt habe, außer indem ich sie wirklich übe?“