21. Der Arianer Lucius
Kaum hatten sie ihn aber auf den bischöflichen Stuhl gesetzt, als sofort der Statthalter der Provinz1 mit einem S. 235 zusammengerafften Haufen von Heiden und Juden die Mauern der Kirche umzingelte und dem Petrus befahl, herauszukommen; und er drohte ihm, falls er nicht willig gehe, werde er ihn mit Gewalt vertreiben. Er tat dieses natürlich, um dem Kaiser zu Gefallen zu handeln und die Andersgesinnten mit Leiden zu überhäufen, in Wahrheit aber, weil er sich von seinem gottlosen Haß fortreißen ließ. Er war nämlich dem Götzendienst ergeben und hielt kirchliche Unruhen für die glänzendste Festlichkeit. Als nun der bewunderungswürdige Petrus den unerwarteten Krieg sah, ging er heimlich fort, bestieg ein Schiff und fuhr nach Rom.
Wenige Tage später kam Euzoius von Antiochien, brachte den Lucius mit und übergab ihm die Kirchen. Von der Gottlosigkeit und Gesetzesverachtung dieses Mannes hatte schon Samosata eine Probe verkostet2. Sobald jedoch das Volk, das in den Unterweisungen des Athanasius aufgewachsen war, merkte, daß ihm jetzt eine ganz andere Nahrung vorgesetzt werde, hielt es sich von den kirchlichen Versammlungen ferne. Lucius nun suchte sich seine Leibwächter unter den Götzendienern; er mißhandelte die einen, andere ließ er einsperren, andere zwang er zur Flucht, wieder anderen ließ er nach Art der Barbaren ihre Häuser zerstören. Indessen hat dieses der verehrungswürdige Petrus uns besser in einem Briefe geschildert. Ich will daher zuerst nur noch eine Freveltat des Lucius erzählen und dann jenen Brief in meine Geschichte aufnehmen.
In Ägypten gab es Männer, welche den Wandel der Engel nachahmten, dem Lärm der Städte entflohen, das Leben in der Wüste sich erwählten, das sandige und unfruchtbare Land fruchtbar machten und dazu jene Frucht hervorbrachten, die Gott die liebste und schönste ist, die er auch von uns verlangt, nämlich die Tugend. Als Führer auf diesem Lebenswege sind zwar viele andere aufgetreten, der beste Lehrer der aszetischen Lebensweise war aber jener vielgepriesene Antonius, der die Wüste zu einer Übungsschule der Vollkommenheit S. 236 für die Aszeten machte. Er selbst war mit der größten und schönsten Fracht in den Hafen der Ruhe eingelaufen. Aber seine Schüler vertrieb nun jener elende und höchst unglückselige Mensch; die Vorsteher jener heiligen Scharen, den berühmten Makarius und dessen gleichnamigen Gefährten, den Isidor und die übrigen jagte er aus ihren Höhlen und schickte sie auf eine Insel, die von gottlosen Menschen bewohnt war und niemals einen Lehrer des wahren Glaubens aufgenommen hatte. Als nun das Schiff dem Eilande sich näherte, verließ der von den Bewohnern verehrte Dämon das ihm errichtete Götzenbild, worin er von Alters her seine Wohnstätte gehabt, stürzte die Tochter des Priesters in Wahnsinn und führte die Rasende hinaus an das Gestade, an dem die Ruderer ihr Fahrzeug angelegt hatten. Der Dämon aber bediente sich der Zunge des Mädchens als eines Werkzeuges und verkündete durch dasselbe das nämliche, wie einst in Philippi die vom pythonischen Geist besessene Magd3. Es hörten alle, Männer und Frauen, was jener Dämon sprach: „O über euere Macht, ihr Diener Christi! Allenthalben sind wir von euch vertrieben worden, aus Städten und Dörfern, von Bergen und Hügeln und aus der menschenleeren Wüste. Wir hofften, auf diesem Inselchen weilend, vor eueren Geschossen verschont zu sein, doch unsere Hoffnung täuschte uns. Denn auch hierher haben euch euere Verfolger geschickt, nicht um euch wehe zu tun, sondern um uns durch euch zu vertreiben. So verlassen wir denn auch dieses Inselchen, verscheucht von den Strahlen euerer Tugend.” Nach solchen und ähnlichen Worten warfen sie das Mädchen auf den Boden nieder, sie selbst aber waren vollständig verschwunden. Jene heilige Schar richtete nun das Mädchen unter Gebet wieder auf und gab es seinem Vater geistig und körperlich gesund zurück. Die Zeugen des Wunders aber warfen sich jenen Heiligen zu Füßen und baten, der Mittel des Heiles teilhaftig zu werden. Sie zerstörten den Götzentempel, wurden erleuchtet von den Strahlen der christlichen Lehre und der Gnade der heiligen Taufe gewürdigt. Als S. 237 diese Vorgänge in der Stadt bekannt wurden, kamen die Leute alle in großer Menge zusammen, schmähten über den Lucius und erklärten, sie würden selbst noch vom Zorne der Gottheit ereilt werden, wenn nicht die göttliche Schar jener heiligen Männer freigelassen würde. Da gestattete Lucius aus Furcht vor einem Aufruhr in der Stadt den heiligmäßigen Männern, in ihre Höhlen zurückzukehren.
Diese Vorfälle wären nun allein schon hinreichend, seine Unverschämtheit und Gottlosigkeit erkennen zu lassen; noch deutlicher aber wird uns das Schreiben des bewunderungswürdigen Petrus dessen Verwegenheit und Gewalttätigkeit zum Bewußtsein bringen. Um jedoch nicht zu weitläufig zu werden, will ich nur den mittleren Teil des Briefes in meine Geschichte aufnehmen.