3. Kaiser Konstantius wird dem wahren Glauben entfremdet
Konstantia, ehedem die Gattin des Licinius, war eine Schwester Konstantins. Mit ihr wurde ein gewisser Priester befreundet, der den Krankheitsstoff des Arianismus in sich aufgenommen hatte. Er ließ zwar seine Krankheit nicht offen zutage treten, aber in den häufigen Unterredungen mit ihr pflegte er zu sagen, Arius sei das Opfer böswilliger Angeberei geworden. Dieser seiner Schwester wandte nun der allgepriesene Konstantin nach dem Tode ihres gottlosen Gemahls jegliche Fürsorge zu und duldete nicht, daß sie die Beschwerden des Witwenstandes kennen lerne. Ja selbst als sie zum Sterben kam, stand er ihr zur Seite und sorgte für die passendste Pflege. Damals nun ließ sie jenen Priester herbeirufen und empfahl ihn der Huld und Fürsorge des Kaisers. Konstantin versprach damals, ihre Bitte zu erfüllen, und er hat hinterher sein Versprechen auch gehalten; er gestattete jenem Manne freiesten Zutritt und freieste Aussprache seiner Meinung. Aber obschon derselbe so hoher Gnade gewürdigt wurde, wagte er doch nicht, seine Krankheit zu offenbaren, da er sah, daß die Gesinnung des Kaisers in religiösen Dingen unwandelbar feststehe1. Als aber Konstantin, im Begriffe, S. 94 in das unvergängliche Reich hinüberzugehen, seine vergängliche Herrschaft hier auf Erden durch Testament unter seine Söhne teilte, da vertraute er, weil keiner von ihnen bei seinem Tode anwesend war, das Testament nur diesem Priester an mit dem Befehle, es dem Konstantius einzuhändigen. Dieser war nämlich weniger weit entfernt als die übrigen, und es stand deshalb zu erwarten, daß er vor den übrigen eintreffen werde. Auf diese Weise wurde der genannte Priester mit Konstantius bekannt — er übergab nämlich das Testament, wie es ihm aufgetragen war —, wurde mit ihm befreundet und eingeladen, ihn öfter zu besuchen. Da er nun wahrnahm, daß Konstantius unbeständigen Sinnes sei und ähnlich einem Schilfrohr, das von entgegengesetzten Winden hierhin und dorthin bewegt wird, so faßte er Mut und entschloß sich, den Kampf gegen die evangelische Lehre aufzunehmen. Er beklagte die in den Kirchen herrschende Verwirrung und bezeichnete als Urheber derselben diejenigen, welche das nicht schriftgemäße Wort „gleichwesentlich“ der Glaubenslehre eingefügt hätten; dies verursache die Spaltung wie im Klerus so auch im Volke. Sodann richtete er seine Anklage gegen Athanasius und dessen Gesinnungsgenossen und schmiedete Ränke gegen dieselben.
Diesen Mann nun benützten Eusebius, Theogonius und Theodorus von Perinth als Mitarbeiter und Gehilfen. Theodorus war ein Mann von hervorragender Gelehrsamkeit; er hat auch eine Erklärung der heiligen Evangelien geschrieben; gewöhnlich wird er der Herakleote genannt2. Diese Männer also, welche beständig S. 95 in der Nähe des Kaisers waren und denselben oftmals sahen, bezeichneten die Rückkehr des Athanasius aus der Verbannung als die Quelle zahlreicher Übel und behaupteten, daß unter den Unruhen nicht nur Ägypten, sondern auch Palästina, Phönizien und die angrenzenden Provinzen zu leiden hätten.
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Vgl. hierzu Hefele, CG I ², 481. ↩
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Theodor, etwa 335—355 Bischof von Heraklea, dem alten Perinthus, in Thrazien, verfaßte nach dem Zeugnis des hl. Hieronymus (De vir. ill. 90) Kommentare zum Matthäus- und Johannes-Evangelium, zu den Briefen Pauli und zu den Psalmen. Gegenüber dieser bestimmten Angabe des Hieronymus wird die obige Behauptung des Theodoret, daß Theodor eine Erklärung der Evangelien, also auch des Markus- und Lukas-Evangeliums, geschrieben habe, als ungenaue Verallgemeinerung anzusehen sein. Erhalten haben sich auch Fragmente eines Kommentars zu Isaias, gesammelt und herausgegeben von Mai, bei Migne, Patr. gr. 18, 1307—1378. Vgl. Bardenhewer, Gesch. d. altkirchl. Lit. III (1912), 265. ↩