5. Kapitel: Warum alle himmlischen Wesen mit dem gemeinsamen Namen „Engel“ bezeichnet werden.
Warum alle himmlischen Wesen mit dem gemeinsamen Namen „Engel“ bezeichnet werden.
1) Wenn die heilige Schrift den Namen „Engel“ insgemein für alle himmlischen Geister gebraucht und doch für die unterste Stufe der Engelchöre im besondern verwendet, so liegt der Grund darin, daß die höheren Ordnungen aller Erleuchtungen der tieferen teilhaftig sind, nicht aber umgekehrt. 2) Die obersten Stufen können mit Recht „Engel“ genannt werden, denn auch sie offenbaren die göttlichen Einstrahlungen. Dagegen dürfen die Engel der untersten Chöre nicht den Namen eines höheren Chores führen, weil sie nicht dessen Vorzüge besitzen, sondern von ihm abhängen. 3) Höchstens könnte man sämtliche Engelnamen insoferne allen Engeln gemeinsam zuerteilen, als sie alle an der Gottähnlichkeit mehr oder weniger teilnehmen. Aber im Interesse der Klarheit sollen die Eigentümlichkeiten, welche die Schrift von den einzelnen Engelordnungen angibt, ins Auge gefaßt werden.
Das also ist nach unserm Dafürhalten der Grund, warum die heilige Schrift den Namen „Engel“ gebraucht. Wir müssen aber auch, denke ich, untersuchen, warum die inspirierten Schriftsteller einerseits die himmlischen Wesen gemeinsam „Engel“ heißen, andrerseits aber, wenn sie an die Darstellung ihrer überweltlichen Ordnungen herantreten, den besondern Namen „Engel“ nur derjenigen Abteilung geben, welche die göttlichen und himmlischen Stufen zu unterst abschließt und vollendet, dagegen den Erzengeln, Fürstentümern, Gewalten, Mächten und allen Ordnungen, welche die Offenbarungsüberlieferung der Schrift als diesen überlegene Wesen erkennt, einen höhern Platz über ihnen anweisen. Wir behaupten nun, daß in jeder heiligen Ordnung die höhern Abteilungen auch die Erleuchtungen und Kräfte der tieferstehenden besitzen, daß dagegen die letzten S. 31 Stufen der Vorzüge der höhern nicht teilhaftig sind 1! So nennen also die Verfasser der Offenbarungsschriften die heiligsten Rangstufen der höchsten Wesen auch Engel, denn auch sie offenbaren die urgöttliche Einstrahlung. Die letzte Ordnung der himmlischen Geister aber kann man nur widersinnig Fürstentümer, Throne oder Seraphim nennen, denn sie hat keine Gleichstellung mit den höchsten Mächten. Wie dieselbe vielmehr unsere gotterfüllten Hierarchien zu den von ihr erfaßten Strahlen der Urgottheit emporführt, so haben die ganz heiligen Mächte der ihr übergeordneten Wesen die Fähigkeit, diese die himmlischen Hierarchien abschließende Ordnung zu Gott zu erheben. Es müßte denn etwa einer auch dieses sagen, daß alle Namen der Engel gemeinsam seien, weil alle himmlischen Mächte in Hinsicht auf die Gottähnlichkeit und die aus Gott strömende Lichtfülle einen schwächeren oder intensiveren Anteil besitzen. Damit aber unsere Abhandlung in besser geschiedener Einteilung verlaufe, laßt uns mit heiliger Ehrfurcht die heiligen Eigentümlichkeiten jeder einzelnen himmlischen Ordnung sehen, wie sie in den heiligen Schriften vor Augen gestellt sind.
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Die zur Illustration dieses Satzes von D. verwendeten Beispiele von Licht und Wärme s. unten Kap. XIII, 3. ↩
