§ 3.
1) Beweis aus der heiligen Schrift, daß die tieferstehenden Engel von den höhern über die Werke Gottes unterrichtet, diese letztern aber unmittelbar von Gott selbst aufgeklärt werden: An der einen Stelle der Schrift erscheinen Engel, welche über Christus von andern Engeln belehrt werden; ferner führt die Schrift eine Gruppe von Engeln ein, welche über Jesus im Ungewissen sind und direkt von ihm eine Antwort erhalten. 2) Wunderbar ist die Zurückhaltung, mit welcher selbst die höchsten Engel nach Aufschluß der göttlichen Geheimnisse verlangen. 3) So wird also die oberste Triade der Engel von Gott selbst gereinigt, erleuchtet und vollendet. 4) Es beruht sowohl die Reinigung wie die Erleuchtung und Vollendung auf der Mitteilung der göttlichen Erkenntnis, sofern diese die Unwissenheit vertreibt, positive Erleuchtung gewährt und im Genusse des Lichtes vollendet.
Die Tatsache, daß die tieferstehenden Ordnungen der himmlischen Wesen von den höheren in der Erkenntnis der Gottestaten unterwiesen, daß hingegen die allerobersten Stufen von der Urgottheit selbst, soweit es möglich ist, mit geheimnisvollen Lehren erleuchtet werden, sprechen die Verfasser der Offenbarungsschriften deutlich aus. Denn einige der Engel schildern sie, wie diese von den höheren heilig in jenes Geheimnis eingeweiht werden, daß derjenige, welcher in menschlicher Gestalt in den Himmel aufgenommen wurde, der Herr der himm- S. 40 lischen Mächte und der König der Glorie sei 1. Bei andern Engeln offenbaren sie deren Ungewißheit Jesu selbst gegenüber und wie sie die Kenntnis über sein für uns vollbrachtes Gotteswerk erlangen, wie Jesus selbst sie unmittelbar geheimnisvoll belehrt und ihnen in erster Mitteilung sein menschenfreundliches Heilswerk offenbart. „Ich, sagt er nämlich, lehre Gerechtigkeit und ein Gericht des Heils“ 2. Ich muß mich aber wundern, daß auch die ersten der himmlischen Wesen, welche die andern so weit überragen, die urgöttlichen Erleuchtungen nur mit Ehrfurcht ersehnen, wie sie ja nur mit den mittlern Flügeln fliegen 3. Denn nicht ohne weiteres fragen sie: „Warum sind deine Kleider rotgefärbt?“ Sie sind vielmehr erst bei sich selbst im Zweifel und geben zu verstehen, daß sie lernen wollen und nach der Erkenntnis des göttlichen Wirkens begehren, keineswegs aber der Erleuchtung vorauseilen, welche ihnen nach dem Gesetze des göttlichen Hervortretens beschieden ist.
Es wird also die erste Hierarchie der himmlischen Geister unmittelbar von dem Urprinzip aller Weihevollendung durch die direkte Erhebung zu demselben hierarchisch vervollkommnet, mit der allerheiligsten Reinheit des unermeßlichen Lichtes der übervollkommenen Weihewirkung im entsprechenden Verhältnis erfüllt und also gereinigt, erleuchtet und zur Vollendung geführt, durch kein Sinken nach unten getrübt, mit dem ursprünglich ersten Lichte erfüllt und durch Teilnahme an der erstverliehenen Erkenntnis und Wissenschaft vollendet. In Kürze dürfte ich wohl auch mit Recht dieses sagen, daß sowohl die Reinigung wie die Erleuchtung und Vollendung nichts anderes als die Mitteilung des urgöttlichen Wissens ist, welche (erstens) gewissermaßen von der Unwissenheit durch die nach Gebühr verliehene Kenntnis der vollkommenem Einweihungen reinigt, welche zweitens durch eben jene göttliche Erkenntnis dann erleuchtet, durch welche sie auch S. 41 die vorige Stufe des Wissens reinigt, in der man noch nicht alles das schaute, was jetzt durch die höhere Erleuchtung geoffenbart wird, (welche endlich drittens) durch eben das Licht, d. i. durch das zuständlich dauernde Wissen der lichtvollsten Einweihungen auch vollendet 4.
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Ps. 23, 10. ↩
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Is. 63, 1. ↩
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Vgl. unten e. h. Kap. IV, 38. ↩
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Diese Erklärung, dass die „Reinigung“ der Engel in der Entfernung der Unwissenheit besteht, also im Grunde auch Erleuchtung ist, wird von D. ausführlicher wiederholt e. h. VI, 3, 6 (s. d. Anm.). Der Gedanke, den Geist von Unwissenheit zu „reinigen“, ist neuplatonisch. Plotin. Enn. III, 6, 5. Proklus in Parmen. 559: καθαρτικοὶ τῆς ἀγνοίας τρόποι. ↩