§ 2.
1) Unter Anrufung Jesu möge man an das Studium der heiligen Schriften herantreten, um aus ihnen Erkenntnisse über die himmlischen Geister zu schöpfen. 2) Das geistige Schauen auf die Lichtergießung des Vaters soll uns dann von dem Anblick der sinnfälligen Abbilder hinweg zu dem einfachen Strahl (der Offenbarung) emporheben. 3) Wenn dieser Strahl auch, um die der Vorsehung unterstehenden Wesen in Eins zu gestalten und mit sich zu vereinigen, in eine Vielheit austritt, so verharrt er doch in seiner Einheit und gliedert sich seine Adepten einheitlich ein. 4) Nur auf diese Weise, wenn der göttliche Strahl, durch mannigfache Hüllen verdeckt, für unsere (geistig-sinnliche) Natur moderiert ist, kann er uns aufleuchten.
Laßt uns also Jesus anrufen, das Licht des Vaters, das wirkliche, wahrhafte Licht, welches einen jeden Menschen erleuchtet, der in die Welt kommt 1, durch welchen wir den Zutritt zum Vater, dem Urquell des Lichtes, erlangt haben, und so dann zu den von den Vätern überlieferten, in den heiligsten Schriften enthaltenen Erleuchtungen nach Möglichkeit emporblicken. Die von ihnen auf sinnbildlichem und anagogischem Wege uns geoffenbarten Hierarchien der himmlischen Geister wollen wir, soweit es in unserer Macht liegt, zu schauen suchen, die ursprüngliche und überursprüngliche Lichtergießung des urgöttlichen Vaters (welche uns die seligsten Hierarchien der Engel in bildlich geformten Zeichen offenbart), mit immateriellen und zuckungsfreien Augen des Geistes aufnehmen und dann hinwieder von S. 3 ihr aus zu ihrem einfachen Strahl uns erheben 2. Denn dieser selbst verliert ja auch nie etwas von der ihm eigenen einheitlichen Einfachheit 3, während er sich zum Zwecke der anagogischen und einigenden Anpassung an die von der Vorsehung geleiteten Wesen vervielfältigt und (zu ihnen) austritt. Er bleibt vielmehr innerhalb seiner selbst in unbeweglicher Selbstgleichheit unerschütterlich und dauernd fest und zieht diejenigen, welche geziemend zu ihm emporblicken, ihrer Natur entsprechend (zu sich) empor und gestaltet vermöge seiner (eigenen) Wesenseinheit, die eine vereinfachende Kraft besitzt, auch in ihnen das Eine. Denn es ist gar nicht möglich, daß der urgöttliche Strahl in uns hereinleuchte, es sei denn, daß er durch die bunte Fülle der heiligen Umhüllungen, welche einen höhern Sinn enthalten, verdeckt und in väterlicher Fürsorge unseren Verhältnissen naturgemäß und entsprechend angepaßt sei.
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Joann. 1, 9. Die Bitte um den göttlichen Beistand vor Beginn einer Abhandlung, insbesondere zum Christus Logos, ist seit Origenes den Vätern geläufig. Proklus betet so nach seinem Standpunkt im Eingang der theol. Plat. ↩
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Vgl. 2 Cor. 3, 18. ↩
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Die Lesart ἑνότητος verdient den Vorzug vor ἐνδότητος, weil D. die Zusammenstellung von Wörtern desselben Begriffes (hier ἑνικὴ ἑνότης) mit Absicht vorzunehmen liebt. ↩
