§ 11.
Was es nun für ein göttliches Wirken an uns ist, das wollen wir jetzt nach Kräften auseinandersetzen, denn ich bin nicht imstande, es genügend zu preisen, ja auch nur klar zu erkennen und andern mitzuteilen. Was aber von gotterleuchteten Kirchenfürsten in angemessenen Worten gepriesen und gefeiert wird, das will ich nach Vermögen vortragen, den Geist, der den heiligen Stand erleuchtet, um seine Führung anflehend.
Die menschliche Natur, die am Beginn durch ihre Torheit der göttlichen Güter beraubt war, empfing ein Leben voller Leiden und am Ende den verderbenbringenden Tod: Denn folgerichtig überlieferte jener verhängnisvolle Abfall vom Guten und die Übertretung des heiligen Gesetzes im Paradies den, der sich von den schmeichelnden, gefährlichen Trugworten des Feindes verlocken ließ und das lebenspendende Joch abgeschüttelt hatte, seinen eigenen Neigungen; dadurch vertauschte er jämmerlich die Ewigkeit mit der Sterblichkeit; und der aus verderblichem Geschlecht entsprungen war, eilte mit Recht einem Untergang zu, der seinem Ursprung entsprach; und aus dem göttlichen Leben, das ihn zum Himmlischen erhob, freiwillig in ein ganz entgegengesetztes hinabgestürzt, erlangte er die Wechselfälle mannigfaltiger Verwirrungen. Während er aber vom rechten Weg, der zum wahren Gott führt, abgewichen war und in der Botmäßigkeit verworfener, böswilliger Scharen festgehalten wurde, bemerkte er durchaus nicht, daß er nicht Göttern und Freunden, sondern gefährlichen Feinden diente; und da sie ihn in ihrer Unmenschlichkeit grausam mißbrauchten, geriet er jammervoll in die Gefahr des Nichtseins und des Untergangs.
Aber die unendliche Menschenfreundlichkeit der göttlichen Güte ließ nicht ab, durch sich selbst für uns Sorge zu tragen, sondern wurde teilhaft all des Unseren, nur ohne Sünde, und einte sich unserer Niedrigkeit, behielt aber seine eigene Natur völlig unvermischt und unversehrt; er gab uns wie Brüdern Anteil daran und erklärte uns zu Teilhabern an seinen Gütern. Die Macht aber, die die abtrünnige Schar über uns hatte, überwand Er nach geheimer Überlieferung nicht durch überlegene Kraft, sondern wie das geheimnisvolle Wort sagt, in Gerechtigkeit und Gericht. Unsere Seinsverfassung dagegen stellte Er gütig wieder her; denn die Dunkelheit unseres Geistes erfüllte Er mit seligem und göttlichem Licht, und unsere entstellte Natur verschönte Er mit göttlichem Schmuck; Er stellte unser Wesen, das fast ganz zusammengebrochen war, vollkommen heil wieder her und befreite die Behausung unserer Seele von den schmählichsten Leidenschaften und sündhaften Befleckungen, zeigte uns einen Weg zur Höhe und das Gesetz eines göttlichen Lebens, wodurch wir, soweit möglich, zu einer heiligen Ähnlichkeit mit Ihm emporgeführt werden.