VORREDE
S. 3 Nach einer längeren Unterbrechung folgt hier auf meine Übersetzung der beiden „Hierarchien“ des sog. Dionysius Areopagita die Übersetzung von „Göttlichen Namen“, nachdem sich der Verlag Kösel & Pustet, München, entschlossen hat, der „Bibliothek der Kirchenväter“ noch eine ergänzende Serie folgen zu lassen. Die vorliegende Schrift des Dionysius bildet das Hauptwerk und den Grundstock im Korpus der Areopagitika, ist nach CH. geschrieben (vgl. DN, IV 2) und verdient ohne Zweifel eine neue Verdeutschung. Allerdings ist der ehemalige Nimbus, der diese Schriften als vermeintliche Produkte des Paulusschülers lange umgab, endgültig zerstört, aber der literarhistorische Wert dieser Dokumente von dem religiös-kirchlichen bzw. aszetisch-mystischen Leben des kirchlichen Altertums wird immer bleiben. Eine neue Verdeutschung ist aber nicht bloß deshalb geboten, weil nach dem Ergebnis der neueren Forschungen nicht nur die Auffassung vieler Stellen sich ändern mußte, sondern auch aus dem Umstande, daß die letzten von Engelhardt und Storf gelieferten Übersetzungen modernen Anforderungen nicht mehr genügen. In eine überraschende neue Beleuchtung würde ferner eine ganze Reihe von Eigentümlichkeiten der Dionysiaca treten, wenn wir den in der „Scholastik“ (III 1928; 1. u. 2. H.) versuchten Nachweis, daß Pseudo-Dionysius mit Severus, Patriarch von Antiochien, identisch sei, durch berufene Kenner der syrischen Literatur bestätigt sähen. Nach unseren Ausführungen l. c. laufen die Lebensperioden des gemäßigten Monophysiten Severus: schwankende Jugendzeit, weltliches philosophisches sowie juridisches Studium, ernsthaftes Erfassen des Christentums und strenges Mönchsleben, Erhebung auf den Patriarchenstuhl von Antiochien und kir- S. 4 chenpolitisches Eintreten für das kaiserliche Henotikon, auffällig parallel mit den Entwicklungsstadien, die sich für Dionysius aus seinen eigenen Schriften nachweisen lassen. Näheres soll in der Einleitung beigebracht werden. Auf die eingehende, mit ablehnender Tendenz geschriebene Entgegnung Lebons (Revue d’Histoire ecclésiastique t. XXVI [1930] p. 880—915) ließ ich eine Erwiderung folgen in der „Scholastik“ t. VII (1932) 1, H. Lebons mehr formale Ausstellungen sind nicht durchschlagend.
Was das Formelle dieser neuen Übersetzung betrifft, so möge man die ungewöhnliche Schwierigkeit berücksichtigen, die der Stil des Dionysius überhaupt und in DN, insbesondere dem Übersetzer bereitet. Will man die verkünstelte, manirierte Eigenart dieser Sprache mit ihrem tautologischen Wortschwall, ihren ewigen Wiederholungen, forcierten Ausdrücken usw. nicht verwischen, so muß die deutsche Diktion selbstverständlich darunter leiden. Immerhin war es mein Bemühen, eine allzu sklavische Anlehnung an den griechischen Originaltext, der nicht von einem Griechen, sondern von einem syrischen Asiaten herrührt, zu vermeiden und mit korrekter Wiedergabe der Meinung des Autors eine genießbare Ausdrucksweise herzustellen.
Dankenswerte Hilfe gewährte mir bei dieser Arbeit das Buch von Hugo Koch, „Ps.-Dionysius Areopagita in seinen Beziehungen zum Neuplatonismus und Mysterienwesen“. Mainz 1900 (zitiert „Koch“). Verweisungen auf meine beiden Artikel: „Der sog. Dionysius Areop. und Severus von Antiochien“ sind notiert: „Scholastik“ III (1928, Herder). — Die Übersetzungen der beiden Hierarchien (Kösel, Kempten 1911) = CH. und EH. De divinis nominibus = DN. Mystische Theologie — MTh. Brief = Ep. Ausgabe der griech. Väter (mit Angabe von Band und Spalte) = M. Feldkircher Studienprogramm 1895 = Programm.