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Werke Johannes von Damaskus (675-750) Expositio fidei Genaue Darlegung des orthodoxen Glaubens (BKV)
Zweites Buch

X. KAPITEL. Von der Erde und dem, was sie hervorgebracht.

Die Erde ist eines der vier Elemente, trocken und kalt, schwer und unbeweglich, von Gott am ersten Tage aus dem Nichtsein ins Sein gerufen. Denn es heißt: „Im Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde 1.“ Ihren Sitz und ihre Grundlage aber hat kein Mensch angeben können. Die einen behaupten, sie sei über Wassern gegründet und befestigt, wie der göttliche David sagt: „Der die Erde über Wassern befestigt 2“, S. 71 die andern: über der Luft. Ein anderer aber sagt: „Der die Erde über dem Nichts gegründet hat 3.“ Und wiederum sagt der göttlich redende David gleichsam in der Person des Schöpfers: „Ich habe ihre Säulen festgestellt 4.“ Er hat die Kraft, die sie zusammenhält, Säulen genannt. Das Wort aber: „Er hat sie über den Meeren gegründet 5“, zeigt an, daß die Natur des Wassers die Erde von allen Seiten umfließt. Ob wir nun zugeben, daß sie auf sich selbst oder über der Luft oder über Wassern oder über dem Nichts gegründet ist, die fromme Gesinnung dürfen wir nicht aufgeben, sondern müssen bekennen, daß alles zumal durch die Macht des Schöpfers beherrscht und zusammengehalten wird.

Im Anfang also war sie (die Erde), wie die göttliche Schrift sagt, von Wassern bedeckt und sie war nicht hergerichtet, d. h. sie hatte keinen Schmuck 6. Auf Gottes Befehl aber entstanden die Wasserbehälter, und dann traten die Berge ins Dasein, und auf den göttlichen Befehl erhielt sie ihren Schmuck, sie ward mit mannigfachen Kräutern und Pflanzen geziert. In diese legte der göttliche Befehl die Kraft, sich zu vermehren, sich zu nähren, Samen zu bilden, d. h. ihresgleichen zu erzeugen. Auf Befehl des Schöpfers brachte sie (═ die Erde) aber auch allerlei Arten von Tieren, kriechenden, wilden und zahmen hervor — alle zum passenden Gebrauch des Menschen: die einen davon zur Nahrung, wie Hirsche, Schafe, Rehe u. dgl., die andern zur Dienstleistung, wie Kamele, Rinder, Pferde, Esel u. dgl., die andern zur Ergötzung, wie Affen, und unter den Vögeln Häher, Papageien u. dgl. Von den Gewächsen und Pflanzen [brachte sie hervor] teils fruchttragende, teils eßbare, teils wohlriechende und bunte, zur Ergötzung uns geschenkte, wie die Rose u. dgl., teils Krankheiten heilende. Gibt es doch kein Tier und kein Gewächs, in das der Schöpfer nicht eine Kraft gelegt, die dem Nutzen der Menschen dient. Denn er, der alles weiß, eh’ es S. 72 geschieht 7, wußte, daß der Mensch sich freiwilliger Übertretung schuldig machen und sich dem Verderben überantworten werde. Darum hat er alles am Firmament, auf der Erde und in den Wassern zu dessen passendem Gebrauch geschaffen.

Vor der Übertretung war alles dem Menschen untertan. Denn Gott hatte ihn zum Herrscher über alles auf Erden und in den Wassern gesetzt. Sogar die Schlange lebte vertraulich mit dem Menschen zusammen, sie kam mehr als die andern zu ihm heran und verkehrte in ergötzlichen Bewegungen mit ihm. Daher gab durch sie der Urheber des Bösen, der Teufel, den Stammeltern den so schlimmen Rat ein. Die Erde trug von selbst die Früchte zum Bedarf der ihm untertänigen Tiere. Auch hatte die Erde weder Regen noch Winter. Nach der Übertretung aber, als er „den unvernünftigen Tieren gleich und ihnen ähnlich geworden 8“, da er es in seinem Ungehorsam gegen das Gebot des Herrn dahin gebracht, daß in ihm die unvernünftige Begierde über den vernünftigen Geist herrschte, empörte sich gegen den, der vom Schöpfer zum Herrscher bestimmt war, die [ihm] untergebene Schöpfung. Und es erging an ihn der Befehl, im Schweiße die Erde zu bearbeiten, von der er genommen war 9.

Aber auch jetzt sind die wilden Tiere nicht umsonst und unnütz da. Denn sie jagen Schrecken ein und treiben zur Erkenntnis und Anrufung Gottes, der sie geschaffen. Auch der Dorn sproßte nach der Übertretung aus der Erde gemäß dem Urteilsspruch des Herrn. Nach ihm gesellte sich selbst zum Genuß der Rose der Dorn. Er erinnert uns an die Übertretung, derentwegen die Erde verurteilt ward, für uns Dornen und Disteln hervorzubringen 10.

Weil sich dies so verhält, so muß man glauben, daß dessen Fortdauer bis jetzt das Wort des Herrn bewirkt, das er gesprochen: „Wachset und vermehret euch und erfüllet die Erde 11.“

S. 73 Einige erklären die Erde für kugelförmig, andere für kegelförmig. Sie ist jedoch weniger und bedeutend kleiner als der Himmel, gleichsam ein Punkt, der in dessen Mitte hängt. Aber auch sie wird vergehen und verwandelt werden. Selig jedoch ist, wer die Erde der Sanftmütigen erbt 12. Denn die Erde, welche die Heiligen aufnehmen soll, ist unvergänglich. Wer könnte also die unendliche und unbegreifliche Weisheit des Schöpfers gebührend bewundern? Oder wer könnte dem Geber solcher Güter den geziemenden Dank abstatten?

[Es sind aber der bekannten Provinzen oder Statthalterschaften der Erde in Europa 34, auf dem großen Festland von Asien 48 Provinzen; Kirchenprovinzen13 12.]


  1. Gen. 1, 1. ↩

  2. Ps. 135, 6 [hebr. Ps. 136, 6]. ↩

  3. Job 26, 7. ↩

  4. Ps. 74, 4 [hebr. Ps. 75, 4]. ↩

  5. Ebd. [Ps.] 23, 2 [hebr. Ps. 24, 2]. ↩

  6. Vgl. Gen. 1, 2. ↩

  7. Dan. 13, 42 nach der Vulgata. ↩

  8. Ps. 48, 13 [hebr. Ps. 49, 13]. ↩

  9. Gen. 3, 19. ↩

  10. Ebd. [Gen.] 3, 18. ↩

  11. Ebd. [Gen.] 1, 22. 28. ↩

  12. Vgl. Matth. 5, 4. ↩

  13. κανόνες [kanones]. ↩

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Genaue Darlegung des orthodoxen Glaubens (BKV)

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