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Works John of Damascus (675-750) Expositio fidei Genaue Darlegung des orthodoxen Glaubens (BKV)
Zweites Buch

XII. KAPITEL. Vom Menschen.

So hat denn Gott die geistige Wesenheit, nämlich die Engel und alle himmlischen Ordnungen geschaffen — denn diese sind ganz offenkundig geistiger, unkörperlicher Natur: unkörperlicher, sage ich, im Zusammenhalt mit der Grobheit der Materie, in Wahrheit ist ja nur das göttliche Wesen immateriell und unkörperlich — außerdem auch noch die sinnliche [Wesenheit], Himmel und Erde, und was sich darin befindet, und zwar die eine als [ihm] verwandt — denn Gott verwandt ist die S. 78 vernünftige, nur mit dem Geiste erfaßbare Natur 1 —, die andere aber als in ganz weiter Ferne [von ihm] liegend, da sie natürlich unter die sinnliche Wahrnehmung fällt 2. Es mußte aber auch, wie der göttlich redende Gregorius 3 sagt, aus beiden (═ Geist und Sinnenwesen) eine Mischung erfolgen als Erweis einer höheren Weisheit und des großen Aufwandes betreffs der Naturen, gleichsam eine Verbindung der sichtbaren und unsichtbaren Natur. Das „es mußte“ deutet auf den Willen des Schöpfers hin. Denn dieser ist höchstgeziemendes Maß und Gesetz. Und niemand wird zu seinem Bildner sagen: Warum hast du mich so gemacht? Denn der Töpfer hat Gewalt, aus seinem Tone verschiedene Gefäße zum Beweis seiner Geschicklichkeit zu fertigen 4.

So nun verhält es sich in dieser Sache. Darum hat er (═ Gott) den Menschen aus sichtbarer und unsichtbarer Natur mit eigenen Händen und nach seinem Bild und Gleichnis 5 geschaffen. Den Leib hat er aus Erde gebildet, die vernünftige und denkende Seele aber hat er ihm durch seinen Hauch gegeben 6. Das eben nennen wir göttliches Bild. Denn das „nach dem Bilde“ bedeutet den Verstand und die Willensfreiheit, das „nach dem Gleichnis“ aber die [Gott-] Ähnlichkeit in der Tugend, soweit es möglich ist.

Der Leib und die Seele sind gleichzeitig gebildet worden, nicht das eine früher, das andere später, wie Origenes 7 töricht behauptet.

Es schuf also Gott den Menschen unschuldig, rechtschaffen, tugendhaft, leidenschaftslos, sorgenfrei, mit aller Tugend geschmückt, mit allen Gütern ausgestattet, gleichsam eine zweite Welt, in der großen eine kleine, S. 79 einen anderen Engel, einen gemischten Anbeter, einen Augenzeugen der sichtbaren Schöpfung, Kenner des Geistigen, Herrscher übers Irdische, beherrscht von oben, irdisch und himmlisch, vergänglich und unsterblich, sichtbar und geistig, in der Mitte zwischen Größe und Niedrigkeit, Geist und Fleisch zugleich: Geist auf Grund der Gnade, Fleisch in Anbetracht der Erhebung; das eine, daß er bleibe und seinen Wohltäter preise, das andere, daß er leide und durch Leiden gemahnt und gezüchtigt werde wegen seines Größenstolzes; ein Wesen, das hier, d. i. im gegenwärtigen Leben, geleitet und anderswohin, d. i. in die zukünftige Welt 8, versetzt und, was das höchste Geheimnis ist, durch die Hinneigung zu Gott vergöttlicht wird 9; vergöttlicht aber durch Teilnahme an der göttlichen Erleuchtung und nicht durch Verwandlung ins göttliche Wesen.

Er schuf ihn der Natur nach sündlos und dem Willen nach frei. Sündlos, sage ich, nicht als wäre er keiner Sünde fähig gewesen — nur das göttliche Wesen ist keiner Sünde fähig —, nein, deshalb, weil es nicht in seiner Natur, sondern vielmehr in seinem freien Willen lag, zu sündigen, oder weil er die Macht hatte, mit Hilfe der göttlichen Gnade im Guten zu verbleiben und fortzuschreiten, sowie mit Zulassung Gottes in Anbetracht seiner freien Selbstbestimmung sich auch vom Guten abzuwenden und sich zum Bösen zu gesellen. Denn was aus Zwang geschieht, ist keine Tugend.

Die Seele 10 ist eine lebendige Substanz, einfach und unkörperlich, in ihrer Natur für körperliche Augen unsichtbar, unsterblich, vernünftig, denkend, gestaltlos, sie bedient sich eines organischen Leibes und gibt diesem Leben, Wachstum, Empfindung und Zeugung; sie hat S. 80 nicht einen von ihr verschiedenen Geist 11 — dieser ist vielmehr der reinste Teil 12 von ihr. Denn wie das Auge im Leibe, so ist der Geist in der Seele — sie ist selbstmächtig, wollend und wirkend, wandelbar oder willensveränderlich, weil ja geschaffen. All das hat sie von Natur aus durch die Gnade des Schöpfers empfangen, durch die sie auch das Sein und das von Natur Sosein erhalten hat.

Wie vielerlei ist der Sinn des Wortes „unkörperlich“ 13?

Unkörperliches, Unsichtbares und Gestaltloses verstehen wir auf zweierlei Art: das eine ist [so] kraft seines Wesens, das andere kraft der Gnade, das eine ist [so] von Natur, das andere im Vergleich mit der Grobheit der Materie 14. Von Gott wird Unkörperliches ausgesagt der Natur nach, von den Engeln, Dämonen und Seelen aber der Gnade nach und im Vergleich mit der Grobheit der Materie.

Ein Körper ist ein Ding, das drei Dimensionen, oder das Länge, Breite und Tiefe oder Dicke hat. Jeder Körper besteht aus den vier Elementen, die Körper der Lebewesen aber [bestehen] aus den vier Säften.

Man muß wissen, daß es vier [Elemente] gibt: die Erde, trocken und kalt, das Wasser, kalt und feucht, die Luft, feucht und warm, das Feuer, warm und trocken 15. S. 81 Ebenso gibt es auch vier Säfte 16, die den vier Elementen entsprechen: die schwarze Galle, sie entspricht der Erde, denn sie ist trocken und kalt; das Phlegma, es entspricht dem Wasser, denn es ist kalt und feucht; das Blut, es entspricht der Luft, denn es ist feucht und warm; die gelbe Galle, sie entspricht dem Feuer, denn sie ist warm und trocken. Die Früchte nun bestehen aus den Elementen, die Säfte aus den Früchten, die Körper der Lebewesen aber aus den Säften und sie lösen sich in sie (in die Elemente) auf. Denn alles Zusammengesetzte löst sich in sie auf.

Der Mensch hat mit den beseelten, mit den unvernünftigen und vernünftigen Wesen etwas gemein 17.

Man muß wissen, daß der Mensch mit den unbeseelten Wesen etwas gemein hat, am Leben der vernunftlosen teilnimmt und der Denkkraft der vernünftigen teilhaftig ist. An den unbeseelten hat er Anteil hinsichtlich des Lebens und der Mischung aus den vier Elementen, an den Pflanzen sowohl in genannter Hinsicht als auch hinsichtlich der ernährenden, wachstumgebenden, samenbildenden oder zeugenden Kraft, an den unvernünftigen aber in erwähnter Hinsicht und überdies hinsichtlich des Verlangens, d. i. des Zornes und der Begierde, und hinsichtlich der Sinnesempfindung und hinsichtlich der Bewegungstätigkeit.

Sinnesempfindungen nun gibt es fünf: Gesicht, Gehör, Geruch, Geschmack und Tastsinn. Zur Bewegungstätigkeit gehört die Fähigkeit, von einem Ort zum andern überzugehen, den ganzen Leib zu bewegen, einen Laut zu geben und zu atmen. Denn es steht bei uns, dies zu tun oder nicht zu tun 18.

Durch die Vernunft hängt er (═ der Mensch) mit den unkörperlichen und geistigen Naturen zusammen. Denn er überlegt und denkt und beurteilt jegliches, er strebt nach Tugenden und trachtet nach dem Gipfel der Tugend, der Frömmigkeit. Deshalb ist der Mensch auch eine kleine Welt.

S. 82 Man muß wissen, daß Teilung, Fluß und Veränderung nur dem Körper eigen sind. Veränderung hinsichtlich der Beschaffenheit, wie Erwärmung, Erkältung u. dgl. Fluß hinsichtlich des Abgangs, denn es geht Trockenes und Nasses und Odem ab 19 und bedarf der Ergänzung; darum sind der Hunger und der Durst natürliche Triebe. Teilung aber ist die Trennung der Säfte voneinander und die Scheidung nach Form und Materie.

Der Seele eigen sind die Frömmigkeit und das Denken. Seele und Leib gemeinsam aber sind die Tugenden. Zwar beziehen sich auch diese auf die Seele. Allein die Seele gebraucht dazu den Leib.

Man muß wissen, daß das Vernünftige seiner Natur nach über das Unvernünftige herrscht. Es scheiden sich nämlich die Kräfte der Seele in einen vernünftigen und einen unvernünftigen [Teil]. Das Unvernünftige aber hat zwei Teile: der eine hört nicht auf die Vernunft, d. h. er gehorcht der Vernunft nicht, der andere hört auf die Vernunft und gehorcht ihr 20. Nicht hört auf die Vernunft und nicht gehorcht ihr die Lebenstätigkeit, die auch Pulstätigkeit heißt, die samenbildende oder zeugende, die Wachskraft, auch Nährkraft genannt. Zu letzterer gehört auch die mehrende, die auch die Körper gestaltet. Diese wird nämlich nicht durch die Vernunft, sondern durch die Natur geleitet. Der Teil aber, der auf die Vernunft hört und ihr gehorcht, scheidet sich in Zorn und Begierde. Der unvernünftige Teil der Seele heißt mit einem gemeinsamen Namen der leidenschaftliche (pathetische) und begehrende. Man muß jedoch wissen, daß zu dem [Teil], der der Vernunft gehorcht, auch die Bewegungstätigkeit gehört.

Zu dem [Teil], der der Vernunft nicht gehorcht, gehört die Ernährungs-, Zeugungs- und Pulsierkraft. Die mehrende, nährende und zeugende Kraft nennt man vegetativ, die pulsierende aber Lebenskraft.

Die Ernährungstätigkeit hat vier Kräfte: die aufnehmende, welche die Nahrung aufnimmt; die S. 83 behaltende, welche die Nahrung festhält und nicht zuläßt, daß sie sich sogleich ausscheidet; die verwandelnde, welche die Nahrung in die Säfte verwandelt; die ausscheidende 21, die den Überfluß durch den After ausscheidet und ausstößt.

Man muß wissen, daß von den tierischen Kräften die einen seelisch (psychisch), die andern vegetativ, die andern lebengebend (vital) sind. Seelisch sind die freiwilligen, nämlich die Bewegungstätigkeit und die Empfindung — zur Bewegungstätigkeit gehört die Fähigkeit, den Ort zu verändern, den ganzen Leib zu bewegen, einen Laut zu geben und zu atmen —, denn es steht bei uns, dies zu tun oder nicht zu tun. Die vegetativen und vitalen aber sind unfreiwillig — vegetativ sind die nährende, mehrende und samenbildende [Kraft], vital aber ist die pulsierende 22 —, denn diese sind tätig, wir mögen wollen oder nicht.

Man muß wissen, daß von den Dingen die einen gut, die andern schlecht sind. Ein erwartetes Gut weckt Verlangen, ein gegenwärtiges Freude. Ebenso wiederum ein erwartetes Übel Furcht, ein gegenwärtiges Schmerz. Zu beachten ist, daß wir unter dem Guten, von dem wir sprachen, entweder das wahrhaft Gute oder das scheinbar Gute verstanden haben, desgleichen auch unter dem Übel.


  1. Greg. Naz., Or. 38, 10 (Migne, P. gr. 36, 321 B). ↩

  2. Ebd. ↩

  3. Or. 38, 11 (Migne, P. gr. 36, 321 C). Das kursiv Gedruckte wörtlich, das übrige dem Sinne nach! ↩

  4. Vgl. Röm. 9, 20 f.; Weish. 15, 7; Is. 45, 9; 29, 16; Jer. 18, 6. ↩

  5. Vgl. Gen. 1, 26. ↩

  6. Vgl. ebd. [Gen.] 2, 7. ↩

  7. Er lehrte, die Menschenseelen, überhaupt alle Geister, seien vor aller Welt von Ewigkeit her gleich vollkommen von Gott geschaffen worden. ↩

  8. Matth. 12, 32; Eph. 1, 21; Hebr. 6, 5. ↩

  9. Das kursiv Gedruckte wörtlich aus Greg. von Nazianz, Or. 38, 11 (Migne, P. gr. 36, 324 A). ↩

  10. In der Definition der Seele lehnt sich Johannes ganz merklich an den Traktat De anima des Maximus Konfessor († 662) [Maxim. Conf. Opera ed. Combefis II (Par. 1675) 195—200; Migne, P. gr, 91, 353―362] an. ↩

  11. Platon unterschied im Menschen den Geist (νοῦς) [nous], die Seele (ψυχὴ) [psychē] und das Fleisch (σάρξ) [sarx], er nahm eine geistige und tierische Seele an, welch letztere nur den Leib belebte. Auf Grund der Platonischen Trichotomie lehrte Apollinaris der Jüngere, Bischof von Laodicea († um 390), der Logos habe wohl den menschlichen Leib und die menschliche unvernünftige Seele, nicht aber die vernünftige Seele oder den νοῦς [nous] angenommen. An Stelle des letzteren sei er selber getreten. ↩

  12. Nach Maximus Konfessor, der am Schlusse seines eben erwähnten Traktates Opera ed. Combefis, I. c. S. 200; Migne, l. c. 362) vom Geist (νοῦς) [nous] sagt: „Er ist von der Seele das Reinste und Vernünftige.“ ↩

  13. Randglosse. ↩

  14. Das kursiv Gedruckte fast wörtlich aus Doctr. Patr. de incarn. Verb. c. 33, S. 253, 4―7. ↩

  15. Das kursiv Gedruckte wörtl. aus Nem., De nat. hom. c. 5 l. c. S. 151. ↩

  16. Folgendes nach Nem., l. c. c. 4, S. 145 f. ↩

  17. Randglosse. ↩

  18. Das kursiv Gedruckte fast wörtlich aus Nem., l. c. c. 27, S. 249. ↩

  19. Das kursiv Gedruckte wörtlich aus Nem., l. c. c. 1, S. 48. ↩

  20. Nem., l. c. c. 16, S. 214 f. ↩

  21. Das kursiv Gedruckte wörtl. aus Nem., l. c. c. 23, S. 236. Hier wird über diese vier Kräfte ausführlich gesprochen. ↩

  22. Das kursiv Gedruckte fast wörtlich aus Nem., l. c. c. 27, S. 249 f. ↩

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