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Werke Johannes von Damaskus (675-750) Expositio fidei Genaue Darlegung des orthodoxen Glaubens (BKV)
Zweites Buch

XXIV. KAPITEL. Vom Freiwilligen und Unfreiwilligen.

Das Freiwillige liegt in einem gewissen Handeln, und das, was als unfreiwillig gilt, liegt in einem gewissen Handeln. Viele nehmen aber auch das wirklich Unfreiwillige nicht bloß im Leiden, sondern auch im Handeln an. Darum muß man wissen, daß Handlung eine vernünftige Tätigkeit ist. Den Handlungen folgt Lob oder Tadel. Die einen davon vollbringt man mit Freud’, die andern mit Leid. Die einen davon sind dem Handelnden erwünscht, die andern verhaßt. Von den erwünschten sind die einen immer erwünscht, die andern nur zu einer gewissen Zeit. Dasselbe gilt auch von den verhaßten. Und wiederum: Die einen Handlungen läßt man Erbarmen finden und würdigt sie der Nachsicht, die andern aber haßt und straft man. Dem Freiwilligen nun folgt jedenfalls Lob oder Tadel, man tut es mit Freude, und die Handlungen sind den Handelnden erwünscht, entweder immer oder zu der Zeit, da sie geschehen. Dem Unfreiwilligen aber [folgt]: Man würdigt es der Nachsicht oder des Erbarmens, man tut es mit Schmerz, [die Handlungen] sind nicht erwünscht 1, man vollbringt die Tat nicht aus sich selbst, auch wenn man dazu gezwungen wird.

Das Unfreiwillige geschieht teils aus Zwang, teils aus Unwissenheit. Aus Zwang, wenn das wirkende S. 99 Prinzip oder die Ursache von außen stammt 2, d. h. wenn wir von einem andern gezwungen werden, ohne daß wir uns überhaupt bereden lassen oder aus eigenem Antrieb beistimmen oder überhaupt mitwirken oder durch uns selbst das Erzwungene tun. Das können wir auch so definieren: Unfreiwillig ist das, dessen Prinzip von außen stammt, ohne daß der Gezwungene aus eigenem Antrieb beistimmt 3. Unter Prinzip aber verstehen wir die Wirkursache. Das Unfreiwillige aus Unwissenheit ist dann gegeben, wenn wir nicht selber an der Unwissenheit schuld sind, sondern es sich zufällig so trifft 4. Wenn z. B. jemand im Rausch einen Mord begeht, so hat er zwar unwissend getötet, aber wahrlich nicht unfreiwillig. Denn die Ursache der Unwissenheit, nämlich den Rausch, hat er selbst hervorgerufen. Wenn aber einer, der am gewohnten Orte schießt, den vorbeigehenden Vater tötet 5, so sagt man, er habe dies aus Unwissenheit unfreiwillig getan.

Da es also eine doppelte Art von Unfreiwilligem gibt, nämlich das aus Zwang und das aus Unwissenheit, so steht das Freiwillige beiden gegenüber. Denn freiwillig ist, was weder aus Zwang noch aus Unwissenheit geschieht. Freiwillig ist also das, dessen Prinzip, d. i. Ursache, in dem ist, der selber alle Einzelheiten kennt, wodurch und worin die Handlung besteht. Einzelheiten aber sind das, was bei den Rednern Umstände heißt 6; z. B. wer, d. i. der, der gehandelt hat; wen, d. i. den, der gelitten hat; was, d. i. die Tat selbst, etwa: er hat getötet; wodurch, d. i. durch welches Werkzeug; wo, d. i. an welchem Ort; wann, d. i. zu welcher Zeit; wie, d. i. die Art und Weise der Handlung; warum 7, d. i. aus welchem Grunde.

Man muß wissen, daß manches in der Mitte zwischen Freiwilligem und Unfreiwilligem steht. Obwohl dies unerfreulich und betrübend ist, tun wir es doch um S. 100 eines größeren Übels willen. So werfen wir des Schiffbruchs wegen hinaus, was im Schiffe ist 8.

Man muß wissen, daß die Kindlein und die vernunftlosen Wesen zwar freiwillig, aber wahrlich nicht aus Wahl handeln, und daß wir alles, was wir im Zorn tun, ohne zu überlegen, freiwillig, doch wahrlich nicht auch vorsätzlich tun. Auch der Freund begegnet uns plötzlich, zwar freiwillig (erwünscht) für uns, aber wahrlich nicht auch mit unserem Vorsatz. Und wer unverhofft auf einen Schatz gestoßen, ist freiwillig, aber wahrlich nicht auch vorsätzlich auf ihn gestoßen 9. All das ist zwar freiwillig, weil wir uns darüber freuen, aber wahrlich nicht auch vorsätzlich, weil ohne Überlegung. Eine Überlegung muß aber jedenfalls, wie gesagt, der Wahl (dem Vorsatz) vorausgehen.


  1. Kap. 24 bis hierher fast wörtlich aus Nem., l. c. c. 29, S. 264 f. ↩

  2. Nem., l. c. c. 30, S. 265. ↩

  3. l. c. S. 266. ↩

  4. l. c. c. 31, S. 272. ↩

  5. I. c. ↩

  6. Nem., l. c. c. 32, S. 274 f. ↩

  7. l. c. c. 31, S. 272 f. ↩

  8. Cf. Nem., l. c. c. 30, S. 265. ↩

  9. l. c. c. 33, S. 277 f. ↩

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