XXVI. KAPITEL. Von dem, was geschieht.
Das, was geschieht, steht teils in unserer Macht, teils nicht. In unserer Macht steht das, was wir in freier Entscheidung tun oder lassen können, d. i. das, was von uns freiwillig getan wird — man würde ja nicht sagen, daß es freiwillig getan wird, stünde das Tun nicht in unserer Macht —, kurz das, worauf Tadel oder Lob folgt, und wofür es Aufmunterung und Gesetz gibt. Im eigentlichen Sinn aber steht in unserer Macht alles, was unsere Seele angeht und worüber wir beraten. Die Beratung aber betrifft das, was gleich (so oder so) möglich ist. Gleichmöglichkeit besteht da, wo sowohl das wie sein Gegenteil in unserer Macht liegt. Die Wahl darüber trifft unser Verstand, dieser ist Anfang (Prinzip) der Handlung. Das also steht in unserer Macht, was gleich möglich ist, wie z. B. sich bewegen und sich nicht bewegen, angreifen und nicht angreifen, das nicht Notwendige begehren und nicht begehren, lügen und nicht lügen, geben und nicht geben, sich freuen, wo man soll, und ebenso sich nicht freuen, wo man nicht soll, und alles dergleichen, worin die Werke der Tugend und der Schlechtigkeit bestehen. Denn hierüber sind wir unser eigener Herr. Zu dem gleich Möglichen gehören auch die Künste 1. Denn es steht bei uns, sie zu betreiben, wenn wir wollen, und sie nicht zu betreiben.
Man muß aber wissen, daß zwar die Wahl dessen, was zu tun ist, immer in unserer Macht steht 2, die S. 103 Ausführung jedoch infolge eines bestimmten Verhaltens der göttlichen Vorsehung oft verhindert wird 3.