XVII. KAPITEL. Von der Vergottung der Fleischnatur und des Willens des Herrn.
S. 167 Man muß wissen: Nicht weil ein Übergang oder eine Verwandlung oder Veränderung oder Vermischung der Natur erfolgte, sagt man, das Fleisch des Herrn sei vergottet und Mitgott und Gott geworden, wie der Theologe Gregorius sagt: „Wovon das eine vergottete, das andere „vergottet wurde“ und, ich wage zu sagen, Mitgott [wurde], und es sei Mensch geworden, was salbte, und Gott, was gesalbt wurde. Denn das [sagt man] nicht mit Rücksicht auf eine Verwandlung der Natur, sondern mit Rücksicht auf die heilsordnungsmäßige, d. i. hypostatische Einigung, wonach es (═ das Fleisch) unzertrennlich mit dem Gott-Logos geeint ist, wie wir auch von einem Feurigwerden des Eisens reden. Wie wir die Menschwerdung ohne Verwandlung und Veränderung bekennen, so glauben wir auch, daß die Vergottung des Fleisches geschah. Denn weder trat das Wort deshalb, weil es Fleisch wurde, aus den Grenzen seiner Gottheit und der ihr zukommenden göttlichen Vollkommenheiten heraus, noch wurde durch die Vergottung das Fleisch in seiner Natur oder seinen natürlichen Eigentümlichkeiten verwandelt. Es sind nämlich auch nach der Einigung sowohl die Naturen unvermengt als deren Eigenschaften unversehrt geblieben. Das Fleisch des Herrn aber gewann ob seiner reinsten, nämlich seiner hypostatischen Einigung mit dem Worte die göttlichen Wirksamkeiten, ohne irgendeinen Verlust seiner natürlichen Eigenschaften zu erleiden 1. Denn nicht in eigener Wirksamkeit, S. 168 sondern kraft des mit ihm geeinten Wortes wirkte es das Göttliche 2, durch dasselbe erwies das Wort seine eigene Wirksamkeit. Es brennt ja das feurig gemachte Eisen nicht, weil es durch seine Natur die brennende Wirksamkeit besitzt, sondern weil es dieses durch seine Vereinigung mit dem Feuer erlangt hat 3.
Das nämliche (═ das Fleisch) ist also sterblich ob seiner selbst und lebendigmachend ob seiner hypostatischen Einigung mit dem Worte. Desgleichen behaupten wir auch die Vergottung des Willens, nicht als wäre seine natürliche Bewegung (Tätigkeit) verändert worden, sondern weil sie mit seinem göttlichen und allmächtigen Willen vereint ward und derselbe der Wille des menschgewordenen Gottes wurde. Daher konnte er nicht aus sich selbst verborgen bleiben 4, als er wollte, da es dem Gott-Logos gefiel, daß die in ihm wirklich vorhandene Schwäche des menschlichen Willens sich zeige. Er wirkte aber, als er wollte, die Reinigung des Aussätzigen 5 wegen der Vereinigung mit dem göttlichen Willen.
Man muß aber wissen, daß die Vergottung der Natur wie des Willens ganz klar und deutlich die zwei Naturen und die zwei Willen erkennen läßt. Denn wie das Feurigwerden nicht die Natur des Feuriggewordenen in die des Feuers verwandelt, sondern sowohl das Feuriggewordene als das Feurigmachende anzeigt, und nicht eines, sondern zwei ausdrückt, so stellt auch die Vergottung nicht eine einzige, zusammengesetzte Natur S. 169 her, sondern [zeigt] die beiden und ihre hypostatische Einigung [an]. Darum sagt der Theologe Gregorius 6: „Von denen das eine vergottete und das andere vergottet wurde.“ Denn da er sagte: „Von denen das eine und das andere“, hat er zwei aufgezeigt.
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Das kursiv Gedruckte findet sich wörtlich in der Doctr. Patr. in dem Scholion zu einem den Namen des Bischofs Theodotus von Ancyra († vor 446) tragenden Fragment, dessen Text Diekamp in den Schriften des Theodotus nicht gefunden (Doctr. Patr. S. LII). Johannes hat den Text des Scholions manchmal umgestellt. Siehe Doctr. Patr. de incarn. Verb. S. 127, 8 ff. und 128, 6 ff. Die von Johannes angeführten Worte Gregors von Nazianz sind zum Teil nur dem Sinne nach zitiert. Der Damaszener hat aus drei Stellen in Gregors Reden eine einzige gemacht. Der erste Satz: „Wovon das eine vergottete, das andere vergottet wurde“, ist wörtlich aus Greg. Naz., Or. 38, 13 (Migne, P. gr. 36, 325 C) genommen. Das übrige: „und, ich wage zu sagen, Mitgott [wurde], und es sei Mensch geworden, was salbte, und Gott, was gesalbt wurde“, ist eine ziemlich freie Kombination zweier Gregorstellen (Or. 45, 13 Migne, P. gr. 36, 641 A und Or. 30, 21 Migne, P. gr. 36, 132 BC), die auch das Scholion enthält (Doctr. Patr. S. 127, 13—20). ↩
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Dieser kursiv gedruckte Satz stimmt, wie Diekamp (Doctr. S. LXVIII) gleichfalls wahrgenommen, wörtlich mit einer Randglosse der Doctrina S. 129 zu Zeile 16 überein. ↩
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Davon handelt das ebenerwähnte Fragment des Theodotus (Doctr. Patr. 126, 22 ff. u. 127, 1—7). ↩
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Mark. 7, 24. ↩
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Matth. 8, 3. ↩
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Or. 38, 13 (Migne, P. gr. 36, 325 C). ↩