12. Kap. Auch den bloßen Schein buhlerischer Absichten muß man meiden und sich einfach kleiden.
Möchten wir keinen Wunsch haben als den, zu gerechtem Tadel keinen Anlaß zu bieten! Um wieviel mehr aber verdient es Tadel, wenn Ihr, die Ihr Priesterinnen der Keuschheit genannt werdet, nach Weise schamloser Weiber geputzt und angestrichen einhergehet! Was tun denn die unglücklichen Opfer der öffentlichen Lust weniger? Wenn sie auch durch gewisse Gesetze von den Auszeichnungen ehrbarer Frauen und Matronen ausgeschlossen wurden, so hat die Verkommenheit des Zeitalters, die alle Tage zunimmt, sie den ehrbarsten Frauen längst zum Verwechseln gleichgestellt. Indessen das Buhlen mit der Gestalt gesellt sich immer zu einem entweihten Körper, wie schon die Hl. Schrift andeutet, es gehört zu ihm und ist ihm angemessen. Jene feste Stadt, welche auf dem Berge und über den vielen Wassern thront, hat sich vom Herrn die Benennung Hure zugezogen1. Durch welche Kleidung ist sie zu dieser ihrer Benennung gekommen? Sie saß da, in Purpur und Scharlach, mit Gold und Edelsteinen, Wie verwerflich müssen die Dinge sein, ohne welche eine Verworfene und Prostituierte sich nicht beschreiben läßt! Thamar schien dem Juda, weil sie sich geschminkt und geschmückt hatte, in verdächtigen Absichten da zu sitzen2. Weil sie sich unter einem Schleier verbarg und sich lügnerisch das Aussehen einer feilen Dirne gab, so begehrte er ihrer als einer solchen, redete sie darauf an und machte einen Vertrag mit ihr. Daraus lernen wir, daß wir uns vor unsittlichen Zusammenkünften und derartigem Verdacht auf jede Weise hüten müssen. Denn warum sollte die Unschuld eines keuschen Gemütes durch den bei ändern erregten Verdacht befleckt werden? Warum sollte man mir S. 201 zutrauen, was ich verabscheue? Warum sollte nicht mein Charakter durch meine Kleidung gekennzeichnet sein, damit die Seele nicht durch das Ohr an der Ehrbarkeit Schaden leide? Man darf sich das Aussehen einer züchtigen Person geben, das einer unzüchtigen nicht.