Einleitung
S. 321 Der ältere Bruder des heiligen Ambrosius, Satyrus mit Namen,1 der in der Advokatur wie in der Administration gleiche Lebenslaufbahn mit dem Bruder verfolgt und dann auch für ihn die Besorgung der häuslichen und zeitlichen Geschäfte übernommen hatte, starb im Jahre 379. Die innige Liebe, welche der Heilige zu dem Hingeschiedenen gehegt, bestimmte ihn, zunächst vor der Bestattung eine Leichenrede zu halten, welche seiner Liebe herrlichen Ausdruck gab, aber auch offendeckte, wie durchgreifend die Seelenähnlichkeit beider gewesen. Am siebenten Tage darauf hielt Ambrosius eine zweite Rede am Grabmale des Bruders, weniger persönlichen als dogmatischen Inhaltes, indem er S. 322 darlegte, wie wir durch den Tod allen irdischen Sorgen entrissen würden und durch ihn zur Auferstehung gelangten.
Beide Reden hat Ambrosius später mit einigen Zusätzen unter gemeinschaftlichem Titel zu einer besonderen Schrift zusammengefügt. Die Manuscripte führen meist die Aufschrift: „Incipiunt, libri II sancti Ambrosii Episcopi de excessu Satyri fratris sui et de resurrectione mortuorum.“ Die Theilung erweist sich aus dem Inhalte als begründet, weßhalb auch das zweite Buch unter dem besonderen Titel „de fide resurrectionis“ aufgeführt wird.
Darin, daß der Bruder dem Bruder die Leichenrede hält, und daß er aus dem Tode des Bruders Veranlassung nimmt, dem gläubigen Volke auch die Trostrede über den Glauben an die Auferstehung zu halten, können wir nichts Auffälliges finden. Die Demuth des Heiligen hindert das Ausarten in Selbstlob, und die Hingabe des ganzen Menschen an das Christenthum läßt schwachnervige Sentimentalität nicht aufkommen. Der heil. Gregor von Nazianz hat in gleicher Weise beim Tode seines Vaters und Bruders, wie seiner Schwester die Trauerrede gehalten.
Uranio Satyro supremum frater honorem
Martyris ad laevam detulit Ambrosius.
Haec meriti merces, ut sacri sanguinis humor
Finitimas penetrans adluat exuvias.
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In dem Epitaphium, dessen Abfassung auch wohl dem heil. Ambrosius zugeschrieben wird, findet sich neben Satyrus der Name Uranius, aber kaum als Eigenname, sondern als Beiwort für „himmlisch-verklärt“. Das Epitaphium lautet mit Bezugnahme auf den heil. Martyrer Victor: ↩