Text.
Dem geliebtesten Bruder Rufus (sendet) Bonifacius (seinen Gruß).
1. Wir glaubten, daß nach Übersendung unserer Briefe zum Zwecke der Beobachtung der kirchlichen Disciplin allen Anmaßungen schon im Beginne entgegengetreten werden müsse, da wir auf die Anfrage deiner Liebe nach Würdigung der Angelegenheiten unsere Antwort abgegeben und bestimmt haben, es sei das zu beachten, was die kirchliche Disciplin fordert. Allein insoweit uns jetzt der Bericht deiner Heiligkeit Ausschluß gab, ersahen wir, daß bei den Meisten das, was wir geschrieben, gewirkt habe, bei Einigen aber unsere Ermahnung vergeblich gewesen. Auch das können wir deiner Brüderlichkeit nicht zur Last legen, da wir deine Ängstlichkeit in der Obsorge für die dir anvertrauten Kirchen aus Thaten und Briefen kennen. Wir loben deine emsige Wachsamkeit, da du, um bezüglich der dir gewordenen Aufträge nicht nachlässig zu erscheinen, es nicht unterlässest, brieflich anzuzeigen, was die Censur des apostolischen Stuhles verbessern muß, da du erklärtest, du habest vor unserem Gott jene Furcht, welche geziemend in dem klügsten Bischofe sein solI, welche dir dann zum Ruhme wird gereichen können, wenn wir den Nutzen der deiner Sorge anheimgestellten Aufträge für die Kirchen erfahren hahen werden. Denn auf dich sieht, wie du es selbst in deinen Briefen im Glauben ausgesprochen, der selige Apostel Petrus mit seinen Augen, auf welche Weise du das Amt eines obersten Re- S. 329 gierers verwaltest. Auch kann Derjenige nicht anders als dir ganz nahe sein, welcher zum beständigen Hirten über die Schafe des Herrn aufgestellt ist, oder irgend eine Kirche von seiner Obsorge ausschließen, da auf ihm, wie wir lesen, das Fundament der ganzen Kirche ruht.
2. Dich also, theuerster Bruder, trifft die ganze Sorge für jene Kirchen, welche dir an Stelle des apostolischen Stuhles, wie du ersehen magst, von uns übergeben wurden, auf daß du das Böse verbesserst, das Zerstreute ordnest, die etwa unter Bischöfen entstandenen Streitigkeiten in der Furcht vor dem göttlichen Gerichte beilegest, daß du von den dir vom apostolischen Stuhle anvertrauten Regierungsvollmachten gegen alle Fluthen der sich erhebenden Stürme einen gerechten und klugen Gebrauch machest.
3. Du sagtest, daß du allen Denen, welchen wir vorher die Richtschnur ihres Handelns vorgezeichnet, unsere Schreiben übergeben habest; die große Mehrzahl der Bischöfe, eingedenk der heiligen Überlieferungen, erklärte, ihnen den geziemenden Beifall zu zollen; Diese umfassen wir in brüderlicher Liebe. Als Solche erkennen wir unsern Mitbischof Adelphius oder den Bruder Perigenes, welchem schon längst der Ausspruch des seligen Concils seine Zustimmung ertheilte. Ihn berief, sage ich, zur Bischofswürde schon Gottes Stimme, dessen Wohlthaten wir oft für widerwärtig halten und als Unglück auffassen, von denen wir später erkennen, daß sie uns zum Heile waren. Dieß bestätigt das Beispiel der gegenwärtigen Angelegenheit. Ohne Zweifel war unser Mitbischof Perigenes betrübt, da ihn nach seiner Ordination Niemand annahm. War es ihm nicht von Nutzen, daß ihn die Patrenser durch übereinstimmenden Widerspruch von ihrer Stadt fernhielten? Allein je tiefer er niedergebeugt war, da ihn nach seiner Ordination Niemand annahm, desto höher steht er jetzt, da er von den Seinigen begehrt wird, nachdem er von Fremden verschmäht wurde. Klar und deutlich nemlich (zeigt sich da) Gottes S. 330 Urtheil, der ihn jenen Zeitpunct erwarten ließ, wo er zum Bischofe jener Kirche erhoben zu werden verdiente, in welcher er geboren und wiedergeboren sein soll.
4. Weil1 nun deiner Klugheit die Last deiner Pflichten oder Vollmachten obliegt, geht auch dich, theuerster Bruder, das Ansuchen der Bittsteller mit Rücksicht entweder auf die schon längst getroffene Wahl deines Eifers oder in Folge der Nachbarschaft2 an. Wir lasen dieses Ansuchen nicht ohne Verwunderung, da es eines (Begleit-) Schreibens von dir entbehrte. Mögest du (daher), nachdem du Alles in der von der Sache geforderten Ordnung vorgenommen, uns ein Schreiben übersenden; denn wir wollen unseren Brief an den Mitbischof Perigenes nicht früher abgehen lassen, bevor wir dein Schreiben erhalten, da deiner Anordnung Alles übergeben ist. Du wirst dich hiemit wegen der Sehnsucht der Bittsteller beeilen. Du weißt es ja noch besser, daß sie sich für diese Bitte, wie ich glaube, nur aus Ergebenheit gegen die Religion ereifern, vorzüglich, da sie behaupten, daß er durch unzählige Jahre sich tadellos in der Würde des Priesterthums gehalten und nicht mit einem ungeziemenden Sprung, sondern von Stufe zu Stufte auf den höchsten Gipfel emporgekommen sei. Ihm erübrigt zur vollkommenen Bestätigung seiner Bischofswürde nur mehr das Eine, daß er in seiner Würde noch nicht eine Ansprache von uns erhielt. Ich zweifle aber nicht, daß deine Liebe Dieß nicht ohne Staunen vernehme, daß wir weder ihm einen Brief übersandten noch3 den Bittstellern eine Antwort gaben. S. 331 Dieß geschah deßhalb von uns, damit sowohl die Auctorität des apostolischen Stuhles als auch die Ehre deiner Lieben gewahrt werde. Gegeben am 19. September unter dem Consulate des erlauchten Monarius. 4
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S. oben die letzte Note 2 zum vorgehenden Briefe, S. 327. ↩
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Bonifacius giebt hiemit zwei Gründe an, weßhalb er die Bittschrift der Corinthier dem Rufus überschickt, einmal weil er schon von Innocentius mit der Sorge für jene Kirchen betraut war, dann weil er als benachbarter Metropolit von der Wahrheit des Sachverhalts die beste Kenntniß haben und erlangen konnte. ↩
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Nach Coustant‘s Verbesserung des et in nec. ↩
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Da wir dieses Datum mit dem ganzen 4. Absätze dem vorhergehenden Briefe vindiciren, so können wir dieses Schreiben nur vermuthungsweise auf das Ende des J. 419 oder den Anfang 420 datiren. ↩