Text.
1. Ich kannte dich zwar nach dem dich überaus hoch- S. 332 preisenden Rufe und hörte durch sehr zahlreiche und ebenso wahrhafte Berichte, mit welch großer Gnade Gottes du erfüllt seiest, seligster und verehrungswürdiger Papst Bonifacius. Allein nachdem dich mein Bruder Alypius auch dem Leibe nach gesehen, von dir auf das gütigste aufgenommen worden und mit dir Gespräche der aufrichtigsten gegenseitigen Liebe wechselte und trotz des kurzen Verkehrs mit dir dennoch in großer Liebe mit dir vereinigt wurde, sich und mich zugleich in deine Seele ergoß und dich mir in der seinigen überbrachte, wurde meine Kenntniß von deiner Heiligkeit um so größer, je sicherer die Freundschaft geworden. Denn du, dem Hochmuth fern ist, verschmähst es trotz deines hohen Vorranges nicht, ein Freund der Niedrigen zu sein und Liebe mit Liebe zu erwidern. Denn was Anderes ist die Freundschaft, welche nur von der Liebe1 den Namen erhielt und nur in Christus treu ist, in dem allein sie ewig und glücklich sein kann? Daher wagte ich es, nachdem ich durch jenen Bruder, durch welchen ich dich inniger kennen lernte, größeres Vertrauen gewonnen, an deine Heiligkeit Etwas über jene Angelegenheiten zu schreiben, welche in dieser Zeit die bischöfliche Sorgfalt, wenn eine in uns ist, zur Wachsamkeit für die Heerde des Herrn neuerdings aneifern.
2. Die neuen Häretiker nemlich, die Feinde der Gnade Gottes, welche den Kleinen und Großen durch unsern Herrn Jesus Christus gegeben wird, lassen, obwohl sie schon durch eine ganz deutliche Verurteilung als zu Meidende bezeichnet werden, dennoch nicht davon ab, durch ihre Schriften die Herzen minder Vorsichtiger oder minder Gelehrter in Versuchung zu führen. Man sollte ihnen allerdings erwidern, daß sie sich und die Ihrigen in jenem verruchten Irrthume nicht bestärken mögen, obgleich wir nicht besorgen, daß sie irgend einen Katholiken durch ihre Scheinreden hin- S. 333 tergehen. Da sie aber nicht aufhören, gegen die Hürden der Heerde des Herrn zu knirschen und deren Zugänge von allen Seiten zu unterwühlen, um die für so kostbaren Preise erkauften Schafe zu zerreissen, und da uns allen, die wir das Bischofsamt verwalten (obwohl du selbst hierin durch einen höheren Rang hervorragst), die Hirtenwacht gemeinsam obliegt, so wende ich, nach Maßgabe des mir zugewiesenen Amtes und der mir vom Herrn auch auf deine Bitten verliehenen Kräfte, Alles auf, den verderblichen und arglistigen Schriften heilende und schützende Schriften entgegenzustellen, durch welche ihre rasende Wuth entweder selbst geheilt oder an der Verletzung Anderer gehindert werde.
3. Das aber, was ich auf die zwei Briefe derselben erwidere, den einen nemlich, welchen Julianus 2 nach Rom geschickt haben soll, um, wie ich glaube, durch ihn Anhänger zu finden oder zu gewinnen, den anderen aber, welchen achtzehn Bischöfe als Genossen seines Irrthums nicht an Unbestimmte, sondern, um den Bischof jenes Ortes durch ihre List zu berücken und wenn möglich auf ihre Seite zu bringen, nach Thessalonich3 zu schreiben wagten, das also, was ich, wie ich sagte, auf die zwei Briefe derselben in vorliegender Abhandlung erwidere, beschloß ich vor Allem deiner Heiligkeit zu senden, nicht damit du lernest, sondern prüfest und das etwa Mißfällige verbesserst. Denn mein Bruder zeigt mir an, daß du sie selbst ihm zu übergeben geruhtest, nachdem sie nur durch den wachsamsten Eifer unserer Brüder, deiner Söhne, in deine Hände gelangen konnten. Ich sage aber deiner aufrichtigsten Wohlgeneigtheit für uns meinen Dank, daß du mich über jene Briefe der Feinde der Gnade Gottes nicht in Unwissenheit lassen S. 334 wolltest, in welchen du meinen Namen mit Schmähungen und deutlich angeführt fandest.4 Ich hoffe aber vom Herrn unserm Gott, daß Jene mich mit .ihren Lästerzungen nicht ohne Himmelslohn zerreissen, denen ich mich um der Kleinen willen entgegenstelle, damit diese nicht dem arglistigenSchmeichler Pelagius zum Verderben anheimfallen, sondern dem wahrhaften Erlöser Christus zur Rettung dargebracht werden.
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Amicitia ex amore. ↩
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S. oben S. 289 den 18. Brief des P. Zosimus. ↩
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S. diesen Brief, welchen Julianus und seine Anhänger, die sich in der Adresse als Märtyrer des katholischen Glaubens ausgaben, an Rufus sandten, in Marii Mercatoris Op. dissert. V. in Migne, Patrol. lat. t. XLVIII. p. 534. ↩
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Den Schluß ergänzte ich aus S. Aug. Op. ed. Maur. p. 413, da kein Grund vorliegt, diese Worte vm Brieftexte auszuschließen. ↩