2. (Cap. 1.)1 Über Prosper und Hilarius, welche einige Priester Galliens als Anhänger des Pelagius anklagen.
Unsere Söhne Prosper und Hilarius, deren Eifer für unseren Gott alles Lob verdient, berichteten uns, als sie hier weilten, daß es dort2 den Priestern, ich weiß nur nicht welchen, erlaubt sei, in ihrem Bestreben, Uneinigkeit in den Kirchen zu stiften, Fragen, welche nicht zur Lehre S. 479 gehören, aufzuwerfen, und daß sie, indem sie hartnäckig dabei verharren, der Wahrheit Widersprechendes predigen. Wir aber rechnen es mit mehr Recht euerer Liebe an, wenn Diese über euch eine Erlaubniß zum Disputiren haben. Wir lesen, daß der Schüler nicht über den Meister sei,3 d. h. es dürfe sich Niemand zur Unbilde gegen die Lehrer die Lehre4 anmassen. Denn wir wissen, daß Diese selbst von unserem Gott zum Lehren eingesetzt seien, da ihnen nach dem Worte des Apostels5 der dritte Rang in der Kirche eingeräumt werden muß. Was kann man dort noch hosfen, wo die Meister schweigen, Jene aber reden, welche, wenn es sich so verhält, nicht deren Schüler gewesen? Ich fürchte, daß dazu schweigen soviel als zustimmen sei. Ich fürchte, daß nicht vielmehr Jene selbst reden, welche ihnen gestatten, so zu reden. In solchen Dingen ist das Schweigen nicht frei vom Verdachte, weil die Wahrheit entgegen treten würde, wenn die Falschheit Mißfallen fände. Mit Recht trifft die Sache uns, wenn wir durch Schweigen den Irrthum nähren würden. Solche müssen demnach zurechtgewiesen werden.Es sei ihnen nicht erlaubt, nach ihrem Willen Reden zu halten. Nicht mehr soll, wenn dem so ist, Neues das Alte angreifen, nicht mehr Unruhe den Frieden der Kirchen stören. Oft sucht man Die durch Schiffbruch zu verderben, welche, weil sie innerhalb des Hafens standen, ihr sicherer Standplatz sorglos macht. Sicher nemlich ist der Standplatz Aller, welche sich von ihrem rechten Pfade nicht abbringen lassen. 6 Die Obengenannten suchten Hilfe beim apostolischen Stuhle, indem sie über die Versuche der Ruhestörung Klage führten. Haltet also, theuerste Brüder, Rath um den Frieden des katholischen Volkes ! Sie aber mögen wissen, daß sie, wenn sie schon Priester sind, dennoch der Würde nach euch unterworfen seien. Sie S. 480 mögen wissen, daß Alle, welche Falsches lehren, vielmehr lernen als lehren sollen. Was thut denn ihr in den Kirchen, wenn Jene in der Predigt den Ausschlag geben? Wenn nicht etwa Das entgegensteht, was jedoch auf keinen Ausspruch oder sonst einen Grund hin vermuthet wird, daß Einige aus der Zahl der Brüder, die vielleicht erst jüngst aus dem Laienstande in unser Collegium aufgenommen wurden, die ihnen zustehenden Rechte nicht kennen. Über Diese 7 wurde Vieles schon damals gesagt, als wir das Schreiben des Bruders Tuentius erwiderten. Nun aber wiederholen wir unsere Ermahnung neuerdings: man meide Diejenigen, welche einen anderen Samen in die Erde pflanzen wollen, als dieser unser Säemann (zu pflanzen) befahl. Wir können uns aber darüber nicht verwundern, wenn Diese Solches jetzt gegen Lebende wagen, welche auch das Andenken der verstorbenen Brüder zu zerstören suchen.
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Capitel-Eintheilung und Ueberschrift nach Dionysius Exiguus. ↩
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In Gallien. ↩
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Luk. 6, 40. ↩
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D. i. das Lehramt. ↩
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I. Cor. 12, 28. ↩
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Quorum perfectis gressibus vestigia non moventur. ↩
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Ob hierunter die neulich ans dem Laienstande plötzlich zum Bisthum Erwählten zu verstehen seien oder die neuerungssüchtigen Priester, ist fraglich; wahrscheinlich die Letzteren. Ob der hier genannte Bischof Tuentius mit jenem Tuentius identisch sei, über welchen P. Zosimus in seinem 5. Schreiben (s. oben p. 250) sagt, daß seine Weihe zum Bischofe ungiltig und er daher vom Klerikate gan auszuschließen sei, ist gleichfalls unsicher, doch möglich. Keinesfalls besitzen wir den hier erwähnten Brief des P. Cölestinus an Bischof Tuentius. ↩