Text.
Sixtus, der Bischof, (entbietet) dem Johannes, Bischof von Antiochien (seinen Gruß).
1. Wenn deine Liebe den Ruhm des kirchlichen Körpers und dessen Unversehrtheit in Betracht ziehen will, so wird sie gewiß keine Erklärung unserer Freude suchen. Denn die Dinge selbst sagen es ganz deutlich, daß unser Kummer durch die plötzliche Kunde unseres heiligen Bruders Cyrillus in Freude verwandelt wurde. Dieser unseren so großen Sorge enthoben zu sein, erfreut uns, nachdem Demjenigen, welcher sich an unserem Glauben versündigte, deine Heilung Ärger und Verdruß bereitete. 1
2. Nun fühlt er sich in Wahrheit verbannt, nun fühlt S. 567 er sich verstoßen;2 es gedeihen ihm in der Einöde die Disteln im Überfluß, weil ihm die Traube fehlt, die er sammeln könnte. Solche Früchte hat Der, welcher dem Weinberge unseres Herrn keine Pflege angedeihen lassen wollte. Ich glaube, daß deiner Liebe der Verlauf und die Ordnung der Dinge bekannt geworden, auf welche Weise wir durch unsere Ermahnung ihm zu Hilfe kommen wollten. Als er dem Abgrunde zugieng, hielten wir ihn zurück, da er durch das Gewicht seiner Gotteslästerungen schon in die Tiefe stürzen sollte. Wenn wir die Beschaffenheit der Verhandlung gerecht würdigen, wird es Jedem offenbar werden, daß Nestorius spät verurtheilt wurde. Hiemit sei der Vergangenheit Genüge geleistet. Wir wollen nun das gegenwärtige Gute genießen und nicht in dem Traurigen lange verweilen, da uns der Herr Freude schenkte.
3. Die ganze Brüderschaft, welche zu meinem Geburtstage3 versammelt war, hörte es, auf welche Weise du deine Freude ausdrückst, daß ich zum Besten des Menschengeschlechtes dem apostolischen Stuhle vorstehe.4 Wenn Dieß auch mein Verdienst überschreitet und ich mir es nicht zuschreiben kann, so nehme ich doch den Beginn deiner Rede mit Dank auf, weil du alles Streites überhoben bist, der du Christus unsern Herrn zum Heile des Menschengeschlechtes, so, wie er geboren ist, bekennst. In Folge dessen giebst du der Kirche den Morgenstern5 und stets Leuchten- S. 568 den. Aber auch euch, ja Alle, die ihr das Zeichen jenes Lichtes auf der Stirne traget, bekennen wir für Morgensterne. So mögen also alle Bischöfe des Herrn, welche den Glauben verkündigen, Morgensterne sein und überall leuchten.
4. Auch Nestorius sei jener Lucifer, von dem geschrieben ist:6 „Der Lucifer fiel, der am Morgen aufgieng." Er fiel, aber er fiel aus Hochmuth, er wurde herabgestürzt, da er sich anschickte in den Himmel aufzusteigen und seinen Sitz über den Sternen des Himmels aufzurichten und versprach, er werde dem Höchsten ähnlich sein. Jener wollte sich dem Höchsten ähnlich machen, Dieser machte den Hochsten sich ähnlich. Denn er lehrte, daß er nur als Mensch geboren worden, indem er das Geheimniß der Menschwerdung beseitigte und Das entkräftete, ja sogar bekämpfte, worauf nach dem Symbolum unser Glaube beruht ; wir müssen die Urheber der Kriege bei Seite lassen; es ist ungeziemend, zur Zeit des Sieges noch über die Kämpfe zu verhandeln.
5. Welch' offenbareren Beweis, welch' größere Rechtfertigung kann es hier für den Glauben geben als die Siegespalme?7 Genießen wir die uns durch Gott bescheerte Wohlthat und Freude, daß wir wieder als Brüder zusammen zu wohnen angefangen! 8 Wir wollen, daß deine S. 569 Heiligkeit Das predige, was du schreibst. Du hast es an dem Ausgange dieser Angelegenheit erfahren, was es bedeutet, mit uns einer Gesinnung zu sein. 9 Der heilige Apostel Petrus überlieferte, was er empfangen, an seine Nachfolger. Wer wollte sich von seiner Lehre trennen, da ihn der Lehrmeister selbst als den Ersten unter den Aposteln belehrte? Er empfieng seinen Unterricht nicht durch das, was er von einem Anderen hörte, auch nicht durch's Lesen; er wurde mit den Anderen durch den Mund des Lehrers unterwiesen. Er brauchte nicht nach einer Schrift oder nach Schriftstellern zu fragen; er empfieng den abgeschlossenen und einfachen Glauben, fern von aller Streitigkeit; diesen müssen wir stets betrachten und festhalten, damit wir, mit reinem Sinne den Aposteln folgend, den apostolischen Männern beigezählt zu werden verdienen. Keine geringe Last, keine kleine Mühe liegt uns ob, damit von der Kirche des Herrn alle Makel und Runzel fern sei.
6. Wie sehr wir stets hiefür besorgt sein müssen, bezeugt die Sorge der gütigsten und christlichsten Kaiser. Erwäge, theuerster Bruder, mit welcher Wachsamkeit sie sich der himmlischen Angelegenheit hingegeben. Sie kannten keine Ruhe, wenn es galt, über diese nachzudenken, und sie liessen sich nicht herab, für das Irdische zu sorgen, wenn sie nicht dem Himmlischen Genüge geleistet hätten. Wie oft regte ihr Wort den apostolischen Stuhl, wie oft die verschiedenen Brüder an! Sie widmeten sich der Angelegenheit Desjenigen, welcher ihrem Kaiserreiche nie seinen Schutz versagte. Sie wissen, daß sie ihre Sorgfalt Jenem mit Gewinn schenken, welcher sie mit großen Zinsen wiedergiebt. Dessen sollen wir uns rühmen, weil wir sehen, daß der himmlische Herrscher die irdischen Herrscher zu Ver- S. 570 bündeten hat. Es sind, wie David sagt,10 verständig und weise Diejenigen, welche die Erde richten, da, wie er anderswo11 sagt, sie selbst und alle Völker den Namen des Herrn preisen.
7. Weil also, wie der Apostel sagt,12 der Glaube e i n e r ist, der auch siegreich die Oberhand behielt, so lasset uns das, was zu verkünden ist, glauben und, was (gläubig) festzuhalten ist, verkünden! Keine Freiheit sei mehr der Neuerung gestattet, weil dem Alten Nichts hinzugefügt werden darf. Der reine und klare Glaube der Vorfahren soll durch keine Beimischung verunreinigt werden. Er hat den von uns erprobten Bruder und Mitbischof Maximianus, den Bischof der Kirche von Constantinopel, welcher dort nach göttlichem Rathschlusse consecrirt worden, damit die nachfolgende Süße der Einfalt die durch das Gift der Schlauheit eingegossene Krankheit überwinde, da er daselbst nichts Anderes wird predigen können, als was wir glauben, als was er von meinen Vorgängern in unserer Gesellschaft häufig hörte. Gegeben am 17. September unter dem 15. Confulate des Theodosius und dem des Maximus.
Postquam rei fidei nostri tui fuit sanitas poenitudo; die Rückker des Joannes zur Kirche war Dem, welcher sich an dem Glauben durch falsche Lehren vergangen hatte, d. i. dem Nestorius, ein Gegensand des Verdrusses. ↩
Weil ihn sein mächtiger Freund verlassen und aufgeben hat; Johannes hatte es sogar beim Kaiser erwirkt, daß Nestorius aus dem Kloster Antiochiens, weiI er nicht abließ seine Gotteslästerungen zu verbreiten, für immer in die Einöde verbannt wurde. ↩
S. oben S. 562 Note 2 im vorhergehenden Briefe. ↩
Nach der Ergänzung Coustants, welcher die Lücke nach me praeside ... ausfüllt mit: (praeside)re me gratuleris. ↩
Lucifer kommt hier nach einander in 3facher Bedeutung vor; zuerst ist darunter Christus selbst zu verstehen, welchen Johannes dadurch, daß er das Geheimniß der Menschwerdung bekannte, als Morgenstern, als Retter der Kirche wieder schenkte, da Neestorius durch seme Irrlehre die Person und das Werk des Erlösers aufhob. Hierauf nennt der Papst den Johannes und alle mit ihm Zurückkehrenden Morgensterne, insoferne sie durch ihr gutes Beispiel und den rechten Glauben Allen vorleuchten. Nestorius endlich wird Lucifer genannt nach dem gefallenen Engel. ↩
Is. 14, 12. ↩
Mit Bezug auf I. Joh. 5, 4 will der Papst sagen: Da der wahre Glaube stets zum Siege gelangt, so ist der von uns über unsere Gegner errungene Sieg der offenbarte beweis dafür, daß wir den wahren Glauben haben. ↩
Ps. 132, 1. ↩
D. h. mit dem apostolischen Stuhle; dieser Gedanke wird nun näher ausgeführt und begründet; eine treffende Belegstelle füir die Lehrprärogative des apostolischen Stuhles. ↩
Ps. 2, 10. ↩
Ps. 148, 12. ↩
Eph. 4, 5. ↩
