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Über die Seele. (BKV)
53. Cap. Wenn die Seelenkräfte beim Sterben nach und nach abnehmen, so ist das nicht auf ein Verlöschen der Seele zu deuten, sondern es hat seinen Grund im Wesen der Krankheit.
Irgendwohin aber wird sich die entkleidete und hinausgestossene Seele wenden müssen? Ohne Zweifel. Wir werden der Reihe nach verfahren. Zuerst wollen wir jedoch, was hierher gehört, abmachen, damit S. 367 man nicht, da wir verschiedenartige Ausgänge des Todes angenommen haben, von uns Rechenschaft über alle einzelnen erwarte. Dies muss man vielmehr den Ärzten überlassen, vor welche die Beurteilung der den Tod bewirkenden Dinge oder Ursachen sowie der körperlichen Dispositionen dazu gehört.
Ich will nur, um auch in dieser Hinsicht die Unsterblichkeit der Seele zu sichern, bei Erwähnung des Todes etwas über jene Art des Hinsterbens einfliessen lassen, wobei die Seele nach und nach stückweise hinschwindet. Denn sie scheidet dann mit dem äussern Anschein des Verlöschens, indem sie aufgezehrt zu werden scheint, und gibt durch ihr allmähliches Fortgehen Anlass zu der Vermutung, sie vergehe. Aber ihr Verhalten innerhalb wie ausserhalb des Körpers ist ein einheitliches. Wie nämlich der Verlauf eines solchen Todes auch immer sei, er ist ohne Zweifel eine Zerstörung entweder von Stoffen einzelner Körperteile oder der Lebensgänge. Unter den Stoffen verstehe ich Blut und Galle, unter den Körperteilen Herz und Leber, unter den Lebensgängen die Puls- und Blutadern. Wenn also diese Dinge infolge einer besonderen schädigenden Ursache im Körper verwüstet werden, bis zur äussersten Zerstörung und Auflösung der zum Leben erforderlichen, das ist der naturgemässen Grenzen, Lagen und Verrichtungen, so sieht sich auch die Seele, indem ihre Werkzeuge, Wohnsitze und Räume nach und nach zerfallen, allgemach notwendig gedrängt, auszuwandern und wird hinausbefördert, so dass der Schein einer Abnahme derselben entsteht, nicht anders, als wie wenn der Fuhrmann zu mangeln scheint, sobald ihm die Pferde aus Übermüdung den Dienst versagen, und dies geschieht infolge der Beschaffenheit des Menschen, der verlassen wird, nicht in der Weise eines wirklichen Vorganges. Ebenso steht der Fuhrmann des Körpers, der Lebensodem, still, nicht an sich, sondern wegen des stillstehenden Fuhrwerks, er lässt ab von seinem Thun, nicht von seiner Lebenskraft, er wird matt in seinem Handeln, nicht in seinem Sein, er verzehrt seine Beständigkeit, nicht seine Ständigkeit, weil er aufhört, nicht –— zu sein, sondern zu erscheinen. Jeder plötzliche Tod, z. B. ein Bruch des Genicks, der auf einmal die Thür soweit aufthut, und die Apoplexie, dieses innere Zusammensinken, gestattet der Seele keinen Verzug und zerlegt nicht ihren Ausgang martervoll in die einzelnen Momente. Hingegen wo der Tod ein langsamer ist, da verlässt die Seele in derselben Weise, wie sie verlassen wird. Doch wird sie keineswegs bei dieser Todesart in Stücke zerschnitten, sondern sie wird herausgezogen, und indem sie herausgezogen wird, lässt sie ihr Endstück als einen Teil erscheinen. Aber nicht jedes, was ein Teil ist, ist darum losgetrennt, weil es das Spätere ist, auch geht es nicht deshalb, weil es klein ist, sofort zu Grunde. Das Endglied folgt seiner ganzen Reihe, der mittlere Teil zieht sich nach dem obern hin, und der Rest, der mit dem S. 368 Ganzen zusammenhängt, wird von demselben nur erwartet, nicht aber im Stich gelassen. Darum möchte ich zu sagen wagen, der letzte Teil des Ganzen sei das Ganze, weil er, obwohl geringer und später, doch zu ihm gehört.
Daher kommt es, dass die Seele bei der Trennung selbst oft kräftiger handelt mit sorgsamem Umblick und ausserordentlicher Redseligkeit, während sie, ihrer grösseren Masse nach schon freigestellt, durch den Rest, der noch im Körper zögernd zurückbleibt, mitteilt, was sie sieht, hört und zu erkennen anfängt. Denn wenn dieser unser Körper, nach dem Ausspruche Platos ein Kerker, nach dem des Apostels1 aber, weil er sich in Christus befindet, ein Tempel Gottes ist, so schnürt er doch jetzt immer noch die Seele durch seine Umklammerung ein, verdunkelt und benebelt sie durch das anhaftende Fleisch, obwohl er Christo zugehört. Daher kommt es, dass für sie die Beleuchtung der Dinge eine trübere ist, wie durch einen hörnernen Fensterverschluss. Ohne Zweifel wird sie durch die Gewalt des Todes aus dem Zusammenhang mit dem Fleische hinausgepresst und durch eben dieses Hinauspressen gereinigt. Sicherlich dringt sie durch den Vorhang des Leibes hindurch ins Freie zu dem reinen, lauteren, ihr eigentümlichen Lichte, erkennt sofort sich selbst in der leichteren Substanz und erwacht in der Freiheit zur Göttlichkeit, wie man im Schlafe von Traumbildern zur Wirklichkeit auffährt. Alsdann teilt sie mit, was sie sieht, dann ist sie froh oder verzagt, je nachdem ihr die Beschaffenheit ihres Aufenthaltsortes zusagt und der Gesichtsausdruck beschaffen ist, den ihr sogleich der Engel zeigt, der Aufrufer der Seelen, der Merkur der Dichter.
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I. Kor. 3, 16. ↩
Edition
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De Anima
LIII. DE ANIMARVM EXCESSV.
[1] Sed quo deinde anima nuda et explosa deuertit, sine dubio prosequemur ex ordine; prius tamen quod est loci huius explebimus, ne, quia uarios exitus mortis ediximus, expectet quis a nobis rationes singulorum medicis potius relinquendas, propriis arbitris omnium letalium rerum siue causarum et ipsarum corporalium condicionum. [2] Plane ad immortalitatem animae hic quoque protegendam in mentione mortis aliquid de eiuscemodi exitu interstruam, in quo paulatim ac minutatim anima dilabitur; habitum enim sustinens defectionis abducitur, dum absumi uidetur, et coniecturam praestat interitus de excessus temperatura. Tota autem in corpore et ex corpore est ratio. Nam quisquis ille exitus mortis, sine dubio aut materiarum aut regionum aut uiarum uitalium euersio est: materiarum, ut fellis, ut sanguinis; regionum, ut cordis, ut iecoris; uiarum, ut uenarum, ut arteriarum. [3] Dum igitur haec ex propria quaque iniuriae causa uastantur in corpore ad usque ultimam euersionem et rescissionem uitalium, id est naturalium, finium situum officiorum, necessario et anima dilabentibus paulatim instrumentis et domiciliis et spatiis suis paulatim et ipsa migrare compulsa deducitur in deminutionis effigiem, non alio modo quam quo et aurigam ipsum quoque defecisse praesumitur, cum uires equorum defatigatio denegauit, quantum de dispostione destituti hominis, non de passionis ueritate. Perinde auriga corporis, spiritus animalis, deficiens uectaculi nomine, non suo deficit, opere decedens, non uigore, actu elanguens, non statu, constantiam, non substantiam decoquens, quia comparere cessat, non quia esse. [4] Sic et rapida quaeque mors, ut ceruicum messis, semel ac tantam ianuam pandens, ut ruinae uis semel omnia uitalia elidens, ut apoplexis, interior ruina, nullam animae moram praestat nec discessum eius in momenta discruciat, at ubi longa mors, prout deseritur anima, ita et deserit; non tamen conciditur hac facie, sed extrahitur, et dum extrahitur, postremitatem suam partem uideri facit. Non omnis autem pars statim et abscisa est, quia postera est, nec quia exigua est, statim et ipsa peritura est. Sequitur seriem suus finis et mediocritas trahitur a summa et reliquiae uniuersitati cohaerentes expectantur ab illa, non derelinquuntur. Atque ita ausim dicere: totius ultimum totum est, quia, licet minus atque posterius sit, ipsius est. [5] Hinc denique euenit saepe animam in ipso diuortio potentius agitari sollicitiore obtutu, extraordinaria loquacitate, dum ex maiore suggestu iam in libero constituta per superfluum quod adhuc cunctatur in corpore enuntiat quae uidet, quae audit, quae incipit nosse. Si enim corpus istud Platonica sententia carcer, ceterum apostolica dei templum, cum in Christo est, sed interim animam consepto suo obstruit et obscurat et concretione carnis infaecat, unde illi, uelut per corneum specular, obsoletior lux rerum est. [6] Procul dubio cum ui mortis exprimitur de concretione carnis et ipsa expressione colatur, certe de oppanso corporis erumpit in apertum ad meram et puram et suam lucem, statim semetipsam in expeditione substantiae recognoscit et in diuinitatem ipsa libertate resipiscit, ut de somnio emergens ab imaginibus ad ueritates. Tunc et enuntiat et uidet, tunc exultat aut trepidat, prout paraturam deuorsorii sui sentit, de ipsius statim angeli facie, euocatoris animarum, Mercurii poetarum.