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Über die Seele. (BKV)
6. Cap. Dass sie eine solche besitze, dafür sprechen die Beobachtungen des Arztes Soranus und andere Gründe.
Hiergegen erheben die Platoniker mehr aus Spitzfindigkeit als mit Grund Schwierigkeiten. Ein jeder Körper, sagen sie, ist notwendigerweise entweder belebt oder unbelebt. Und dann wird er, wenn unbelebt, von aussen her, wenn belebt, von innen her in Bewegung gesetzt. Die Seele aber dürfte wohl nicht von aussen bewegt werden, als welche nicht unbeseelt ist, und auch nicht von innen, weil sie es vielmehr selber ist, die den Körper bewegt. Daher werde sie wohl kein Körper sein, da sie nicht nach der herkömmlichen Art der Körper von irgend einer Stelle aus in Bewegung gesetzt wird.
Hierbei dürften wir uns nun zunächst über das Unzutreffende der Definition zu wundern haben, die sich auf etwas beruft, was auf die Seele nicht passt. Es geht nämlich nicht an, dass man sagt, die Seele sei entweder etwas Belebtes oder etwas Unbelebtes, da sie es gerade ist, welche den Körper zu einem Belebten macht durch ihre Anwesenheit, und zu einem Leblosen durch ihre Abwesenheit von ihm. Sie kann also nicht ihre eigene Wirkung selber sein und etwas Belebtes oder Lebloses genannt werden. Denn Seele wird sie genannt in Hinsicht auf ihre Substanz. Wenn das, was die Seele ist, sich nun die Benennung Belebtes oder Unbelebtes nicht gefallen lässt, wie kann man sich da auf die Form der belebten und unbelebten Körper berufen?
Sodann, wenn es das Kennzeichen eines Körpers ist, von aussen her durch etwas bewegt zu werden, und wir nun zeigen, dass auch die Seele von anderen Faktoren bewegt wird, z. B. wenn sie weissagt, wenn sie raset, d. h. also von aussen, da ja das Bewegende ein anderes S. 295 ist, so werde ich nach der vorgetragenen Analogie mit vollem Recht das, was von einem andern von aussen her bewegt wird, für einen Körper ansehen. Ist es nun eine Eigenschaft des Körpers, von einem andern bewegt zu werden, um wie viel mehr noch ist es eine solche, selbst einen andern Körper zu bewegen! Die Seele aber setzt den Körper in Bewegung, und ihre desfallsigen Bemühungen treten äusserlich zutage. Von ihr nämlich kommt es her, wenn die Füsse zum Gehen, die Hände zum Erfassen, die Augen zum Sehen, die Zunge zum Sprechen angetrieben werden, indem sie unter der Oberfläche automatenartig die Bewegung bewirkt. Woher hat die unkörperliche Seele die Kraft dazu? Wie kann ein wesenloses Ding materielle Dinge fortbewegen?
Aber wie kommt es, dass beim Menschen die körperlichen und geistigen Sinnesthätigkeiten getrennt erscheinen? Man sagt, die Sinne des Körpers, z. B. Gesicht und Gefühl, melden uns die Eigenschaften der körperlichen Dinge, wie der Erde oder des Feuers, die nicht körperlichen dagegen passen für das Intellektuelle, wie Güte und Bosheit. Daher stehe es fest, dass die Seele unkörperlich sei, weil ihre Eigenschaften nicht mit den körperlichen Sinnen, sondern mit den intellektuellen erfasst würden. Das soll gelten, so lange bis ich dieser Auffassung Platz zu greifen verwehre. Aber siehe da, ich zeige, dass auch Unkörperliches unter die körperlichen Sinneswahrnehmungen falle, der Ton unter das Gehör, die Farbe unter das Gesicht, der Duft unter den Geruch; nach der Analogie davon tritt die Seele auch mit dem Körper in Verbindung. Daher kann man nicht sagen, dass diese Dinge, weil sie mit Körperlichem in Verbindung treten, mit den körperlichen Sinnen aufgefasst würden. Wenn es also feststeht, dass unkörperliche Dinge von den körperlichen erfasst werden, warum sollte nicht auch die Seele, welche unkörperlich ist, durch Körperliches angezeigt werden? Die Annahme ist ganz gewiss abgewiesen.
Zu den vorzüglichsten Beweisführungen gehört auch, dass man glaubt, jeder Körper ernähre sich durch Körperliches, die Seele aber, als ein Unkörperliches, durch Geistiges, nämlich durch das Streben nach Weisheit. Aber auch dies ist keine haltbare Stellung, da ein in der methodischen Heilkunde so unterrichteter Gewährsmann wie Soranus, die Antwort gibt, die Seele ernähre sich ebenfalls durch körperliche Dinge, ja, sie werde, wenn sie auszugehen droht, durch Speise meistens gehalten. Natürlich, wenn letztere gänzlich fehlt, so verlässt die Seele den Körper. So hat denn auch Soranus, der über die Seele am ausführlichsten — in vier Büchern — geschrieben hat und in allen philosophischen Lehren bewandert ist, der Seele eine körperliche Substanz vindiziert, aber sie dabei freilich um die Unsterblichkeit gebracht. Denn nicht alle sind zum Glauben berufen, wie die Christen.
S. 296 Wie Soranus einerseits zeigt, dass sich die Seele von körperlichen Dingen ernährt, so müsste der Philosoph andererseits ähnlich den Beweis liefern, dass sie von Unkörperlichem lebe. Es hat aber noch niemals jemand einer Seele, wenn sie zu scheiden im Begriffe stand, den Honigseim Platonischer Beredsamkeit eingegeben und noch keine hat dann die Brocken der Subtilitäten des Aristoteles verschluckt. Was sollen vollends die Seelen so vieler ungebildeten Menschen und Barbaren anfangen, welche das Brot der Weisheit nicht besitzen und doch in ungeschulter Klugheit stark sind, die ohne Akademien, ohne attische Säulenhallen und Sokratische Kerker, mit Einem Wort, ungespeist und ungetränkt von aller Philosophie, dennoch leben? Denn der Substanz der Seele selber hilft ja das Genährtsein durch Studien nichts, sondern nur ihrem Verhalten, da sie die Seele nicht fetter machen, sondern sie nur zieren.
Zum guten Glück behaupten die Stoiker, auch die Künste seien körperlich. Also ist die Seele selbst dann auch körperlich, wenn sie mit den Künsten genährt worden ist. Bei ihrem hohen Fluge pflegt die Philosophie häufig nicht auf den Weg zu sehen. So kam es, dass Thales in den Brunnen fiel. Sie pflegt auch wohl, indem sie ihre eigenen Meinungen nicht versteht, an das Dasein einer Krankheit zu denken. Daher griff Chrysipp zum Niesswurz. Etwas der Art, vermute ich, ist ihm zugestossen, als er leugnete, dass zwei Körper in einem sein können, wobei er Augen und Sinn gar nicht auf die Schwangern richtete, welche doch jeden Tag nicht einen, sondern sogar zwei und drei Körper im Bereich ihres einzigen Uterus tragen. Ist doch im Civilrechte von einer Griechin die Rede, welche eine Fünfheit von Söhnen zur Welt gebracht hat, zugleich Mutter von allen, mehrfache Gebärerin bei einem einzigen Fötus, vielfältige Kindbetterin bei einem einzigen Uterus, welche, von so vielen Körpern, ich möchte fast sagen, von einem ganzen Volke umringt, selber der sechste Körper war. Die ganze Schöpfung bezeugt es, dass Körper, die aus Körpern hervorgehen sollen, sich bereits an derselben Stelle befinden, von wo sie hervorgehen sollen. Was aus einem andern entsteht, muss notwendig das Zweitfolgende sein. Nichts aber entsteht aus einem andern, als wenn es erzeugt wird. Dann sind es zwei.
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De Anima
VI.
[1] Haec Platonici subtilitate potius quam ueritate conturbant. Omne, inquiunt, corpus aut animale sit necesse est aut inanimale. Et si quidem inanimale est, extrinsecus mouebitur, si uero animale, intrinsecus. Anima autem nec extrinsecus mouebitur, ut quae non sit inanimalis, nec intrinsecus, ut quae ipsa potius moueat corpus. Itaque non uideri eam corpus, quae non corporalium forma ex aliqua regione moueatur. [2] Ad hoc nos mirabimur incongruentiam primo definitionis prouocantis ad ea quae in animam non conueniunt. Non enim potest anima animale corpus dici aut inanimale, cum ipsa sit quae aut faciat corpus animale, si adsit, aut inanimale, si absit ab illo. Itaque quod facit non potest esse ipsa, ut dicatur animale uel inanimale. Anima enim dicitur substantiae suae nomine. (3.) Quodsi non capit animale corpus dici aut inanimale, quod est anima, quomodo prouocabitur ad animalium et inanimalium corporum formam? [3] Dehinc si corporis est moueri extrinsecus ab aliquo, ostendimus autem supra moueri animam et ab alio, cum uaticinatur, cum furit, utique extrinsecus, cum ab alio, merito quod mouebitur extrinsecus ab alio secundum exempli propositionem corpus agnoscam. Enimuero si ab alio moueri corporis est, quanto magis mouere aliud? Anima autem mouet corpus, et conatus eius extrinsecus foris parent. Ab illa est enim impingi et pedes in incessum et manus in contactum et oculos in conspectum et linguam in effatum, uelut sigillario motu superficiem intus agitante. Vnde haec uis incorporalis animae? Vnde uacuae rei solida propellere? [4] Sed quomodo diuisi uidentur in homine sensus corporales et intellectuales? Corporalium aiunt rerum qualitates, ut terrae, ut ignis, corporalibus sensibus renuntiari, ut tactui, ut uisui, incorporalium uero intellectualibus conueniri, ut benignitatis, ut malignitatis. Itaque incorporalem esse animam constat cuius qualitates non corporalibus, sed intellectualibus sensibus comprehendantur. [5] Plane, si non huius definitionis gradum exclusero. Ecce enim incorporalia ostendo corporalibus sensibus subici, sonum auditui, colorem conspectui, odorem odoratui, quorum exemplo etiam anima corpori accedit, ne dicas idcirco ea per corporales renuntiari sensus, quia corporalibus accedant. Igitur si constat incorporalia quoque a corporalibus comprehendi, cur non et anima, quae corporalis, ab incorporalibus renuntietur? Certe definitio exclusa sit. [6] De insignioribus argumentationibus erit etiam illa, quod omne corpus corporalibus ali iudicant, animam uero, ut incorporalem, incorporalibus, sapientiae scilicet studiis. Sed nec hic gradus stabit etiam Sorano methodicae medicinae instructissimo auctore respondente animam corporalibus quoque ali, denique deficientem a cibo plerumque fulciri. Quidni? quo adempto in totum dilabitur ex corpore. Ita etiam ipse Soranus plenissime super anima commentatus quattuor uoluminibus et cum omnibus philosophorum sententiis expertus corporalem animae substantiam uindicat, etsi illam immortalitate fraudauit. Non enim omnium est credere quod Christianorum est. [7] Sicut ergo Soranus ipse rebus ostendit animam corporalibus ali, proinde et philosophus exhibeat illam incorporalibus pasci. Sed nemo unquam cunctanti de exitu animae mulsam aquam de eloquio Platonis infudit aut micas de minutiloquio Aristotelis infersit. Quid autem facient tot ac tantae animae rupicum et barbarorum, quibus alimenta sapientiae desunt, et tamen indoctae prudentia pollent, et sine academiis et porticibus Atticis et carceribus Socratis, denique ieiunantes a philosophia, nihilominus uiuunt? Non enim substantiae ipsi alimenta proficiunt studiorum, sed disciplinae, quia nec opimiorem animam efficiunt, sed ornatiorem. Bene autem quod et artes Stoici corporales affirmant. Adeo sic quoque anima corporalis, si et artibus ali creditur. [8] Sed enormis intentio philosophiae solet plerumque nec prospicere pro pedibus (sic Thales in puteum), solet et sententias suas non intellegendo ualetudinis corruptelam suspicari (sic Chrysippus ad elleborum). Tale aliquid, opinor, ei accidit, cum duo in unum corpora negauit, alienata a prospectu et recogitatu praegnantum, quae non singula cotidie corpora, sed et bina et terna in unius uteri ambitu perferunt. Inuenitur etiam in iure ciuili Graeca quaedam quinionem enixa, filiorum semel omnium mater, unici fetus parens multiplex, unici uteri puerpera numerosa, quae tot stipata corporibus, paene dixerim populo, sextum ipsa corpus fuit. [9] Vniuersa conditio testabitur corpora de corporibus processura iam illic esse unde procedunt. Secundum sit necesse est quod ex alio est. Nihil porro ex alio est, nisi, dum gignitur, duo sunt.