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Werke Gregor der Grosse (540-604) Regula pastoralis Buch der Pastoralregel (BKV)
Dritter Teil: Wie der Seelsorger, der ein gutes Leben führt, seine Untergebenen lehren und ermahnen muß

VIII. Kapitel: Wie man Hochmütige und wie man Kleinmütige ermahnen muß

Anders muß man Hochmütige, anders Kleinmütige ermahnen. Da jene sich selbst sehr viel zutrauen, verachten und beschimpfen sie andere; diese aber nehmen sich ihre Schwachheit viel zu sehr zu Herzen und geraten leicht in Verzweiflung. Jene schätzen all ihr Tun möglichst hoch ein; diese dagegen glauben, ihr ganzes Tun und Lassen habe keinen Wert, und wollen darüber ganz verzweifeln. Darum muß man, wenn man Hochmütige zurechtweisen will, eingehend ihre Werke prüfen, um ihnen zu zeigen, daß sie gerade darin Gott mißfallen, worin sie sich selbst gefallen.

Dann nämlich weisen wir die Hochmütigen am besten zurecht, wenn wir ihnen zeigen, daß ihre vermeintlichen guten Handlungen eigentlich Sünden sind, damit ihnen heilsame Beschämung zuteil werde, wo sie Ehre verdient zu haben glauben. Wenn sie es aber nicht einsehen, daß das Laster des Hochmutes in ihnen steckt, so kommen S. 145 sie bisweilen schneller zur Einsicht, wenn man ihnen einen andern offensichtlichen und naheliegenden Fehler vorhält; aus dem Fehler, den sie nicht verteidigen können, sehen sie dann, daß das unhaltbar ist, was sie in Schutz nehmen. Als darum Paulus sah, wie die Korinther sich hochfahrend untereinander benahmen und der eine dem Paulus, der andere dem Apollo, wieder ein anderer dem Kephas, ein vierter Christo anzugehören1 erklärte, da griff er das Laster der Blutschande heraus, das bei ihnen begangen worden und unbestraft geblieben war, und sagte: „Man hört von Unzucht unter euch, und gar von solcher Unzucht, wie sie selbst unter den Heiden nicht vorkommt, daß nämlich jemand das Weib seines Vaters hat. Und ihr seid aufgeblasen und nicht vielmehr in Trauer versetzt, damit der aus eurer Mitte hinweggeschafft werde, welcher diese Tat begangen hat!“2 Er wollte damit sagen: Warum nennt ihr euch hochmütig Anhänger dieses oder jenes, die ihr doch durch Vernachlässigung der Zucht beweiset, daß ihr keinem angehöret?

Das Gegenteil ist bei den Kleinmütigen der Fall. Man führt sie am geeignetsten auf den rechten Weg zurück, wenn man nebenbei ihre guten Seiten berührt und so einiges anerkennt und lobt, während man anderes an ihnen rügen muß; auf diese Weise soll ihr schwaches Selbstgefühl wieder gehoben werden, das durch die Rüge darniedergedrückt wurde. Gar oft aber kommen wir bei ihnen am besten zum Ziel, wenn wir auch ihre guten Werke erwähnen. Ferner, wenn sie irgend etwas nicht recht gemacht haben, so soll sich unsere Ermahnung nicht auf das schon Geschehene beziehen, sondern wir wollen gleichsam etwas für die Zukunft verhindern. Durch dieses wohlwollende Lob, das man den Kleinmütigen spendet, wird einerseits der Eifer im Guten gesteigert, andrerseits wirkt die sanfte Ermahnung, wenn etwas zu tadeln war, um so sicherer. Als darum Paulus S. 146 vernahm, daß die Thessaloniker, welche bei der Predigt treu verharrten, sich von einer gewissen Kleinmütigkeit hatten einnehmen lassen, als ob das Ende der Welt schon nahe bevorstehe, da lobt er zuerst an ihnen ihren unverkennbaren Starkmut und kräftigt dann mit vorsichtiger Ermahnung ihre Schwachheit. Er sagt: „Dank sagen müssen wir Gott allezeit euretwegen, Brüder, wie es sich gebührt, weil euer Glaube über die Maßen zunimmt und euer aller gegenseitige Liebe sich überaus mehrt, so daß auch wir selbst uns euer vor den Gemeinden Gottes rühmen wegen eurer Geduld und eurer Treue.“3

Nachdem er dieses freundliche Lob ihres Wandels vorausgeschickt, fügt er bald darauf an: „Wir bitten euch aber, Brüder, bei der Ankunft unseres Herrn Jesus Christus und bei unserer Vereinigung mit ihm, daß ihr nicht so schnell wankelmütig werdet, noch euch erschrecken lasset, weder durch Geisteseingebung noch durch einen Ausspruch noch durch einen Brief, als kämen sie von uns, wie wenn der Tag des Herrn nahe bevorstehe.“4 Dadurch erreichte dieser echte Lehrmeister, daß sie zuerst unter der Form des Lobes anhörten, was sie weiter beachten sollten, dann unter der Form der Ermahnung, was sie zu befolgen hätten. Es sollte das vorausgeschickte Lob ihre Herzen stärken, damit sie nicht durch die nachfolgende Ermahnung in Verwirrung gerieten. Und obwohl er wußte, daß sie durch Furcht vor dem nahen Weltende in Aufregung versetzt waren, tadelte er sie doch nicht wegen dieser Aufregung, sondern wollte sie, als ob er vom Geschehenen nichts wisse, für die Zukunft vor Aufregung bewahren. Dadurch suchte er zu erreichen, daß sie in der Meinung, ihr Prediger wisse nicht, wie leicht sie sich hatten erregen lassen, sich davor fürchten sollten, von ihm erkannt und dann mit Recht getadelt zu werden.

S. 147


  1. 1 Kor. 1, 12. ↩

  2. Ebd. 5, 1 ff. ↩

  3. 2 Thess. 1, 3 f. ↩

  4. Ebd. 2, 1 f. ↩

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