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Works Gregory I, pope (540-604) Regula pastoralis Buch der Pastoralregel (BKV)
Dritter Teil: Wie der Seelsorger, der ein gutes Leben führt, seine Untergebenen lehren und ermahnen muß

XIX. Kapitel: Wie man diejenigen zu ermahnen hat, die unmäßig, und wie diejenigen, die enthaltsam im Genuß der Nahrung sind

Anders muß man die Schwelger, anders die Mäßigen ermahnen. Denn bei jenen ist überflüssiges Gerede, leichtsinniges Handeln und Wollust im Gefolge, bei diesen aber oft Ungeduld, oft auch die Sünde des Stolzes. Wenn die Schwelger nicht ungezügelte Geschwätzigkeit mit sich fortrisse, so würde nicht jener Reiche, von dem es heißt, daß er täglich glänzende Mahlzeit gehalten, an der Zunge besonders heftige Feuerqualen leiden müssen, da er sagt: „Vater Abraham, erbarme dich meiner und sende den Lazarus, daß er die Spitze seines Fingers ins Wasser tauche und meine Zunge abkühle; denn S. 185 ich leide große Pein in dieser Flamme.“1 Aus diesen Worten geht hervor, daß er bei seinen täglichen Gelagen häufig mit der Zunge sündigte, da er, obwohl am ganzen Leibe brennend, doch vor allem für die Zunge Erfrischung erbat. Daß die Schwelger von leichtsinnigen Werken nicht frei bleiben, bezeugt die heilige Lehre mit den Worten: „Das Volk setzte sich hin, um zu essen und zu trinken; sodann standen sie auf, sich zu belustigen.“2 Häufig verleitet dann die Eßgier zur Wollust; denn da sie den Leib übersättigt, regt sie den Stachel böser Begierlichkeit an. Darum wurde dem schlauen Feinde, der bei dem ersten Menschen die Sinnlichkeit durch die Begierde nach einem Apfel erweckte und ihn so ins Garn der Sünde lockte, von Gott gesagt: „Auf der Brust und dem Bauche sollst du kriechen.“3 Das will offenbar heißen: Durch Einflüsterung von Gedanken und durch Verführung zur Völlerei wirst du herrschen über die menschlichen Herzen. Daß der Schwelgerei die Wollust auf dem Fuße folgt, bezeugt auch der Prophet, der bei einem geschichtlichen Bericht einen geheimen Sinn andeutet, indem er sagt: „Der Oberste der Köche zerstörte die Mauern Jerusalems.“4 Der Oberste der Köche ist nämlich der Bauch, dem die Köche mit vieler Sorge dienen, auf daß er mit köstlichen Speisen sich anfülle. Die Mauern Jerusalems aber sind die Tugenden einer Seele, die sich zum Verlangen nach dem himmlischen Frieden erhoben hat. Der Oberste der Köche also zerstört die Mauern Jerusalems, d. h. wenn der Leib in Schwelgerei sich anfüllt, werden die Tugenden der Seele durch Wollust zugrunde gerichtet.

Wenn dagegen die Ungeduld nicht häufig die Seelen der Mäßigen um ihre Ruhe bringen würde, so hätte Petrus seinem Worte: „Betätiget in eurem Glauben die sittliche Tatkraft, in der sittlichen Tatkraft aber die Erkenntnis, in der Erkenntnis die Enthaltsamkeit“ nicht S. 186 sogleich mit Bedacht das andere beigefügt: „In der Enthaltsamkeit die Geduld.“5 Er sah eben voraus, daß den Enthaltsamen Geduld fehlen werde, und mahnte darum, diese sich anzueignen. Würden ferner die Gedanken der Enthaltsamen nicht bisweilen von der Sünde des Stolzes angesteckt, so hätte Paulus nicht gesagt: „Wer nicht ißt, richte den nicht, welcher ißt.“6 Und als er bei einer andern Gelegenheit solchen, die sich ihrer Enthaltsamkeit rühmten, genaue Vorschriften gab, fügte er bei: „Denn haben diese auch den Schein von Weisheit durch selbstgewählten Gottesdienst und Demut und Schonungslosigkeit gegen den Leib, so dienen sie doch nicht in irgend etwas, was ehrenhaft ist, zur Sättigung des Fleisches.“7 Hierbei ist zu beachten, daß der erlauchte Prediger in seiner Auseinandersetzung „selbstgewählten Gottesdienst“ und den Schein der „Demut“ nebeneinander stellt; denn wenn das Fleisch über Gebühr durch Enthaltsamkeit abgetötet wird, so zeigt sich nach außen die Demut, und gerade auf diese Demut ist man dann innerlich sehr stolz. Und würde nicht bisweilen die Seele um der Tugend der Enthaltsamkeit willen hochmütig, so würde sie nicht der Pharisäer in seiner Prahlerei unter seinen großen Verdiensten eigens aufzählen, indem er sagt: „Ich faste zweimal in der Woche.“8 Die der Eßlust Ergebenen muß man also ermahnen, durch ihre Hingabe an die Gaumenlust sich nicht selbst zu töten und zu bedenken, wie nahe ihnen beim Tafeln die Gefahr zu eitlem Gerede und zu Leichtsinn sei, damit sie nicht bei ihrer weichlichen Leibespflege von den grausamen Stricken der Laster umgarnt werden. Um so weiter entfernt man sich auch von dem zweiten Stammvater, je mehr man durch Unmäßigkeit, indem die Hand sich nach Speise ausstreckt, den Fall des ersten Stammvaters wiederholt. Dagegen sind die Mäßigen zu beständiger Achtsamkeit zu ermahnen, daß nicht aus ihrer Furcht vor S. 187 der Eßgier, die wie eine Tugend scheint, noch schlimmere Laster entspringen und sie nicht bei ihrer Fleischesabtötung in geistige Ungeduld fallen. Denn da könnte von keiner Tugend mehr die Rede sein, wenn das Fleisch überwunden, aber auch der Geist vom Zorne überwältigt würde. Bisweilen hält sich die Seele der Mäßigen vom Zorne frei, dafür kommt aber eine sonderbare, verderbliche Heiterkeit über sie; und so geht das Verdienst der Mäßigkeit verloren, weil sich die Seele vor geistigen Fehlern nicht hütet. Deshalb heißt es mit Recht beim Propheten: „Am Tage eures Fastens da zeigt sich euer Wille“9 und gleich darauf: „Zu Streit und Hader fastet ihr und schlaget zu mit der Faust.“10 Der Wille bezieht sich auf die heitere Stimmung, die Faust auf den Zorn. Vergebens tötet man also den Leib in Enthaltsamkeit ab, wenn die Seele den ungeordneten Regungen freien Spielraum läßt und so verschiedenen Fehlern anheimfällt. Auch muß man sie ermahnen, ihre Mäßigkeit beständig zu üben, ohne sich hierin etwas nachzugeben, sie auch nie vor dem verborgenen Richter für eine außerordentliche Tugend zu halten, damit das Herz nicht stolz werde in der Meinung, man hätte ein großes Verdienst. Darum heißt es beim Propheten: „Ist dies ein solches Fasten, wie ich es erwählt habe? … Brich dem Hungrigen dein Brot, führe Arme und Herberglose in dein Haus!“11

Dabei ist noch zu bedenken, wie klein die Tugend der Mäßigkeit erscheint, wenn sie nicht auch durch andere Tugenden sich empfiehlt. Darum sagt Joel: „Heiligt das Fasten!“12 Das Fasten heiligen heißt, es durch Verbindung mit anderen guten Werken zu einer gotteswürdigen Enthaltsamkeit des Fleisches machen. Man muß also die Enthaltsamen zu der Erkenntnis zu bringen suchen, daß sie dann Gott das Opfer einer wohlgefälligen Enthaltsamkeit darbringen, wenn sie das, was sie sich an Speisen entzogen haben, den Armen schenken. S. 188 Man muß ernstlich auf den Tadel hören, den der Herr durch den Propheten ausspricht: „Wenn ihr nun schon siebenzig Jahre hindurch gefastet und getrauert habt im fünften und siebenten Monate, habt ihr denn etwa für mich dies Fasten gehalten? Und wenn ihr aßet und tränket, habt ihr da nicht für euch gegessen und für euch selbst getrunken?“13 Denn nicht für Gott, sondern für sich selbst fastet jeder, der das, was er zeitweise dem Leibe entzieht, nicht den Armen gibt, sondern es aufbewahrt, um später damit dem Leibe gütlich zu tun.

Damit also weder die einen durch ihre Eßgier an ihren Seelen Schaden leiden noch den andern die leibliche Abtötung eine Versuchung zum Stolze werde, sollen jene hören, was die ewige Wahrheit sagt: „Achtet aber auf euch selbst, daß eure Herzen nicht etwa beschwert werden durch Völlerei und Trunkenheit und Sorgen dieses Lebens“ — dabei wird zugleich eine heilsame Furcht wachgerufen, indem es weiter heißt: „und jener Tag euch unversehens überrasche; denn wie ein Fallstrick wird er kommen über alle, die auf dem ganzen Erdboden wohnen.“14 Diese hingegen sollen das Wort vernehmen: „Nicht was zum Munde eingeht, verunreinigt den Menschen, sondern was aus dem Munde ausgeht, das verunreinigt den Menschen.“15 Jene sollen hören: „Die Speise ist für den Leib und der Leib für die Speise; Gott aber wird sowohl diese wie jene zerstören.“16 Und anderswo: „Nicht in Schmausereien und Trinkgelagen.“17 Und abermals: „Speise gibt uns keinen Wert bei Gott.“18 Diese hingegen sollen vernehmen, „daß alles rein ist für die Reinen, den Befleckten aber und Ungläubigen nichts rein ist“.19 Jene sollen hören: „Ihr Gott ist der Bauch und ihr Ruhm in ihrer Schande.“20 Diese aber: „Einige werden vom Glauben abfallen“, wo es dann gleich darauf heißt: „die da verbieten zu heiraten und Speisen zu S. 189 genießen, welche doch Gott geschaffen hat, daß sie mit Danksagung genossen werden von den Gläubigen und von denen, welche die Wahrheit erkannt haben.“21 Jenen ist gesagt: „Es ist gut, kein Fleisch zu essen und keinen Wein zu trinken, noch etwas zu tun, woran dein Bruder Ärgernis nimmt.“22 Diesen: „Genieße ein wenig Wein um deines Magens und deiner häufigen Kränklichkeit willen!“23 Denn das ist der Zweck: Jene sollen lernen, nicht unordentlich nach irdischer Speise zu verlangen, diese aber sollen es nicht wagen, Gottes Gabe zu verdammen, wenn sie auch kein Verlangen nach ihr haben.


  1. Luk. 16, 24. ↩

  2. Exod. 32, 6. ↩

  3. Gen. 3, 14. ↩

  4. 4 Kön. 25, 10: Nach der Septuaginta. Vgl. Jer. 39, 9. ↩

  5. 2 Petr. 1, 5 f. ↩

  6. Röm. 14, 3. ↩

  7. Kol. 2, 23. ↩

  8. Luk. 18, 12. ↩

  9. Is. 58, 3. ↩

  10. Ebd. 58, 4. ↩

  11. Ebd. 58, 5. 7. ↩

  12. Joel 2, 15. ↩

  13. Zach. 7, 5 f. ↩

  14. Luk. 21, 34 f. ↩

  15. Matth. 15, 11. ↩

  16. 1 Kor. 6, 13. ↩

  17. Röm. 13, 13. ↩

  18. 1 Kor. 8, 8. ↩

  19. Tit. 1, 15. ↩

  20. Phil. 3, 19. ↩

  21. 1 Tim. 4, 1. 3. ↩

  22. Röm. 14, 21. ↩

  23. 1 Tim. 5, 23. ↩

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