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Works Gregory I, pope (540-604) Regula pastoralis Buch der Pastoralregel (BKV)
Dritter Teil: Wie der Seelsorger, der ein gutes Leben führt, seine Untergebenen lehren und ermahnen muß

XXII. Kapitel: Wie man Unverträgliche und wie man Friedfertige zu ermahnen hat

Anders muß man die Unverträglichen, anders die Friedfertigen ermahnen. Den Unverträglichen muß man aufs Bestimmteste versichern, daß sie, mögen sie durch noch so viele Tugenden sich auszeichnen, doch nie Geistesmenschen werden können, wenn sie sich mit den Nebenmenschen nicht in Eintracht vertragen wollen. Denn es steht geschrieben: „Die Frucht des Geistes aber ist Liebe, Freude, Friede.“1 Wer sich also nicht bemüht, den Frieden zu bewahren, der weigert sich, die Frucht des Geistes hervorzubringen. Darum sagt Paulus: „Da unter euch Eifersucht herrscht und Streit, seid ihr da nicht fleischlich?“2 Darum sagt er ferner: „Trachtet nach Frieden mit allen und nach der Heiligung, ohne welche niemand Gott schauen wird.“3 Und weiter ermahnt er: „Seid eifrig bemüht, die Einheit des Geistes zu bewahren durch das Band des Friedens! Ein Leib und ein Geist, wie ihr ja auch berufen seid zu einer Hoffnung eures Berufes.“4 Zu der einen Hoffnung des Berufes gelangt man also nicht, wenn man nicht mit einem Herzen darnach strebt, welches sich in Einigkeit mit den Ne- S. 200 benmenschen befindet. Aber je größer die Gaben sind, die einer empfangen hat, um so mehr bildet er sich oft darauf ein und verliert dadurch die Gabe der Eintracht, die doch größer ist. So will z. B. einer, der etwa das Fleisch durch Zügelung der Gaumenlust mehr als andere abtötet, nicht mehr mit jenen in Eintracht leben, die er an Enthaltsamkeit übertrifft. Wer aber die Enthaltsamkeit von der Eintracht trennt, der erwäge, wozu der Psalmist ermahnt, wenn er spricht: „Lobet ihn mit der Pauke und im Chor!“5 Wenn nämlich die Pauke geschlagen wird, so tönt ihr trockenes Fell; im Chor aber klingen mehr Stimmen zusammen. Wer also den Leib abtötet, aber nicht mehr in Eintracht mit anderen leben will, der lobt Gott zwar mit der Pauke, aber nicht im Chor. Auch ein größeres Maß von Wissen macht manche stolz und läßt sie die Gesellschaft anderer meiden; je mehr sie dann wissen, desto mehr verlieren sie das Verständnis für die Tugend der Eintracht. Sie sollen darum hören, was die Wahrheit selbst spricht: „Habet Salz in euch und habet Frieden untereinander!“6 Das Salz ohne Frieden ist also keine Tugendgabe, sondern ein Grund der Verdammnis. Denn je weiser jemand ist, um so unverantwortlicher ist es, wenn er die Eintracht aufgibt; und um so unentschuldbarer verdient er Strafe, weil er bei gutem Willen mit Klugheit den Bruch hätte vermeiden können. Ihnen sagt Jakobus mit Recht: „Wenn ihr aber bittere Eifersucht habt und Parteilichkeit in euren Herzen ist, so rühmet euch nicht und lüget nicht wider die Wahrheit. Denn diese Weisheit ist keine, die von oben herab kommt, sondern eine irdische, selbstische, teuflische. Die Weisheit aber, welche von oben ist, ist erstlich lauter, dann friedfertig.“7 Lauter ist sie, weil ihr Erkennen auf Herzensreinheit beruht, friedfertig aber, weil sie sich nicht aus Stolz von der Gemeinschaft der Mitmenschen losmacht. Man muß diesen Dissidenten zu wissen tun, daß sie Gott so lange das Opfer S. 201 guter Werke nicht darbringen, als sie von der Nächstenliebe sich fernhalten. Denn es steht geschrieben: „Wenn du deine Gabe zu dem Altare bringest und du erinnerst dich daselbst, daß dein Bruder etwas wider dich hat, so laß deine Gabe allda vor dem Altare und gehe hin und versöhne dich zuvor mit deinem Bruder; und dann komm und opfere deine Gabe!“8 Man muß bedenken, wie aus dieser Vorschrift die große Schuld jener erhellt, deren Opfer zurückgewiesen wird. Sonst werden alle Sünden durch darauffolgende gute Werke gesühnt, — wie groß muß nun aber die Sünde der Zwietracht sein, da sie, solange sie nicht gänzlich getilgt ist, ein gutes Werk gar nicht zustandekommen läßt! Man muß die Zwieträchtigen ermahnen, sie sollten, wofern sie ihr Ohr den himmlischen Vorschriften verschließen, ihr Geistesauge wenigstens auf das richten, was in der untergeordneten Natur vor sich geht: daß die Vögel derselben Gattung vielfach scharenweise mitsammen fliegen und sich nicht voneinander trennen und daß die unvernünftigen Tiere herdenweise mitsammen weiden. Bei aufmerksamer Betrachtung zeigt uns die unvernünftige Natur durch ihre Eintracht, welch große Sünde die vernünftigen Geschöpfe durch ihre Zwietracht begehen, da sie trotz des Vernunftgebrauchs verloren, was jene allein aus Antrieb der Natur bewahrt haben.

Die Friedfertigen dagegen muß man ermahnen, sie sollen nicht aus übertriebener Liebe zu dem gegenwärtigen Frieden das Streben nach dem ewigen Frieden außer acht lassen. Denn häufig wird die Ruhe dieses Lebens zu einer heftigen Versuchung für die Richtung der Seele; je angenehmer ihr jetziger Zustand ihnen vorkommt, um so unangenehmer erscheint das, was sie zu Höherem ruft; und je mehr ihnen die Gegenwart gefällt, um so weniger denken sie an die Ewigkeit. Deshalb unterschied die ewige Wahrheit selbst den irdischen Frieden von dem himmlischen und forderte ihre Jünger auf, anstatt des zeit- S. 202 lichen den ewigen Frieden zu suchen, indem sie sprach: „Den Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch,“9 d. h. ich lasse den vergänglichen Frieden10 und gebe euch den immerwährenden. Wenn sich also das Herz in dem Frieden, der verlassen wurde, festsetzt, so gelangt es nie zu jenem, der gegeben werden soll. Man muß also den gegenwärtigen Frieden so bewahren, daß man ihn sowohl liebt als auch geringschätzt; denn bei übertriebener Liebe wird die Seele des Liebenden sich in Schuld verstricken. Deshalb sind die Friedfertigen zu ermahnen, sie sollen nicht aus übermäßigem Verlangen nach dem Frieden mit den Menschen die Zurechtweisung übler Sitten anderer unterlassen, nicht durch Zustimmung zu bösen Dingen den Frieden mit ihrem Schöpfer brechen; sonst würden sie aus Furcht vor äußerem Streit mit den Menschen ja das innere Bündnis auflösen. Ist der vergängliche Friede nicht eine Spur des ewigen Friedens? Was kann also törichter sein, als die in den Staub gedrückten Spuren zu lieben, den hingegen, der sie eingedrückt hat, nicht zu lieben? Darum bezeugt David, der sich ganz dem innern Friedensbund hingab, daß er mit dem Bösen keine Eintracht habe: „Sollt’ ich nicht hassen, Herr, die dich hassen, und über deine Feinde mich nicht grämen? Mit vollkommenem Hasse hasse ich sie, und Feinde sind sie mir.“11 Die Feinde Gottes haßt man mit vollkommenem Hasse, wenn man sie einerseits als Geschöpfe liebt, andrerseits aber ihre Handlungen verwirft, ihre bösen Sitten nicht aufkommen läßt, ihnen aber sonst im Leben nützt.

Wenn man also die Zurechtweisung unterläßt, so muß man wohl bedenken, welche Sünde es ist, mit Sündern in Frieden zu leben; ein großer Prophet hat darin Gott gleichsam ein Opfer dargebracht, daß er die Feind- S. 203 schaft der Bösen um des Herrn willen gegen sich erregt hat. Darum heißt es vom Stamme Levi, weil er mit dem Schwert durch die Mitte des Lagers schritt und in Bestrafung der Sünder keine Schonung kannte, er habe seine Hände Gott geheiligt.12 Darum versöhnte Phinees mit seinem Zorn den Zorn des Herrn, weil er die Gunst seiner sündigen Mitbürger verachtete und diejenigen tötete, welche mit den Madianitern Umgang pflegten. Darum spricht die Wahrheit selbst mit eigenem Munde: „Glaubet nicht, daß ich gekommen bin, Frieden auf die Erde zu bringen; ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert.“13 Wenn wir uns unvorsichtig mit den Bösen in Freundschaft einlassen, so verstricken wir uns in Sünden. Deshalb wurde Josaphat, der wegen seines früheren Lebens so viel Lob erfährt, wegen der Freundschaft mit dem König Achab getadelt und wäre beinahe zugrundegegangen. Zu ihm sagt der Herr durch den Propheten: „Du leistest dem Gottlosen Hilfe und schließest mit denen Freundschaft, die den Herrn hassen; darum verdientest du wohl den Zorn des Herrn; doch es sind gute Werke an dir befunden worden; denn du hast die Haine aus dem Lande Juda weggeschafft.“14 Denn von dem unendlich Gerechten weicht unser Leben schon dann ab, wenn es mit den Bösen freundschaftlich übereinstimmt. Die Friedfertigen muß man ermahnen, daß sie sich vor einer Trübung ihres zeitlichen Friedens nicht fürchten dürfen, wenn sie sich zu einem Tadel entschließen. Auch muß man sie ermahnen, denselben Frieden durch unversehrte Liebe innerlich zu bewahren, den das Wort des Tadels äußerlich trübt. Beides sorgfältig beobachtet zu haben, behauptet David von sich, wenn er sagt: „Mit denen, die den Frieden hassen, war ich friedlich; wenn ich mit ihnen redete, erhoben sie Streit wider mich ohne Ursache.“15 Siehe, wenn er redete, erhob man Streit wider ihn, und doch war S. 204 er auch hierbei friedfertig; denn wenn er die Unsinnigen tadelte, so hörte er doch nicht auf, sie zu lieben. Darum sagt auch Paulus: „Wenn es möglich ist, so haltet, soviel an euch liegt, mit allen Menschen Frieden!“16 Indem er seine Schüler mahnen will, Frieden mit allen zu halten, sagt er zuvor: „Wenn es möglich ist“ und bemerkt hierzu: „Soviel an euch liegt.“ Denn schwer wäre es für sie gewesen, bei der Zurechtweisung böser Handlungen den Frieden mit allen zu bewahren. Wird der zeitweilige Friede in den Herzen der Bösen auch durch unsere Zurechtweisung gestört, so muß er doch in unserem eigenen Herzen unverletzt erhalten bleiben. Mit Recht sagt darum Paulus: „Soviel an euch liegt“, als wollte er sagen: Da der Friede in der Übereinstimmung zweier Teile besteht, so bewahret ihn doch trotz eures Tadels unversehrt in eurem Herzen, wenn auch die andern, die ihr tadelt, ihn von sich weisen. Darum ermahnt derselbe hl. Apostel ein andermal seine Schüler: „Wenn aber jemand unserm Worte in diesem Briefe nicht gehorcht, diesen zeiget an und habet keinen Umgang mit ihm, damit er beschämt werde.“17 Er fügt aber bei: „Indes betrachtet ihn nicht als Feind, sondern weiset ihn zurecht als Bruder.“18 Damit will er sagen: Hebet den äußern Frieden mit ihm auf, aber bewahret den inneren, damit eure Mißstimmung auf das Herz des Sünders Eindruck mache, ohne daß der Friede in euren Herzen gekündet und aufgegeben werde.


  1. Gal. 5, 22. ↩

  2. 1 Kor. 3, 3. ↩

  3. Hebr. 12, 14. ↩

  4. Eph. 4, 3 f. ↩

  5. Ps. 150, 4. ↩

  6. Mark. 9, 49. ↩

  7. Jak. 3, 14. 15. 17. ↩

  8. Matth. 5, 23 f. ↩

  9. Joh. 14, 27. ↩

  10. Gregor faßt relinquo hier in den Sinn von verlassen, gehen lassen, beiseite lassen. ↩

  11. Ps. 138, 21 f. ↩

  12. Exod. 32, 27—29. ↩

  13. Matth. 10, 34. ↩

  14. 2 Chron. 19, 2 f. ↩

  15. Ps. 119, 6. ↩

  16. Röm. 12, 18. ↩

  17. 2 Thess. 3, 14. ↩

  18. Ebd. 3, 15. ↩

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