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Œuvres Grégoire Ier, pape (540-604) Regula pastoralis Buch der Pastoralregel (BKV)
Dritter Teil: Wie der Seelsorger, der ein gutes Leben führt, seine Untergebenen lehren und ermahnen muß

XXVIII. Kapitel: Wie man diejenigen ermahnen muß, die in fleischliche Dinge eingeweiht sind, und wie jene, die davon nichts wissen

Anders muß man diejenigen ermahnen, die in fleischliche Dinge, eingeweiht sind, anders jene, die davon nichts wissen. Die in diese Dinge eingeweiht sind, muß man ermahnen, wenigstens nach dem Schiffbruch das Meer zu fürchten und die Gelegenheiten zu ihrem Ver- S. 227 derben, wenigstens nachdem sie diese erkannt haben, zu verabscheuen. Sonst würden sie, nach der Sünde zwar barmherzig gerettet, durch schändlichen Rückfall zugrunde gehen. Darum wird der sündigen Seele, die nie von ihrer Sünde lassen will, gesagt: „Du hast eine Hurenstirne bekommen und hast dich nicht schämen wollen.“1 Man muß sie also aneifern, die empfangenen Gaben der Natur, die sie nicht in ihrer Unversehrtheit bewahren wollten, wenigstens wieder herzustellen, nachdem sie verletzt worden waren. Sie müssen besonders erwägen, wie viele unter der großen Zahl der Gläubigen nicht bloß selbst die Unschuld bewahren, sondern auch andere von ihren Irrwegen zurückführen. Was werden sie sagen können, wenn sie nicht einmal durch Schaden klug geworden sind, während andere in der Unschuld feststanden? Was werden sie sagen, wenn viele auch andere mit sich zum Himmel bringen, während sie dem harrenden Richter nicht einmal sich selbst zurückbringen? Man muß sie ermahnen, die früheren Sünden zu erwägen und vor zukünftigen sich zu hüten. Darum ruft der Herr unter dem Bilde des Judenlandes den in der Welt verführten Seelen ihre früheren Sünden ins Gedächtnis zurück, damit sie sich in Zukunft vor Befleckung hüten: „Sie buhlten in Ägypten, in ihrer Jugend buhlten sie; dort wurden ihre Brüste geschändet und die Brüste ihrer Jungfrauschaft welk.“2 In Ägypten werden die Brüste schwach, wenn durch schändliche Weltlust die Willenskraft der menschlichen Seele gebeugt wird. In Ägypten welken die Brüste der Jungfrauschaft, wenn die natürlichen, noch unversehrten Sinne durch die Glut der Sinnlichkeit verdorben werden. Man muß die, welche solche Sünden schon begangen haben, ermahnen, sie sollten mit großer Sorgfalt betrachten, mit welcher Güte Gott denen, die zu ihm zurückkehren, sein liebevolles Herz öffne, da er durch den Propheten spricht: „Wenn ein Mann sein Weib entläßt, und sie S. 228 geht weg von ihm und nimmt einen andern Mann, darf er dann wohl wieder zu ihr zurückkehren? Wird eine solche Frau nicht befleckt und entweiht sein? Auch du hast mit vielen Liebhabern gebuhlt; aber kehre zu mir zurück, spricht der Herr.“3 Siehe, beim ehebrecherischen und beim verstoßenen Weibe wird angegeben, was das Recht verlangt; und doch wird uns, wenn wir nach dem Falle zurückkehren, nicht Gerechtigkeit, sondern Liebe zuteil. Daraus sollen wir aber schließen, wie gottlos die Sünde ist, wenn man auch nach dem Fehler nicht zurückkehrt, obwohl der Sünder mit solcher Milde geschont wird. Kann der Herr solch Gottlosen noch verzeihen, wenn er nach der Sünde unaufhörlich seinen Ruf ergehen ließ? Dieses barmherzige Rufen nach begangener Sünde schildert uns der Prophet, indem er zum sündigen Menschen spricht: „Und deine Augen werden deinen Unterweiser sehen. Deine Ohren werden das Wort hören, mit dem er hinter dir her mahnen wird.“4 Der Herr hat das Menschengeschlecht von Angesicht zu Angesicht ermahnt, als er im Paradiese dem Menschen, den er erschaffen und mit Willensfreiheit ausgestattet hatte, bestimmte, was er tun, was nicht tun dürfe. Aber der Mensch wandte Gott den Rücken, da er stolz dessen Gebote verachtete. Gott aber überließ ihn nicht seinem Stolze, sondern gab, um ihn zurückzurufen, das Gesetz, sandte mahnende Boten und erschien endlich selbst in unserm sterblichen Fleische. So steht er hinter uns und mahnt uns und ruft uns zur Wiedererlangung der Gnade, auch nachdem er verachtet wurde. Was also im allgemeinen von allen gesagt werden konnte, das muß man im besondern auf die einzelnen anwenden. Denn jeder vernimmt wie in Gottes Gegenwart seine Mahnworte, wenn er vor der Sünde seinen gebietenden Willen erkennt. Denn „noch vor seinem Angesichte stehen“ heißt, ihn noch nicht durch die Sünde verachten. Wer aber das Glück der Unschuld aufgibt und die Sünde wählt, der S. 229 wendet seinem Angesicht den Rücken. Aber siehe, auch noch hinter dem Rücken geht Gott nach und mahnt, indem er auch nach begangener Sünde einladet, zu ihm zurückzukehren. Er ruft den Sünder zurück, sieht nicht auf die begangenen Sünden und öffnet dem Wiederkehrenden sein erbarmungsvolles Herz. Wir hören also das Wort dessen, der hinter uns her ermahnt, wenn wir wenigstens nach der Sünde zum Herrn, der uns ruft, zurückkehren. Wir sollen uns also vor der Barmherzigkeit des rufenden Gottes schämen, wenn wir seine Gerechtigkeit nicht fürchten wollen; denn in dieser Verachtung liegt eine um so größere Gottlosigkeit, als der Verachtete immer noch zu rufen sich würdigt.

Diejenigen hingegen, welche die Fleischessünden nicht kennen, muß man ermahnen, um so mehr einen jähen Fall zu fürchten, je höher sie stehen. Man muß sie daran erinnern, daß der Versucher gerade gegen solche um so mehr seine Pfeile abschießt. Je mehr dieser sieht, daß man ihm kräftigen Widerstand leistet, um so mehr entbrennt sein Zorn; und um so unerträglicher erscheint ihm seine Niederlage, je mehr er sieht, daß das schwache Fleisch in seiner ganzen Unversehrtheit gegen ihn kämpft. Man muß sie also ermahnen, ihren Lohn nicht aus den Augen zu verlieren; und dann werden sie ohne Zweifel gerne, was sie an Versuchungen zu ertragen haben, niederkämpfen. Denn wenn man auf die Glückseligkeit schaut, die man für immer erlangt, so wird leicht, was man vorübergehend zu leiden hat. Sie sollen hören, was der Prophet sagt: „So spricht der Herr zu den Verschnittenen: Die meine Sabbate halten und erwählen, was mir wohlgefällt, und meinen Bund bewahren, denen will ich in meinem Hause und in meinen Mauern einen Ort und einen besseren Namen geben als den von Söhnen und Töchtern.“5 Verschnittene sind solche, welche die fleischlichen Regungen unterdrücken und die Begierde nach sündhaften Werken in sich aus- S. 230 rotten. Was sie aber für eine Wohnung beim Vater erhalten werden, erhellt daraus, daß sie im Hause des Vaters, d. h. in der himmlischen Wohnung, sogar den Söhnen vorgezogen werden. Sie sollen hören, was Johannes sagt: „Diese sind es, die sich mit Weibern nicht befleckt haben, denn sie sind jungfräulich. Sie sind es, die dem Lamme folgen, wohin es immer geht.“6 Und sie sollen ein Lied singen, das niemand singen kann, außer jenen Hundertvierundvierzigtausend. Dem Lamme ein besonderes Lied singen heißt, sich mit ihm vor allen Gläubigen in Ewigkeit über die leibliche Unversehrtheit freuen. Dieses Lied können die übrigen Auserwählten hören, aber nicht singen; durch die Liebe freuen sie sich zwar über deren Herrlichkeit, auf ihren Lohn aber haben sie keinen Anspruch. Die die Fleischessünden nicht kennen, sollen hören, was die Wahrheit selbst mit eigenem Munde von solcher Unversehrtheit sagt: „Nicht alle fassen dieses Wort.“7 Darum bezeichnet der Herr es als das Höchste, weil es nicht Sache aller ist; und wenn er sagt, daß es schwer zu fassen sei, so gibt er seinen Hörern zu verstehen, mit welcher Sorgfalt sie es bewahren sollen, wenn sie es erfaßt haben.

Man muß die, welche die Fleischessünden nicht kennen, daran erinnern, daß die Jungfräulichkeit höher steht als die Ehe, sie aber auch davor warnen, sich deshalb über die Eheleute zu erheben. Sie sollen der Jungfräulichkeit den Vorzug geben, selbst aber zurücktreten; das nicht aufgeben, was sie als das Bessere erkennen, sich selbst aber vor eitler Selbsterhebung in acht nehmen. Sie sollen beachten, daß das Leben der Enthaltsamen oft durch die Handlungsweise der Weltleute beschämt wird, da diese Werke verrichten, welche geistlicher sind als ihr Kleid8 jene hingegen oft nicht die Herzens- S. 231 stimmung besitzen, die ihrem Stande entspricht. Darum heißt es auch treffend beim Propheten: „Schäme dich, Sidon! sagt das Meer.“9 Durch des Meeres Stimme wird Sidon gleichsam in Beschämung versetzt, wenn das Leben eines Menschen, der gesichert und fast unangreifbar dasteht, bei der Vergleichung mit dem Leben der Weltleute, die im Weltgetriebe hin und her geworfen werden, zurückstehen muß. Oft kehren einige nach Fleischessünden zum Herrn zurück und erweisen sich um so eifriger in guten Werken, je mehr sie sich um ihrer Sünden willen als verdammungswürdig erkennen. Oft dagegen glauben solche, die in leiblicher Reinheit verharren, wenig Grund zur Reue zu haben, halten die Unschuld ihres Lebens für vollkommen genügend und entflammen sich darum nicht durch Beweggründe der Liebe zum Geisteseifer. Da ist dann häufig ein liebeglühendes Leben nach der Sünde Gott wohlgefälliger als die laue Unschuld, die sich sicher dünkt. Daher das Wort des ewigen Richters: „Ihr werden viele Sünden vergeben, weil sie viel geliebt hat“,10 und: „Freude wird sein im Himmel über einen Sünder, der Buße tut, mehr als über neunundneunzig Gerechte, die der Buße nicht bedürfen.“11 Wir sehen dies leicht aus unserem eigenen Verhalten, wenn wir auf die Urteile unseres Herzens achtgeben. Denn einen Acker, der früher ein Dornenfeld gewesen und jetzt reichliche Früchte bringt, lieben wir mehr als einen solchen, auf dem nie Dornen wuchsen, der aber selbst bei guter Pflege nur spärliche Saat hervorbringt. Man muß die, welche die Fleischessünden nicht kennen, ermahnen, sich über andere nicht wegen ihres Standesvorzuges zu erheben, da sie nicht wissen, in wievielen Dingen solche, die geringer zu stehen scheinen, besser handeln als sie. Denn vor dem gerechten Richter ändert die Beschaffenheit der Handlungen das Verdienst, welches dem Stand an sich zukäme. Wer wüßte nicht, um bildlich zu sprechen, daß ein Karfun- S. 232 kel nach dem Naturwert dem Hyazinth vorzuziehen ist? Und doch wird ein himmelblauer Hyazinth höher geschätzt als ein blasser Karfunkel; denn bei jenem ersetzt besondere Schönheit, was sonst seiner Natur an Wert abgeht, diesem hingegen raubt der mangelnde Farbenglanz den Vorzug, den er von Natur aus besitzen sollte. So stehen auch beim Menschengeschlechte einige in höherem Stande tiefer und andere in tieferem Stande höher, weil die einen durch ein frommes Leben sich über das äußere Kleid ihres Standes erheben, die andern aber das Verdienst ihres höheren Standes verringern, indem sie nicht diesem entsprechend leben.


  1. Jer. 3, 3. ↩

  2. Ezech. 23, 3. ↩

  3. Jer. 3, 1. ↩

  4. Is. 30, 20 f. ↩

  5. Is. 56, 4 f. ↩

  6. Offenb. 14, 4. ↩

  7. Matth. 19, 11. ↩

  8. Ultra habitum: Diejenigen, welche sich zu beständiger Jungfräulichkeit entschlossen hatten, trugen gewöhnlich auch ein kirchliches Gewand. Diese hat Gregor an unserer Stelle offenbar im Auge. ↩

  9. Is. 23, 4. ↩

  10. Luk. 7, 47. ↩

  11. Ebd. 15, 7. ↩

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