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Works Gregory I, pope (540-604) Regula pastoralis Buch der Pastoralregel (BKV)
Dritter Teil: Wie der Seelsorger, der ein gutes Leben führt, seine Untergebenen lehren und ermahnen muß

XXX. Kapitel: Wie man diejenigen ermahnen muß, welche sich von den beweinten Sünden nicht ferne halten, und wie diejenigen, welche sich zwar davon ferne halten, sie aber nicht beweinen.

Anders muß man diejenigen ermahnen, die ihre Vergehen zwar beklagen, aber sie doch nicht aufgeben, und anders solche, die sie zwar aufgeben, aber nicht beklagen. Denjenigen, die ihre Vergehen zwar beklagen, sie aber doch nicht aufgeben, muß man zur sorgfältigen Erwägung geben, daß ihre Tränen sie nicht reinigen kön- S. 237 nen, wenn sie sich durch ihr Leben mit Sünden beflecken, da sie sich nur mit Tränen waschen, um gereinigt wieder in den Schmutz zurückzukehren. Darum steht geschrieben: „Der Hund wendet sich zurück zu dem, was er gespieen, und das Schwein wälzt sich nach der Schwemme wieder im Kote.“1 Wenn der Hund speit, so gibt er das Futter, das seinen Magen beschwerte, von sich; wenn er sich aber zum Gespieenen zurückwendet, so beschwert er sich wieder mit dem, wovon er erleichtert worden war. So werfen auch diejenigen, welche ihre Vergehen beklagen, durch das Bekenntnis ihre Bosheit, von der sie sich übersättigt hatten und die ihr Gewissen beängstigt hatte, von sich; nach dem Bekenntnis aber nehmen sie sie durch ihren Rückfall wieder auf. Das Schwein aber, das sich bei der Schwemme im Kote wälzt, wird noch schmutziger. So macht sich, wer seine Vergehen beklagt, aber nicht aufgibt, noch schwererer Sündenstrafe schuldig; denn er verschmäht die Vergebung, die er durch Reue hätte erlangen können, und wälzt sich gleichsam in schlammigem Wasser, weil seinem Weinen die Reinheit des Lebens fehlt und er so vor den Augen Gottes auch seine Tränen verunreinigt. Darum steht abermals geschrieben: „Wiederhole die Worte nicht in der Rede!“2 Man wiederholt das Wort in der Rede, wenn man nach der Buße wieder begeht, wofür man aufs neue Buße tun muß. Darum heißt es bei Isaias: „Waschet euch, seid rein!“3 Nach der Waschung will aber der nicht rein sein, der trotz seiner Tränen kein sündenfreies Leben führt. Die also ihre Sünden zwar beweinen, sie aber dann doch wieder begehen, das sind jene, die sich waschen, ohne rein zu werden. Darum sagt der Weise: „Wer sich wäscht, wenn er einen Toten angerührt hat, und ihn dann doch wieder anrührt, was hilft dem seine Waschung?“4 Es wäscht sich nach Berührung eines Toten, wer sich durch Tränen von seinen Sünden reinigt; aber S. 238 aufs neue berührt nach der Waschung den Toten, wer die beweinte Sünde wieder begeht.

Diejenigen, welche die Vergehen beklagen, sie aber nicht aufgeben, muß man erinnern, daß sie in den Augen des gerechten Richters denjenigen gleichen, die den Leuten ins Angesicht größte Unterwürfigkeit und Schmeichelei zum Ausdruck bringen, nach ihrem Weggang aber ihnen alles mögliche Feindselige und Schädliche antun. Denn heißt es nicht, Gott die demütigste Hingebung zeigen, wenn man seine Sünden beweint? Und heißt es nicht stolze Feindschaft gegen ihn üben, wenn man nach den Bußtränen wieder Böses tut? Dies bezeugt der hl. Jakobus, wenn er sagt: „Wer immer Freund dieser Welt sein will, der stellt sich als Feind Gottes dar.“5 Man muß solchen, die ihre Vergehen beweinen, sie aber nicht aufgeben, ernstlich zu erwägen geben, daß die Bösen auf diese Weise häufig vergeblich einen Anlauf zur Buße und Besserung nehmen, wie auf der anderen Seite die Guten schuldlos zur Sünde versucht werden. So bekommt je nach Verdienst bei Guten und Bösen die innere Anlage eine eigentümliche Richtung. Diese vertrauen stolz auf das Gute, welches sie bisweilen, wenn auch noch so unvollkommen, tun, bei allem Bösen, das sie in vollem Maße vollbringen; jene aber festigen demütigen Herzens ihre Schritte auf dem Wege der Gerechtigkeit, wenn sie in einer bösen Versuchung, der sie nicht beigestimmt haben, auch nur aus Schwachheit geschwankt haben. So sprach auch Balaam beim Anblick der Zelte der Gerechten: „Möchte meine Seele den Tod der Gerechten sterben und mein Ende dem ihren gleich sein!“6 Als aber die Zeit der Reue vorüber war, gab er einen Rat zum Verderben derer, denen er doch im Tode ähnlich zu sein verlangt hatte; und als er eine Gelegenheit zur Habgier fand, da hatte er vergessen, daß er sich die Unschuld gewünscht hatte. Darum sagt Paulus, der Lehrer und Prediger der Völker: „Ich sehe ein anderes S. 239 Gesetz in meinen Gliedern, das dem Gesetze meiner Vernunft widerstreitet und mich zum Sklaven des Gesetzes der Sünde macht, das in meinen Gliedern ist.“7 Offenbar wird er deshalb versucht, damit er im Guten durch die Erkenntnis seiner Schwachheit um so mehr befestigt werde. Woher kommt es nun, daß jener von Reue erfaßt wird und doch nicht der Gerechtigkeit näher kommt, dieser aber versucht und doch von der Sünde nicht berührt wird? Offenbar daher, daß unvollkommenes Gute den Bösen nichts nützt und unvollendetes Böse die Guten nicht verdammt.

Diejenigen hingegen, welche ihre Sünden zwar aufgeben, sie aber nicht beklagen, muß man ermahnen, sie nicht schon für vergeben zu halten; denn obwohl sie sie nicht mehr durch böse Werke vermehren, so haben sie sie doch noch nicht durch Tränen getilgt. Denn auch der Schreiber hat, wenn er mit dem Schreiben aufhört, deshalb noch nicht das Geschriebene ausgewischt, weil er nichts mehr dazu schreibt. Auch der Beleidiger hat noch nicht genug getan, wenn er stillschweigt, sondern er muß die früheren übermütigen Worte durch demütige Unterwerfung gut machen. Auch ist der Schuldner, der keine andern Schulden macht, deshalb noch nicht schuldenfrei, wenn er nicht auch die gemachten Schulden bezahlt. So leisten wir auch Gott für unsere Sünden noch nicht durch ihre Unterlassung Genugtuung; wir müssen vielmehr die Sündenlust, der wir uns hingaben, durch Bußtränen sühnen. Und hätte uns auch in diesem Leben keine Tatsünde befleckt, so würde uns doch, solange wir auf Erden leben, unsere Unschuld keineswegs genügen, um sicher sein zu können, weil viel Unerlaubtes die Seele bewegt. Wie also kann sich für sicher halten, wer durch begangene Sünden sich selbst bezeugt, daß er nicht mehr unschuldig ist? Gott hat keine Freude an unserm Leid, er heilt viel- S. 240 mehr unsere Sündenkrankheit durch entgegengesetzte Heilmittel. Wenn wir uns also in sinnlicher Lust von ihm entfernt haben, müssen wir unter bitteren Tränen zu ihm zurückkehren; und wenn wir gefallen sind, indem wir in unerlaubten Dingen nachgaben, so müssen wir aufstehen, indem wir uns auch im Erlaubten enthalten. Das Herz, das törichte Freude berauscht hatte, muß durch heilsame Trauer ernüchtert werden; und das stolze Selbstüberhebung verwundet hatte, muß ein demütiges, zurückgezogenes Leben heilen. Darum steht geschrieben: „Ich spreche zu den Gottlosen: Handelt nicht gottlos; und zu den Sündern: Erhebet das Horn nicht!“8 Das Horn erheben die Sünder, wenn sie sich nicht einmal durch die Erkenntnis ihrer Bosheit zur Buße und Demut bewegen lassen. Darum heißt es ferner: „Ein zerknirschtes und verdemütigtes Herz verschmäht Gott nicht.“9 Denn wer seine Sünden beweint, sie aber nicht aufgibt, der hat zwar ein zerknirschtes Herz, will sich aber nicht verdemütigen. Wer aber seine Sünden zwar aufgibt, sie aber nicht beweint, der verdemütigt sich zwar, will aber von Zerknirschung des Herzens nichts wissen. Darum sagt Paulus: „Und solche seid ihr gewesen, ihr seid aber abgewaschen, ihr seid geheiligt.“10 Jene heiligt nämlich die Besserung des Lebens, welche die Buße durch schmerzliche Tränen abwäscht und reinigt. Als darum Petrus sah, wie einige beim Anblick ihrer Sünden von Schrecken erfaßt wurden, ermahnte er sie: „Tuet Buße und ein jeder von euch lasse sich taufen!“11 Bevor er von der Taufe sprach, erwähnte er die Bußklage; zuerst sollten sie das Wasser der Trübsal über sich ausgießen und dann im Sakramente der Taufe gereinigt werden. Wie können also solche, die ihre früheren Sünden nicht beweinen wollen, über die Vergebung beruhigt dahinleben, wenn selbst der oberste Hirte der Kirche bei jenem Sakramente, welches in erster Reihe die Sünden tilgt, die Buße noch eigens anführen zu müssen glaubt? S. 241


  1. Sprichw. 26, 11 und 2 Petr. 2, 22. ↩

  2. Sir. 7, 15. ↩

  3. Is. 1, 16. ↩

  4. Sir. 34, 30. ↩

  5. Jak. 4, 4. ↩

  6. Num. 23, 10. ↩

  7. Röm. 7, 23. ↩

  8. Ps. 74, 5. ↩

  9. Ps. 50, 19. ↩

  10. 1 Kor. 6, 11. ↩

  11. Apg. 2, 38. ↩

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