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Werke Gregor der Grosse (540-604) Regula pastoralis Buch der Pastoralregel (BKV)
Dritter Teil: Wie der Seelsorger, der ein gutes Leben führt, seine Untergebenen lehren und ermahnen muß

XXXVII. Kapitel: Wie man jemanden ermahnen muß, der entgegengesetzten Leidenschaften unterworfen ist

Eine schwere Aufgabe ist es für den Prediger, bei gemeinschaftlicher Ansprache über die geheimen Regungen und Anliegen jedes Einzelnen zu wachen und doch nach Art der Ringkämpfer sich kunstgemäß nach verschiedenen Seiten zu wenden. Aber eine noch viel schwierigere und mühevollere Aufgabe ist es, wenn er einer einzelnen Person zusprechen soll, die entgegengesetzten Lastern unterworfen ist. Oft hat nämlich jemand ein viel zu heiteres Temperament, aber plötzlich überfällt ihn Traurigkeit und drückt ihn qualvoll nieder. Da muß nun der Seelsorger darauf bedacht sein, die zeitweilige Traurigkeit zu verscheuchen, ohne jedoch die heitere Gemütsanlage zu steigern; er muß diese so zügeln, daß die zeitweilige Traurigkeit nicht zunimmt. Da ist einer, der alles hastig und aufgeregt tut; bisweilen aber hindert ihn eine plötzliche Furcht, etwas zu tun, was gleich geschehen sollte; da ist ein anderer, der immer unter einer aufgeregten Furchtsamkeit leidet, manchmal aber treibt ihn leichtsinnige Eilfertigkeit in einer Sache, zu der er gerade Lust hat. Bei jenem nun muß man die plötzlich auftretende Furcht unterdrücken, ohne daß die eingewurzelte Hastigkeit noch zunimmt; ebenso muß man bei diesem die plötzlich auftretende Eilfertigkeit unterdrücken, ohne daß die im Temperament liegende Furchtsamkeit zunimmt. Ist es aber nicht klar, daß die Seelenärzte dieses alles beachten müssen, da ja auch diejenigen mit so großer Unterscheidungskunst vorgehen, welche nicht das Herz, sondern den Leib heilen? Oft ergreift ja einen schwachen Körper eine heftige Krankheit, der man mit kräftigen Mitteln entgegenwirken sollte, aber der schwache Körper erträgt kein solch kräftiges Heilmittel. Der Arzt sucht nun die Krankheit S. 260 so zu beseitigen, daß die Körperschwäche ja nicht zunimmt und die Krankheit etwa einen tödlichen Ausgang nimmt. Er verschreibt also eine solche klug berechnete Arznei, die zu gleicher Zeit der Krankheit und der Schwäche entgegenarbeitet. Wenn also eine leibliche Arznei, auf einmal genommen, verschieden wirken kann, — denn dann ist es wirklich eine Arznei, wenn sie der Krankheit hilft und zugleich auf die Körperkonstitution Rücksicht nimmt —, warum sollte die Seelenarznei, bei derselben Predigt gereicht, nicht sittlichen Krankheiten von verschiedener Art entgegenwirken können, da sie viel behutsamer behandelt wird und sich auf unsichtbare Dinge bezieht?

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