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Die Regel des hl. Benedikt (BKV)
LXIV. KAPITEL. Von der Einsetzung des Abtes.
S. 316Bei der Einsetzung des Abtes gelte immer als Regel, daß der bestellt werde, den entweder die ganze Gemeinde einmütig in der Furcht Gottes oder ein von besserem Geist beseelter, wenn auch kleiner Teil1 erwählt. Verdienst des Lebens und Lehrweisheit müssen bei der Wahl entscheiden, selbst wenn der in Aussicht genommene seinem Range nach der letzte im Kloster wäre. Sollte, was nie geschehen möge, die ganze Gemeinde einhelligen Sinnes einen solchen wählen, der mit ihrem ungeordneten Wandel einverstanden wäre, und hätten der Bischof2 , zu dessen Sprengel der Ort gehört, oder die Äbte oder Gläubigen der Nachbarschaft irgendwie Kenntnis erhalten von diesen schlimmen Zuständen, so sollen sie verhindern, daß ein so böses Einverständnis die Oberhand behalte, und sollen dem Hause Gottes einen würdigen Verwalter geben, überzeugt, daß sie dafür einen herrlichen Lohn erhalten, wenn sie reiner Eifer für Gottes Ehre leitet, daß es aber auf der andern Seite Sünde wäre, dies zu unterlassen.
Der erwählte Abt verliere nie aus dem Auge, welche Last er auf sich genommen, und wem er Rechenschaft von seiner Verwaltung zu geben hat. Er wisse, daß seine Aufgabe mehr darin besteht, vorzusehen als vorzustehen3 . Er muß demnach im göttlichen Gesetze bewandert sein, damit ihm Einsicht und der nötige Vorrat zu Gebote stehe, Neues und Altes4 daraus zu schöpfen. Er sei keusch, nüchtern, mild; stets triumphiere die Barmherzigkeit über strenges Gericht5 , damit er ein S. 317Gleiches erlange. Er hasse das Böse, liebe die Brüder6 . Bei Zurechtweisungen gehe er mit Klugheit vor und gehe nie zuweit7 , sonst könnte das Gefäß zerbrechen, wenn er es allzu sauber vom Roste reinigen will. Er rechne immer mit seiner eigenen Schwäche und erinnere sich, daß man ein geknicktes Rohr8 nicht vollends brechen darf. Damit wollen wir jedoch nicht sagen, er dürfe Fehler fortwuchern lassen, vielmehr soll er sie, wie schon gesagt9 wurde, mit Klugheit und Liebe ausrotten in der Weise, die er für jeden einzelnen zuträglich findet. Er strebe, mehr geliebt als gefürchtet zu werden10 . Er sei nicht ungestüm und ängstlich11 , nicht übertrieben und eigensinnig, nicht eifersüchtig und zu argwöhnisch, sonst käme er nie zur Ruhe. Seine Anordnungen seien von Umsicht und Besonnenheit begleitet. Und mag der Auftrag, den er gibt, Geistliches oder Zeitliches betreffen, immer soll er unterscheiden und das rechte Maß suchen, eingedenk der weisen Maßhaltung, die aus den Worten des hl. Jakob spricht: „Wenn ich meine Herden unterwegs übermüde, erliegen sie alle an einem Tage“12 . Diese und andere Beispiele kluger Mäßigung, dieser Mutter der Tugenden13 , nehme er sich zum Vorbild und ordne alles so weise, daß es die Starken mit Lust und Liebe erfüllen, die Schwachen aber nicht davor zurückschrecken. Vor allem muß er in allen Stücken diese Regel beobachten, auf daß er nach guter Amtsverwaltung aus dem Munde des Herrn einmal die gleichen Worte vernehmen kann, wie der gute Knecht, der seinen Mitknechten den Weizen zur rechten Zeit zuteilte: „Wahrlich, sage ich euch, über alle seine Güter wird er ihn setzen“14 .
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Vielleicht so zu verstehen, daß bei Stiminenzersplitterung der als gewählt gelte, welcher die meisten Stimmen auf sich vereinigt. ↩
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Vgl. Anmerkung zu Kap. 62. ↩
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Zitat aus Aug. Sermo 340, 1, vgl. Greg. M., Reg. past. II, 6. ↩
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Matth. 13, 52. ↩
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Mit Morin [Rev. bened. 29 [1912] 408] ist zu lesen „superexultet misericordia iudicio“, wie auch die Stelle Jak. 2, 13 im Codex Fuldensis, der aus Capua stammt, lautet. ↩
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Ähnlich Aug. Sermo 49, 5. Vgl. Wochenschr. f. klass. Philol. 31 [1914] 41Sf. ↩
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Sprichwörtliche Redensart, vgl. Hieron. Epist. 180, 11; 60, 7. ↩
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Is. 42, 8. ↩
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Kap. 2. ↩
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Zitat aus Aug. 211, 15. ↩
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Vgl. Is. 42, 4. ↩
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Gen. 38, 13. ↩
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Dieser Gedanke ist aus Cassian Collat. II, 4 entlehnt ↩
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Matth. 24, 47. ↩
Edition
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Regula Benedicti
Caput LXIV. De ordinando Abbate
[1] In abbatis ordinatione illa semper consideretur ratio ut hic constituatur quem sive omnis concors congregatio secundum timorem Dei, sive etiam pars quamvis parva congregationis saniore consilio elegerit. [2] Vitae autem merito et sapientiae doctrina eligatur qui ordinandus est, etiam si ultimus fuerit in ordine congregationis.
[3] Quod si etiam omnis congregatio vitiis suis - quod quidem absit - consentientem personam pari consilio elegerit, [4] et vitia ipsa aliquatenus in notitia episcopi ad cuius dioecesim pertinet locus ipse vel ad abbates aut christianos vicinos claruerint, [5] prohibeant pravorum praevalere consensum, sed domui Dei dignum constituant dispensatorem, [6] scientes pro hoc se recepturos mercedem bonam, si illud caste et zelo Dei faciant, sicut e diverso peccatum si neglegant.
[7] Ordinatus autem abbas cogitet semper quale onus suscepit et cui redditurus est rationem vilicationis suae, [8] sciatque sibi oportere prodesse magis quam praeesse.
[9] Oportet ergo eum esse doctum lege divina, ut sciat et sit unde proferat nova et vetera, castum, sobrium, misericordem, [10] et semper «superexaltet misericordiam iudicio,» ut idem ipse consequatur.
[11] Oderit vitia, diligat fratres. [12] In ipsa autem correptione prudenter agat et ne quid nimis, ne dum nimis eradere cupit aeruginem frangatur vas; [13] suamque fragilitatem semper suspectus sit, memineritque calamum quassatum non conterendum. [14] In quibus non dicimus ut permittat nutriri vitia, sed prudenter et cum caritate ea amputet, ut viderit cuique expedire sicut iam diximus, [15] et studeat plus amari quam timeri.
[16] Non sit turbulentus et anxius, non sit nimius et obstinatus, non sit zelotypus et nimis suspiciosus, quia numquam requiescit; [17] in ipsis imperiis suis providus et consideratus, et sive secundum Deum sive secundum saeculum sit opera quam iniungit, discernat et temperet, [18] cogitans discretionem sancti Iacob dicentis: «Si greges meos plus in ambulando fecero laborare, morientur cuncti una die.»
[19] Haec ergo aliaque testimonia discretionis matris virtutum sumens, sic omnia temperet ut sit et fortes quod cupiant et infirmi non refugiant.
[20] Et praecipue ut praesentem regulam in omnibus conservet, [21] ut dum bene ministraverit audiat a Domino quod servus bonus qui erogavit triticum conservis suis in tempore suo: [22] «Amen dico vobis, ait, super omnia bona sua constituit eum.»