XXVII. KAPITEL. Wie der Abt für die Ausgeschlossenen besorgt sein soll.
S. 280Die größte Sorgfalt wende der Abt den fehlenden Brüdern zu; denn „nicht Gesunde bedürfen des Arztes, sondern Kranke“1 . Deshalb soll er ganz so verfahren wie ein kluger Arzt, er soll Sympäkten2 zu dem Bruder schicken, das heißt ältere, verständige Brüder, die wie im Vertrauen den hin- und herschwankenden Mitbruder beruhigen, zu demütiger Genugtuung bewegen und trösten sollen, „damit er nicht in übermäßige Traurigkeit versinke“; es soll vielmehr, wie der Apostel sagt, „die Liebe gegen ihn erstarken“3 , und alle sollen für ihn beten.
Der Abt muß seine ganze Sorge darauf richten und mit aller Klugheit und Umsicht dem Ziele zustreben, daß er keines der ihm anvertrauten Schafe verliere. Er soll nämlich wissen, daß er die Sorge für kranke Seelen übernommen hat, nicht eine Zwingherrschaft über Gesunde. Er sei in Angst vor der Drohung, die Gott dem Propheten in den Mund legt: „Was euch fett erschien, habt ihr für euch genommen, was aber schwach war, habt ihr weggeworfen“4 . Und er ahme das rührende Beispiel des guten Hirten5 nach, der die neunundneunzig Schafe auf dem Gebirge zurückließ und sich aufmachte, das eine Schäflein zu suchen, das in die Irre gegangen war; solches Mitleid hatte er mit dessen Schwäche, daß er es huldvoll auf seine Schultern nahm und so zur Herde zurücktrug.