LV. KAPITEL. Von der Kleider- und Schuhkammer der Brüder.
S. 304Die Kleider, die den Brüdern gegeben werden, seien der Lage und dem Klima des Wohnortes angepaßt; denn in kalten Gegenden braucht man mehr, in warmen dagegen weniger. Der Abt soll dies also weise in Rechnung ziehen. Wir sind aber der Ansicht, in einer Gegend mit mittlerem Klima reiche für jeden Mönch eine Kukulle1 und eine Tunika aus; die Kukulle sei im Winter dichtwollig, im Sommer dünn oder abgetragen. Dazu komme das Skapulier2 für die Arbeit und als Fußbekleidung Strümpfe und Schuhe3 . Über die Farbe und den rauhen Stoff von all dem sollen sich die Mönche nicht aufhalten; die Kleider seien vielmehr so, wie man sie in jenem Lande vorfindet oder wohlfeil beschaffen kann4 .
Der Abt sorge für das richtige Maß, damit die Kleider denen, die sie tragen, nicht zu kurz seien, sondern gut passen. Wer neue Kleider erhält, soll die alten immer sogleich zurückgeben, damit sie in der Kleiderkammer für die Armen aufbewahrt werden. Denn für den Mönch genügt es, zwei Tuniken und zwei Kukullen zu haben wegen der Nacht und um sie waschen zu S. 305können. Was darüber ist, muß als überflüssig entfernt werden. Auch die Fußbekleidung und überhaupt alles Alte sollen sie abgeben, sobald sie Neues bekommen. Brüder, die auf Reisen geschickt werden, erhalten aus der Kammer Unterkleider. Nach ihrer Rückkehr geben sie diese gewaschen wieder ab. Auch sollen die Kukul-len und Tuniken etwas besser sein, als man sie gewöhnlich trägt; sie erhalten sie bei ihrer Abreise aus der Kleiderkammer und geben sie bei ihrer Heimkehr wieder zurück.
Als Lager sollen eine Matte, ein rauhes Tuch, eine Decke und ein Kopfkissen genügen. Der Abt muß jedoch öfter nachschauen, ob sich in diesen Betten nicht etwa Eigentum finde. Und sollte sich bei einem etwas finden, was ihm der Abt nicht gegeben hat, so werde er sehr strenge bestraft. Damit dieses Laster des Privateigentums mit der Wurzel ausgerottet werde, gebe der Abt alles, was man braucht, Kukulle, Tunika, Strümpfe, Schuhe, Gürtel, Messer, Griffel, Nadel, Taschentuch, Schreibtafel, so daß jedem Vorwand eines Bedürfnisses der Boden entzogen sei. Der Abt beherzige jedoch immer jenen Ausspruch der Apostelgeschichte: „Es ward jedem gegeben, wie er es nötig hatte“5 . So muß also auch der Abt auf die schwachen Kräfte der Bedürftigen Rücksicht nehmen, nicht auf das Übelwollen Scheelsüchtiger. Er halte sich jedoch bei allen seinen Anordnungen die Vergeltung Gottes vor Augen.
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Die Cuculla bedeckte ursprünglich nur Kopf und Nacken [= Kapuze] und war bei den Bauern und Arbeitern gebräuchlich. Die MöDche trugen im Orient vielfach auch diese cuculla [Cassian Inet. I, 8]. Zur Zeit des heiligen Benedikt und noch einige Jahrhunderte später ist es ein langes, weites, ärmelloses Gewand mit einer Kapuze, eine Art Casel, s. Abbildungen bei Mabillon, Annales I [Paris 1703] 120s.; Voyage littéraire de deux relig. bened. II [Paris 1784] 155 und Cabrol, Diotionn. d'archeol. II, 2127 - 84. ↩
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Scapulare, hier zum erstenmal erwähnt. Nach alten Abbildungen und Beschreibungen war es ursprünglich ein kurzes, bis zu den Landen reichendes, mit Ärmeln versehenes Gewand, das statt der weiten cuculla bei der Arbeit getragen wurde. ↩
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Caligae wohl ähnlich den Sandalen der römischen Soldaten. Über die Fußbekleidung im Altertum s. Cabrol 1, c. III, 1229-67. ↩
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Zitat aus Basil. [Ruf.] Reg. 9. ↩
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Apg. 4, 35. ↩