LXI. KAPITEL. Wie fremde Mönche aufgenommen werden sollen.
Kommt ein fremder Mönch aus fernen Landen und will er als Gast im Kloster wohnen1 , so nehme man ihn für solange auf, als er wünscht, vorausgesetzt, daß er zufrieden ist mit den dort geltenden Gebräuchen und nicht etwa durch unberechtigte Ansprüche dem Kloster lästig fällt, sondern sich einfach mit dem begnügt, was er antrifft. Äußert er mit Gründen und in liebevoller Bescheidenheit einen Tadel, oder macht er auf etwas aufmerksam, so erwäge der Abt in Klugheit, ob nicht etwa Gott ihn gerade zu diesem Zwecke geschickt habe. Will er aber später sich zu beständigem Bleiben verpflichten, so weise man diesen Wunsch nicht zurück, zumal da man während der Zeit, da er Gast war, Gelegenheit hatte, seinen Wandel kennen zu lernen. Erwies er sich während der Zeit der Gastfreundschaft als anspruchsvoll und mit Fehlern behaftet, dann muß man ihm nicht bloß die Aufnahme in den Klosterverband verweigern, sondern ihm sogar in höflicher Weise bedeuten, er möge gehen. Sonst könnte sein bedauernswerter Wandel auch noch andere anstecken. Verdient er aber durch sein Verhalten nicht, daß man ihn fortschicke, so warte man nicht erst seine Bitte ab, um ihn der Gemeinde einzugliedern, sondern rede ihm sogar zu, daß er bleibe, damit sein Beispiel andern zur Lehre dienen kann. Wird doch allerorten dem gleichen Herrn gedient und für denselben König gestritten. Der Abt darf ihm auch einen etwas höheren Platz anweisen, wenn er ihn dessen würdig erachtet. Doch nicht bloß einen Mönch, auch einen Angehörigen des oben erwähnten S. 313Priester- und Klerikerstandes kann der Abt an einen höheren Platz aufrücken lassen, als es ihm dem Eintritte nach zukäme, wenn er erkennt, daß ihr Wandel das verdient. Doch hüte sich der Abt, jemals einen Mönch aus einem andern bekannten Kloster in seine Gemeinde aufzunehmen ohne Einwilligung des betreffenden Abtes oder ohne Empfehlungsschreiben2 . Denn es steht geschrieben: „Was du nicht leiden möchtest, tu auch keinem andern an“.