4. Kap. Die Stelle 1 Kor. 7, 25 ff. enthält eine persönliche Meinung des hl. Paulus, keine göttliche Offenbarung. Dagegen sei 1 Kor. 7, 39 als ein aus apostolischer Autorität erflossenes Verbot zu betrachten.
Übrigens aber wissen wir in betreff der zweiten Ehe, daß der Apostel mit unumwundenen Worten gesagt hat: „Bist du von der Gattin gelöst, so suche keine Gattin wieder: allein wenn du eine nimmst, so sündigst du nicht“1. Auch die in diesem Ausspruch enthaltene Anordnung hat er ebenfalls nur kraft seines eigenen Dafürhaltens, nicht kraft einer göttlichen Vorschrift eingeführt. Zwischen einer göttlichen Vorschrift und dem Dafürhalten eines Menschen ist aber ein großer Unterschied, „Eine Vorschrift des Herrn“, sagt er, „habe ich nicht, einen Rat aber gebe ich, wie einer, der vom Herrn Barmherzigkeit erlangt hat, im Glauben treu zu sein.“ Sonst wird man weder im Evangelium noch in den Briefen Pauli selbst eine Stelle finden, wo kraft einer göttlichen Vorschrift die Wiederholung der Ehe erlaubt würde. Mithin bestätigt es sich, daß man nur eine einzige schließen darf. Denn das, wozu sich nicht seitens des Herrn eine Erlaubnis gegeben findet, kennzeichnet sich als verboten. Dazu kommt noch, daß auch dieser bloß menschliche Rat, der da miteingeflossen ist, sich sofort, als wäre er über sein eigenes Vorgehen bedenklich geworden, wieder selbst beschränkt und widerruft, wenn Paulus sofort bemerkt: „Aber solche werden die Bedrängnis des Fleisches empfinden“; wenn er sagt, „daß er ihrer schone“; wenn er hinzufügt, „die S. 333Zeit sei verkürzt, weshalb diejenigen, welche in der Ehe leben, so sein müßten, als lebten sie nicht darin“, und wenn er die Sorgen der Verheirateten mit denen der Unverheirateten in Vergleich stellt2. Indem er so die Gründe darlegt, warum das Heiraten nicht nützlich sei, rät er wieder von dem ab, was er oben gestattet hatte. Das gilt schon hinsichtlich der erstmaligen Verheiratung, wieviel mehr noch hinsichtlich der zweiten! Wenn er uns aber ermahnt, seinem Beispiele zu folgen, indem er zu erkennen gibt, wie er uns zu sehen wünscht, d. h. enthaltsam, so erklärt er damit, wie er uns nicht zu sehen wünscht, nämlich unenthaltsam. Also auch er gibt, indem er etwas anderes wünscht, die Erlaubnis zu dem, was er nicht wünscht, weder aus freiem Antrieb noch in Wirklichkeit, Denn wenn er das andere wollte, so hätte er es nicht bloß erlaubt, sondern befohlen.
Allein siehe da, er erlaubt doch wiederum, daß ein Weib, nachdem ihr Mann gestorben, heiraten könne, wenn sie wolle, aber nur im Herrn. „Seliger aber“, sagt er, „wird sie sein, wenn sie so bleibt nach meinem Rate. Ich glaube aber, ich habe auch den Geist Gottes“3. Wir sehen da der Ratschläge zwei: den, wonach er oben das Heiraten gestattet, und den, wodurch er hinterher die Enthaltung vom Heiraten lehrt. Welchem sollen wir also, fragst du nun, zustimmen? Schau her und lies! Wo er bloß gestattet, da beruft er sich auf einen bloß menschlichen, weisen Rat, wo er aber die Enthaltsamkeit proklamiert, da behauptet er, daß es der Rat des Hl, Geistes sei, Folge du dem Rate, auf dessen Seite die Gottheit steht! Den Geist Gottes, den haben zwar auch die Gläubigen4; aber nicht alle Gläubige sind Apostel, Da also er, welcher sich vorher einen Gläubigen genannt hatte, nachher hinzusetzt, er habe den Geist Gottes, was auch von einem bloßen Gläubigen niemand bezweifelt haben würde, so hat er es deshalb gesagt, um sich seine Würde als Apostel wieder beizulegen. Denn im eigentlichen Sinne haben nur die Apostel S. 334den Hl. Geist, sie, die ihn in seiner Fülle besitzen in Werken der Prophetie, in Betätigung von Wunderkräften und in Bewährung der Sprachengabe, nicht bloß teilweise wie die anderen Leute. Und so hat er denn die Autorität des Hl. Geistes bei dem Falle hinzutreten lassen, welchem wir, wie es sein Wunsch ist, lieber gehorchen sollen, und es ist damit schon nicht mehr ein bloßer Rat des Hl. Geistes, sondern, entsprechend der Majestät desselben, eine Vorschrift daraus geworden.
