1. Kap. Ein Soldat wollte bei Austeilung der kaiserlichen Geldspende keinen Kranz aufsetzen und wurde deshalb degradiert und eingekerkert. Handelte er darin recht und pflichtmäßig?
Kürzlich trug es sich zu, daß die von unsern erhabensten Kaisern bewilligte Geldspende im Lager zur Auszahlung kam. Die Soldaten traten mit Lorbeer bekränzt hinzu. Einer, mehr ein Soldat Gottes und standhafter als seine übrigen Kameraden, die sich vermaßen, zweien Herren dienen zu können, stach, als der einzige im bloßen Kopfe, den Kranz in der müßigen Hand, rühmlich von den andern ab, indem er schon in dieser Taktik den Christen kundgab. Einige zeigen auf ihn, die entfernteren lachen, die umstehenden knirschen, das Gemurre dringt zum Oberst, und schon war auch ein Offizier aus dem Gliede herausgetreten. „Was soll diese abweichende Haltung?“ fragte sofort der Oberst. Jener behauptet, er dürfe es nicht so machen, wie die andern. Nach der Ursache befragt, antwortete er: „Ich bin Christ.“ - O du in Gott ruhmreicher Krieger!
Daraufhin wird das Urteil gefällt1, der Sache wird weitere Folge gegeben und der Schuldige zu den Oberbefehlshabern geführt. Sofort2 legte er den schweren Kriegsmantel ab - er machte mit der Losschälung den Anfang - die lästigen Soldatenschuhe der gemeinen Soldaten band er von seinen Füßen los3 - er fing an, auf heiligem Lande sein Standquartier zu nehmen4 - das Schwert, das ja zur Verteidigung des Herrn auch S. 232nicht notwendig war5, gab er zurück, der Lorbeerkranz entsank seiner Hand, und nun, im roten Waffenrock seines Blutes, das er zu vergießen hofft, beschuht mit der Bereitschaft des Evangeliums, umgürtet mit dem Worte Gottes, welches schärfer ist, ganz gewaffnet nach der Anweisung des Apostels6 und schöner bekränzt durch die Anwartschaft7 des Martyriums, so erwartet er im Kerker die Spende Christi.
Da werden denn nun Urteile über ihn laut - ich weiß nicht einmal, waren es solche von Christen; denn die der Heiden klangen nicht anders. Er sei unbesonnen, voreilig und dränge sich zum Tode heran8. Bloß in Betreff der Tracht befragt, habe er der ganzen Konfession Ungelegenheiten bereitet, er, der allein unter so vielen christlichen Kameraden sich beherzt, er, der allein sich als Christ zeigte. Wahrhaftig, es fehlt weiter nichts mehr, als daß sie noch darauf ausgehen, auch das Martyrium abzuschaffen, sie, die die Prophetien desselben Hl. Geistes ja schon zurückgewiesen haben9. Mit einem Wort, sie murren darüber, daß ihnen diese schöne und lange Friedenszeit in Gefahr kommt. Ich zweifle auch nicht daran, daß einige Leute - der Hl. Schrift gemäß - auswandern, ihre Bürde leicht machen und sich zur Flucht aus einer Stadt in die andere anschicken werden10. Nur diese Stelle im Evangelium behalten sie S. 233nämlich im Gedächtnis. Ich kenne auch ihre Hirten; im Frieden sind sie Löwen, in der Schlacht Hasen.
Über die Fragen nach der Pflichtmäßigkeit des Bekennens der Religion werde ich aber wohl anderswo eine Unterweisung geben11, für jetzt hingegen, weil sie die Frage aufwerfen: Wo wird uns denn aber das Tragen von Kränzen verboten? - will ich lieber die vorwürfige, mehr durch den gegenwärtigen Umstand gebotene12Sache in Angriff nehmen, damit die, welche von Unkenntnis beängstigt sich darüber zu orientieren wünschen, Aufklärung erhalten, und die, welche ein Vergehen13 zu verteidigen sich bemühen, ihre Widerlegung S. 234finden. Die letzteren gerade sind vor allem die lorbeerbekränzten Christen, denen dies14 ein bloßes Problem ist, als ob es entweder für gar kein Vergehen, oder doch für ein zweifelhaftes gehalten werden könne, das noch eine Untersuchung dulde. Daß es aber ein wirkliches Vergehen ist und kein zweifelhaftes, das will ich sofort hier zeigen.
-
Das Urteil der niederen Befehlshaber, mehr das Resultat einer Beratung, wonach die Sache an die Oberbefehlshaber zu bringen sei. ↩
-
Ibidem wird oft von der Zeit gebraucht. ↩
-
speculatoria caliga. Speculatores (σπεκουλάτωρ, Späher, eine Aufklärungstruppe, Mark. 6,27), Ordonnanzen. Die gemeinen Soldaten und niederen Offiziere trugen caligae. ↩
-
Vgl. Exodus 3,5. ↩
-
Vgl. Matth. 26,52 ff. ↩
-
Eph. 6,15 ff. ↩
-
de matyrii candida melius coronatus, nämlich als durch den Lorbeerkranz; zu candida vgl. Hoppe 119. ↩
-
mori cupido darf nicht mit „lebensmüde“ übersetzt werden; parallel dem „abrupto praecipiti“ bezeichnet es das allzu stürmische Verlangen nach dem Tode, einen, der sich zum Tode herandrängt. ↩
-
Ein Zeichen, daß Tertullian schon erklärter Montanist war, als er die Schrift de corona schrieb. Darauf weist auch die gleich folgende Bemerkung über die „pastores eorum“ (der Katholiken) hin, und die vorhergehende gehässige Bemerkung: ut etiam martyria recusare meditentur. Hiermit will T. die Katholiken den Gnostikern gleichstellen, die er in Scorpiace bekämpft hat. ↩
-
Anspielung auf Matth. 10,23; 24,16. ↩
-
Sed de quaestionibus confessionum alibi docebimus. Oehler (I, 418), der unrichtig erklärt „quibus confessionibus confessiones martyrum extorquentur“, verweist auf Apol. und Scorpiace, und auch Kellner meinte, T. habe auf diese beiden früher verfaßten Schriften hingewiesen. Wenn er trotzdem „docebimus“ schreibe, so stehe das Futurum statt des Potential (vgl. Hoppe 64 f.). Allein das ist hier unmöglich und auch durch das folgende: „At nunc“ ausgeschlossen. Quaestiones confessionum sind Fragen, welche die Pflicht des Bekennens aufwirft, und hier besonders die Frage, ob das Fliehen in der Verfolgung erlaubt sei, eine Frage, welche, wie die vorhergehenden Anspielungen beweisen, schon damals einen Gegenstand der Kontroverse zwischen Katholiken und Montanisten bildete und T. lebhaft beschäftigte. T. denkt also an eine Schrift de fuga in persecutione. Würde er an Scorpiace denken, so wäre dies ein sicherer Beweis dafür, daß diese Schrift nach de corona geschrieben sei. Aber eine Bezugnahme auf sie ist ausgeschlossen, wie ihr Inhalt beweist. Sie ist nur gegen die Gnostiker geschrieben; mit keiner Silbe wird die Frage nach der Erlaubtheit der Flucht während der Verfolgung berührt und ebenso wenig die bei dieser Frage im Mittelpunkt stehende Stelle Matth. 10,23, während die Behandlung dieser Stelle in de fuga einen breiten Raum einnimmt. ↩
-
magis localem bezeichnet hier wohl kaum, daß die gegenwärtige Streitsache über die Erlaubtheit des Kranztragens nur lokales Interesse habe, sondern daß die Behandlung dieser Frage in einer eigenen Schrift durch die gegenwärtigen Umstände geboten wird, oder es bedeutet, daß er aus den Fragen in Betreff des Bekennens (quaestiones confessionum) gerade die der Kopf bekränzung herausgreifen will. ↩
-
nämlich das Tragen der Kränze. ↩
-
das Tragen der Kränze. ↩