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Works Peter Chrysologus (380-450) Ausgewählte Predigten (BKV)
V. Vorträge über die Briefe Pauli

Achtundvierzigster Vortrag: Über die Stelle: „Haben wir gesündigt (Chrysologus bzw. der Text liest peccavimus statt peccabimus der Vulgata). weil wir nicht unter dem Gesetze sind, sondern unter der Gnade?...“ bis: „Denn das Ende davon ist der Tod.“ Röm 6,15-21

Gleichwie einem Wanderer immer süß und lieb ist die Rückkehr in seine Heimat, und die Räume des S. 264Vaterhauses ihm willkommen sind nach langer Zeit, so ist auch mir nach der Unterbrechung der Predigt die Rückkehr zur Reihenfolge der Lesungen des Apostels wieder doppelt lieb. Denn oft zwingt eine kirchliche Pflicht uns, von der beabsichtigten Predigtordnung und von der zusammenhängenden Reihenfolge derselben abzuweichen; so müssen wir nämlich den Gang des Unterrichtes einrichten, dass nicht eine Pflicht durch die andere gehindert wird. Drum laßt uns vernehmen, was der heilige Apostel heute gesagt hat. Was de nn sagt er: „Haben wir gesündigt, weil wir nicht mehr unter dem Gesetze sind, sondern unter der Gnade? Das sei ferne!“1 . Eine solche Frage, Brüder, beschuldigt die der Torheit, die, ihrer Gewohnheit nach Sklaven des Gesetzes, es nicht verstehen, die Kräfte zu empfinden, die die Gnade uns verleiht; sie, die die Reihe der gesetzlichen Vorschriften als hartnäckige [Sünder] bloßstellte, hat die Güte ihrer Opfergaben und die Prachtentfaltung ihrer Feste gänzlich verblendet und verhärtet durch ihre inhaltlosen Gesetzesbeobachtungen. Und, wenn die Zeit des Gesetzes abgelaufen ist, was soll denn noch der Beobachter des Gesetzes tun, da er von dem Gesetze ausgeschieden ist? Jude! Was hast du, das du nicht verloren hast? Wenn du es aber verloren hast, was rühmst du dich, als hät test du es nicht verloren?2 .

Wo ist dein Tempel? wo dein Priestertum? wo das Opfer? wo das Räucherwerk? wo deine Reinigungen? wo die stets zu beobachtende Feier deiner Feste? Aber, damit du Jude bist, wirst du mit Recht beschnitten, den abgeschnitten bist du von den eben erwähnten Gütern! Denn es steht geschrieben: „Verflucht sei, wer nicht bleibt in allem, was geschrieben steht im Buche des Gesetzes!“3 . Wenn schon der verflucht wird, der in einem Stücke sündigt, wieviel mehr wird der verflucht sein, der nichts von all dem getan zu haben sich erweist? S. 265„Haben wir gesündigt“,heißt es, „weil wir nicht unter dem Gesetze sind, sondern unter der Gnade?“, als wollte er sagen: Brüder, haben wir gesündigt, weil wir, schon geheilt, in der Pflege nicht geblieben sind? Haben wir gesündigt, weil wir, schon geheilt, Brennen und Schneiden als Heilmittel verschmäht haben? Ein unseliger Kranker ist der, der nacherlangter Heilung nun nicht auch die Heilmittel aufgeben will. Und wozu viele Worte, Brüder? Niemals macht der gesund, der das Urteil der Kranken erfragt und darauf hört. Denn wie das Feuer in dem Körper immer nur noch mehr angefacht wird durch eine kalte Flüssigkeit, und wie eine allzu große Kühle die Glieder noch mehr quält und erschüttert, ja den Brand noch heftiger macht und erzeugt, so verlangt auch der Kranke, ohne zu beachten, dass Hitze nur durch Hitze getilgt wird, der Brand durch Kühle nur noch mehr genährt wird, in aller Ungeduld nach kaltem Wasser, nur um die Fieberglut zu mehren, die in seinen Adern immer kocht und siedet.

Während also das Gesetz immer Rücksicht nimmt und erträgt den Willen des Menschen, der Mensch aber, beladen mit der Last der Sünde, nicht im stande ist, den Gesetzesvorschriften zu genügen, so erlöst das Gesetz nicht seinen Beobachter von der Fessel der Sünde, sondern verstrickt ihn [nur noch mehr] in das Verbrechen der Übertretung. Deshalb heißt es weiter: „Wißt ihr nicht, dass ihr dessen Knechte seid, dem ihr euch als Knecht zum Gehorsam darbietet, dem ihr gehorcht, sei es der Sünde zum Tode oder des Gehorsams zum Leben?“4 . Wie also, Brüder, sollen wir es verstehen, dass das Gesetz, von dem wir reden, den Menschen als Knecht der Sünde geoffenbart hat? „Sei es“, heißt es ja, „der Sünde zum Tode oder des Gehorsams zum Leben.“ Vorher schon hatte er gesagt: „Die Sünde soll keine Gewalt mehr über euch haben, denn ihr seid nicht unter dem Gesetze, sondern unter der Gnade“5 . Alle also, die unter dem Gesetze sind, S. 266werden geknechtet und gefesselt unter der Herrschaft der Sünde, und aus dieser bedauernswerten, schändlichen Sündenherrschaft vermögen sie nicht befreit zu werden, es sei denn, dass die Gnade sie freigibt. „Doch ich sage“, heißt es, „Gott Dank, dass ihr Knechte der Sünde waret“6 . Sagt er so Dank, als ob er sich freue, dass der Mensch ein Knecht der Sünde gewesen sei? Das sei ferne! Er sagt Dank, nicht weil wir vorher Knechte eines so grausamen Herrn waren, sondern dafür, dass wir jetzt von diesem Joch befreit sind, wie er das in dem folgenden noch klarer ausdrückt, wenn er sagt: „Dass ihr jedoch von Herzen dem Musterbild der Lehre gehorsam wurdet, in dem man euch unterwies; befreit aber von der Sünde, wurdet ihr Knechte der Gerechtigkeit“7 . Wir sind, Brüder, gehorsam geworden durch die Gnade dessen, der uns rief, nicht durch unseren eigenen Willen [wie die Pelagianer sagten], denn der hielt uns gefangen. „Ihr wurdet von Herzen gehorsam dem Musterbild der Lehre.“ Welcher? Der des Evangeliums, in dem nach der neuen Art der Freiheit die Knechtschaft nicht aufgehoben, sondern umgewandelt wurde; denn besser ist demütiges Dienen als eitles und willkürliches Freisein.

„Ihr seid Knechte geworden der Gerechtigkeit.“ Diese Knechtschaft, Brüder, bindet nicht, sondern macht frei; beschwert nicht, sondern ehrt8 ; tilgt das Brandmal der Knechtschaft, brennt es nicht ein. Ist dies, so frage ich also, nicht Gotteswerk, wo die Knechtschaft vertrieben wird durch Knechtschaft, wo Unterwerfung vernichtet wird durch Unterwerfung, wo der Tod getötet wird durch den Tod, wo das Verderben geheilt wird durch Verderben, und damit ich es ganz recht und kurz aus drücke: wo die ganze Gegenerschaft durch des Gegners eigenes Schwert zu Boden gestreckt wird? Der Apostel drückt dies so aus: S. 267„Ich rede nach Menschenweise um der Schwachheit eures Fleisches willen. Denn wie ihr eure Glieder in den Dienst der Unreinigkeit und Ungerechtigkeit zur Ungerechtigkeit hingabt, so gebt jetzt eure Glieder in den Dienst der Gerechtigkeit zur Heiligkeit“9 . Die Größe der Liebe offenbart er, wenn er so die Lehre des Evangeliums herabzieht zu so niedrigen und fast beschämenden Vergleichen, so dass er der Heiligkeit nur so viel als der Unreinigkeit, dem Dienste der Gerechtigkeit nur so viel als dem der Ungerechtigkeit auferlegt und zuweist. Absurd, Brüder, und unpassend erscheint der Vergleich, der den Menschen nur soweit der Verherrlichung unterwerfen will, als er der Erniedrigung unterworfen war. Aber möchte es doch nur so sein! Denn wann wird Gott so viel geehrt wie die Welt? wann der Himmel so viel wie die Erde? wann dienen die schwachen Menschen so viel der Tugend wie dem Laster? Der ganze armselige Mensch ist so dem Fleischesdienst ergeben, hängt so sehr an diesen zeitlichen Gütern, dass er geradezu nichts hat, was er dem zukünftigen Leben, den Gütern des Himmels weihen könnte. Mit einem Wort hat daher der heilige Apostel die Macht der irdischen Reize für das menschliche Bewußtsein ganz passend geschildert, ganz passend ausgedrückt, damit die menschlichen Glieder nun mit demselben Willen der Gerechtigkeit, der Keuschheit und Reinheit dienten, mit welchem sie vorher in Raserei und Verblendung der Schande und dem Laster sich ergeben haben. Geringfügiges, ja fast nichts verlangt der, der ein Zugeständnis zu geben wünscht, wo das Eigentumsrecht schon verloren gegangen ist. Auch jede Entschuldigung nimmt er dir, da er dir vorschreibt, für die größten Güter nur Geringes und Gewöhnliches wieder zurückzugeben!

Gib also Mensch, Gott nur so viel, wie du dem Fleische und den Lastern gegeben hast! Und warum solltest du nicht Gott eher geben, was du den Lastern vorher gegeben hast? Warum solltest du nicht dich S. 268selbst ihm geben, da Gott von dir nur aus Liebe zu dir so wenig verlangt? Weiter heißt es dann: „Denn da ihr Knechte der Sünde waret, waret ihr frei für die Gerechtigkeit. Jetzt aber, befreit von der Sünde, seid ihr Knechte geworden der Gerechtigkeit“10 . Vorher Knechte der Sünde, jetzt Knechte der Gerechtigkeit. Nach dem Apostel folgt also, wie ihr seht, Knechtschaft auf Knechtschhaft. Du Hartnäckiger! Zeige nun die Zeit deiner Freiheit! Die Sünde, die dich elendiglich gefangen hielt, log dir vorher Freiheit vor; die Gnade nennt dich jetzt einen Knecht, obschon sie dich, um dich wahrhaft frei zu machen, annahm zum Sohne Gottes selbst! Erfüllt ist also das Wort Christi, der da spricht: „Wer Herr sein will, der sei Diener“11 . Ja, selig ist diese Knechtschaft, die ewige Herrschaft gebiert. Denn jene Freiheit brachte uns die Frucht der Strafe und eine unerträgliche Schande ein, wie [der Apostel] sagt: „Wel che Frucht hattet ihr also damals von dem, worüber ihr jetzt errötet? Denn das Ende davon ist der Tod“12 . Seht, wie der Teufel freiläßt, wie er jene Knechte ehrt mit gleichem Lohne, so dass der Tod zugleich endet das Leben und heraufführt die Strafe. Diejenigen aber, Brüder, die Christo dienen, verachten den Tod mit seinem Sold13 und werden hinüber versetzt in das ewige Leben der Heiligkeit. Denn das Ende in Christus kennt kein Ende, weil es den Menschen nicht vernichtet, sondern vollendet!14 .


  1. Röm 6,15 ↩

  2. vgl. 1 Kor 4,7 ↩

  3. Dt 27,26 ↩

  4. Röm 6,16 ↩

  5. ebd 6,14 ↩

  6. Röm 6,17 ↩

  7. ebd 6,17f. ↩

  8. non onerat, sed honorat ↩

  9. Röm 6,19 ↩

  10. Röm 6,20 u. 18 ↩

  11. vgl. Mt 20,23 ↩

  12. Röm 6. 21 ↩

  13. vgl. ebd 6,22 ↩

  14. Non interficit, sed perficit ↩

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